• Dorothee Bär beschreibt sich auf Instagram als "Mama, Politikerin, Gamerin, Jägerin, Fränkin, Bayerin und Teilzeit-Berlinerin".
  • Für die CSU sitzt sie seit 20 Jahren im Bundestag und kümmert sich dort vor allem um Familien, Frauen, die Jugend und alle Themen rund um die Digitalisierung.
  • Im Interview spricht sie über die Energiespartipps von Wirtschaftsminister Robert Habeck, über mangelnde Kompetenz in der Bundesregierung beim Thema Digitalisierung und die junge Wählerschaft, die die Union der FDP abwerben will.
Ein Interview

Frau Bär, unser Wirtschaftsminister Robert Habeck duscht seit der Energiekrise kürzer. Wie lauten Ihre Tipps, wie man zu Hause Energie und damit Geld sparen kann?

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Dorothee Bär: Bei uns gibt es keine speziellen Massregelungen, ich stoppe auch nicht die Duschzeit meiner drei Kinder. Der schonende Umgang mit unseren Ressourcen, unserer Schöpfung, zählt bei der Erziehung meiner Kinder genauso zu den obersten Zielen wie auch schon in meiner.

Wie weit reicht Ihre Solidarität mit der Ukraine? Würden Sie zum Beispiel im Winter rationiertes Warmwasser akzeptieren?

Natürlich ist es richtig, in der aktuellen Lage kein Blatt vor den Mund zu nehmen und die Bürgerinnen und Bürger auf die Auswirkungen der Krisen in der Welt und besonders des Kriegs in der Ukraine hinzuweisen. Aber wenn ein Mann sich hinstellt und sagt, er duscht nur drei Minuten - da lacht sich jede Frau mit langen Haaren kaputt. Solche Antworten des Bundeswirtschaftsministers reichen mir in dieser Situation einfach nicht.

Was erwarten Sie dann?

Dass Privathaushalte und die Wirtschaft beim Thema Energie nicht gegeneinander ausgespielt werden, wenn noch nicht alles ausgeschöpft ist, was ausgeschöpft werden kann. Das Reden und das Handeln passen bei Herrn Habeck nicht zusammen.

Inwiefern?

Man kann nicht aus ideologischen Gründen gegen die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke sein und gleichzeitig zur schmutzigen Kohle zurückkehren oder den Kotau in Katar machen, obwohl wir wissen, dass in diesem Jahr kein Gas aus Katar nach Deutschland kommt. Da erwarte ich schon mehr Ehrlichkeit und konkretes Handeln. Das ist unwürdig, was die Ampelregierung momentan veranstaltet.

Dorothee Bär: "Die Ampel hat Bayern komplett abgeschrieben"

Als Partei in der Opposition sind Ihnen in Berlin aktuell die Hände gebunden. Wie wichtig ist Ihnen Macht?

Macht zur Umsetzung von Zielen ist immer wichtig. Wenn Ihnen immer eine Stimme zur Mehrheit fehlt, dann können Sie fürs Bundesarchiv Anträge und Gesetzesentwürfe schreiben, aber sie werden eben nicht umgesetzt. Macht ist für mich auch in keiner Weise negativ besetzt, nur der Machtmissbrauch. Meine Fraktion - und auch ich persönlich - sind von der DNA her so aufgestellt, dass wir Verantwortung nicht scheuen, sondern dass das Gegenteil der Fall ist: Wir haben immer den Gestaltungswillen.

Schadet es der CSU, dass sie in Berlin nur noch als Opposition sichtbar ist?

Es fällt gerade der CDU/CSU-Fraktion ganz besonders schwer, dass wir das Heft des Handelns nicht selbst in der Hand haben, weil wir eine Regierungsfraktion und -partei sind. Aber zu einer funktionierenden Demokratie gehört auch eine starke Opposition. Die müssen nicht unbedingt wir sein, aber das ist jetzt nun mal so. Der CSU schadet die Oppositionsrolle nicht, aber dem Freistaat Bayern und seinen Bürgerinnen und Bürgern schadet sie, weil die Ampel Bayern komplett abgeschrieben hat. Kein einziges Kabinettsmitglied kommt aus Bayern. Dem flächengrössten Bundesland aus parteipolitischem Klein-Klein die finanzielle Unterstützung für sinnvolle Projekte zu entziehen, ist nicht nur unterkomplex.

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Sie waren zuletzt Beauftragte der Bundesregierung für Digitalisierung. Wie zufrieden sind Sie mit dem Stand der Digitalisierung in Deutschland?

Offenbar interessiert sich keiner mehr für Digitalisierung, seit ich nicht mehr im Amt bin. Mir ist die Bundesregierung viel zu ambitionslos. Die FDP hat vier Jahre lang behauptet, ein eigenes Digitalministerium zu schaffen, sobald sie an die Regierung komme - das ist nicht passiert. Der zuständige Minister (Volker Wissing, FDP; Bundesminister für Digitales und Verkehr; Anm. d. Red.) hat keine grosse Affinität zum Digitalen. Nur ein paar Buchstaben im Namen des Ministeriums umzustellen, reicht einfach nicht. Der wichtige Gaming-Bereich wurde zum Beispiel ohne Not vom Verkehrsministerium ans Wirtschaftsministerium abgegeben, weil man anscheinend kein Interesse daran hatte. Und im Kanzleramt lässt man die Abteilung für Digitalisierung zwar existieren, nutzt das Potential aber in keiner Weise. Wichtige Instrumente der Bundeskanzlerin wie zum Beispiel Digitalrat oder Digitalkabinett wurden sang- und klanglos beerdigt.

Bär: "Ich kenne in der gesamten Ampelregierung keinen prominenten Digitalpolitiker"

Liegt die Schuld also nur bei der Bundesregierung oder gibt es noch weitere Probleme?

Sie müssen immer Menschen haben, die das auch wirklich wollen, die für das Thema brennen. Ich kenne in der gesamten Ampelregierung keinen prominenten Digitalpolitiker, es gibt einfach niemanden.

An den Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Civey kann jeder teilnehmen. In das Ergebnis fliessen jedoch nur die Antworten registrierter und verifizierter Nutzer ein. Diese müssen persönliche Daten wie Alter, Wohnort und Geschlecht angeben. Civey nutzt diese Angaben, um eine Stimme gemäss dem Vorkommen der sozioökonomischen Faktoren in der Gesamtbevölkerung zu gewichten. Umfragen des Unternehmens sind deshalb repräsentativ. Mehr Informationen zur Methode finden Sie hier, mehr zum Datenschutz hier.

Wo muss bei der Digitalpolitik zuerst angesetzt werden?

Das ist der falsche Ansatz. Es gibt keine To-Do-Liste, bei der man die Punkte einen nach dem anderen nach Wichtigkeit abarbeitet. Vielmehr muss alles parallel stattfinden. Sie brauchen in jedem Ministerium Treiber, die das Thema zur Chefsache erklären - und das muss von der jeweiligen Ministerin oder vom jeweiligen Minister kommen. Aber die Zuständigkeiten für das Thema sind jetzt noch unübersichtlicher und noch kleinteiliger als in der letzten Legislaturperiode. Dass das jemand schafft, hätte ich nicht für möglich gehalten.

"Angela Merkel würde sich nie einmischen in die Belange ihres Nachfolgers"

Angela Merkel hat das Thema also mehr unterstützt als jetzt Kanzler Olaf Scholz?

Die Kanzlerin hat sich immer Zeit für das Thema genommen und ist drangeblieben! Wir hatten Klausurtagungen des Kabinetts, wo es zwei Tage lang nur um Digitalthemen ging. Der jetzige Kanzler hat bereits gestartete Projekte nicht übernommen, geschweige denn ausgebaut, sondern lässt sie jetzt auslaufen.

Sie stehen nach wie vor in Kontakt zu Angela Merkel. Finden Sie nachvollziehbar, dass sie sich öffentlich fast komplett zurückgezogen hat?

Ich finde, dass die Kanzlerin in ihrem ganzen Leben jederzeit sehr stringent war. Sie würde sich nie einmischen in die Belange ihres Nachfolgers. Ich wusste schon die ganze Zeit, dass sie nach dem Rückzug aus dem Kanzleramt nur noch Privatperson sein würde. Sie steht natürlich vor der Herausforderung, dass alle immer noch Einladungen an sie aussprechen. Aber dass sie das klug und weise handhaben und auch nie Profit schlagen wird aus ihrer Amtszeit, wie das ihr Vorgänger (Gerhard Schröder, Anm. d. Red.) tat und noch tut, war mir vorher klar.

Das Interesse an ihr hängt aber sicher auch mit ihrer Verantwortung für die fatale Energieabhängigkeit von Russland zusammen, die sie als Regierungschefin der letzten 16 Jahre trägt. Finden Sie nicht, Frau Merkel sollte sich dazu öffentlich äussern?

Egal, wie sie es macht, einige werden es immer als falsch empfinden. Sie hat für sich einen sehr guten, völlig richtigen Weg gefunden. Was wäre denn los, wenn sie sich zu tagesaktueller Politik äussern würde? Wo fängt das an und wo hört das auf?

Sie betonen immer wieder, Sie wollten Politik für junge Leute machen. Was glauben Sie denn, was die jungen Menschen bewegt?

Es gibt sicherlich nicht "die Jugend", wie es auch nicht "die Politiker" oder "die Älteren" gibt. Aber es gibt natürlich bestimmte Themen, die eine Generation besonders beschäftigen. Mit der Klimakatastrophe, der Corona-Pandemie und dem Krieg in der Ukraine ist in den letzten Jahren unheimlich viel auf die junge Generation eingeprasselt. Wenn ich das mit den Kindheitserfahrungen meiner Generation vergleiche, dann war unsere Zeit grösstenteils leicht und unbeschwert. Früher haben die Eltern zu ihren Kindern gesagt: "Ihr sollt es einmal besser haben als wir!".

Und das ist nicht mehr so?

Jetzt erlebe ich ganz oft Eltern, die mir sagen, sie wollten, dass es ihren Kindern nicht schlechter als ihnen gehe. Gleichzeitig erlebe ich in meinen regelmässigen Diskussionen mit Schülerinnen und Schülern diese als sehr lebendig, sehr interessiert, sehr gut informiert. Sie wissen, dass einige grosse Aufgaben auf sie warten. Dabei wollen sie sich aber einbringen, helfen, ihr Wissen zum Nutzen anderer einsetzen. Darüber freue ich mich sehr, dabei müssen wir sie unterstützen. Da sehe ich noch deutlich Potential in der Arbeit der derzeitigen Bundesregierung.

Politisch können Sie den Jung- und Erstwählern aber wohl keine Heimat bieten, bei der letzten Bundestagswahl entschieden sich nur zehn Prozent der 18- bis 24-Jährigen für ein Kreuz bei der Union...

Das stimmt. Die meisten in der Generation haben entweder die Grünen oder die FDP gewählt. Da muss ich ehrlich sagen: Die FDP-Stimmen der Erstwähler müssen unsere sein. Unser Ehrgeiz muss sein, bei den nächsten Wahlen auch die Themen anzubieten, die Jugendliche in ihrem täglichen Leben umtreiben. Die Zahlen zeigen, dass nicht jeder junge Mensch automatisch Grün wählt. Da liegt für uns ein grosses Potential, das dringend gehoben werden muss.

Sie haben das Verhalten der Bundesregierung rund um den Antisemitismus-Skandal auf der documenta kritisiert. Was genau werfen Sie ihr vor?

Die Bundesregierung ist sehenden Auges in diesen Skandal geschlittert. Anfang Mai, als die ersten Vorwürfe aufkamen, habe ich bereits Anfragen gestellt, die seitens der Bundesregierung alle abgewiegelt wurden. Auch die Aufarbeitung des Skandals verläuft schleppend und intransparent - wenn überhaupt, wie der Rückzug von Meron Mendel, dem Leiter der Bildungsstätte Anne Frank, zeigt. Er sollte als externer Experte helfen bei der Überprüfung möglicher weiterer Fälle auf der documenta, vermisste aber in Kassel den ernsthaften Willen zur Aufarbeitung. Und dass die Generaldirektorin der documenta, Sabine Schormann, so lange mit rot-grüner Rückendeckung im Amt geblieben ist, ist ein mehr als bemerkenswerter Vorgang.

Zur Person: Dorothee Bär (44) sitzt seit 20 Jahren als Abgeordnete für die CSU im Bundestag. Die verheiratete Fränkin ist Mutter dreier Kinder und hat auf Instagram fast 50.000 Follower. Dort beschreibt sie sich als "Mama, Politikerin, Gamerin, Jägerin, Fränkin, Bayerin, Teilzeit-Berlinerin, süchtig nach Sonne, Chili, intelligenten Menschen & viel pink". Politisch kümmert sie sich vor allem um Familien, Senioren, Frauen, Jugend und Digitales. Im letzten Kabinett Merkel war sie Staatsministerin im Bundeskanzleramt und Beauftragte der Bundesregierung für Digitalisierung.
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