- Stundenlang diskutieren die Parlamentarier im italienischen Senat über die laufende Regierungskrise.
- Ministerpräsident Mario Draghi will es wissen und stellt sich dem Vertrauensvotum.
- Doch die von ihm gewünschte breite Zustimmung bleibt aus.
Italiens Ministerpräsident Mario Draghi hat bei einer Vertrauensabstimmung im Senat eine herbe Klatsche kassiert - seine Regierung in Rom steht damit vor dem Aus. Der 74-Jährige gewann zwar am Mittwochabend in Rom das Votum mit 95 Ja-Stimmen bei 39 Nein-Stimmen, seine grossen Regierungsparteien Lega, Forza Italia und die Fünf-Sterne-Bewegung stimmten jedoch nicht mit ab. Damit ist es wahrscheinlich, dass Draghi erneut seinen Rücktritt bei Staatschef Sergio Mattarella anbieten könnte.
Aussenminister Luigi Di Maio von der Partei Insieme per il futuro (Gemeinsam für die Zukunft) warf der Politik Versagen vor. "Man hat mit der Zukunft der Italiener gezockt. Die Folgen dieser tragischen Wahl werden in die Geschichte eingehen", sagte der 36-Jährige. "Von morgen an wird nichts mehr so sein wie davor", sagte Ex-Ministerpräsident Matteo Renzi. Heute müsse man aber Mario Draghi danken.
Formell stünde nun noch eine weitere Vertrauensabstimmung am Donnerstag in der Abgeordnetenkammer, der grösseren der beiden Kammern, an. Es wurde jedoch auch damit gerechnet, dass Draghi aufgrund des Ergebnisses zu Staatspräsident Sergio Mattarella fahren und erneut seinen Rücktritt dort einreicht würde. Die Frage wäre dann, ob dieser ihn annimmt.
Draghi hatte Rücktritt bereits vor einer Woche angeboten
Draghi hatte Mattarella bereits am vergangenen Donnerstag seinen Rücktritt angeboten, den der Staatschef aber abgelehnt hatte. Hintergrund war, dass ihm die Fünf Sterne bei einer Abstimmung das Vertrauen nicht ausgesprochen hatten.
Draghi forderte am Mittwoch in seiner Rede die Unterstützung der zerstrittenen Regierungsparteien, wenn sie wollten, dass er weitermacht. Draghi sprach von einem «Pakt des Vertrauens», der am vergangenen Donnerstag gebrochen wurde. "Seit ihr bereit diesen Pakt wiederherzustellen?", fragte er die Senatoren. "Ihr seid es, die entscheidet", gab er den Politikern vor der Abstimmung mit auf den Weg.
In ihren Reden schoben etwa die rechten Parteien der Fünf-Sterne-Bewegung die Schuld für die Regierungskrise in die Schuhe. Die mitregierenden Mitte-Rechts-Parteien, Forza Italia und Lega, wollten eine Regierungsfortsetzung nur unter Ausschluss der Sterne-Politiker. Diese sahen weiterhin nicht ihre politischen Forderungen erfüllt, die sie Draghi unlängst in einem Neun-Punkte-Papier überreicht hatten. Dazu gehörte etwa auch die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes. Sie forderten eine Veränderung und konkrete Schritte der Regierung in ihrem Sinne.
Italien muss 2022 noch wichtige Reformen umsetzen
Die Märkte regierten schon tagsüber auf die politische Krise in Italien. Die Börse in Mailand schloss mit einem deutlichen Minus. Der Risikoaufschlag für zehnjährige italienische Staatsanleihen stieg im Vergleich zu deutschen Staatsanleihen deutlich an. Mit Mario Draghi könnte Italien ein wichtiger Garant für Stabilität in Europa fehlen. Sollte Mattarella seinen Rücktritt annehmen, droht eine vorgezogene Wahl im Herbst und damit politischer Stillstand mit dem wochenlangen Wahlkampf.
Italien muss im zweiten Halbjahr 2022 noch wichtige Reformen umsetzen, um sich die EU-Gelder des Corona-Wiederaufbaufonds aus Brüssel in Milliardenhöhe zu sichern. Ausserdem muss das Land den Haushalt für 2023 planen und bis Ende des Jahres im Parlament absegnen lassen. Da eine Regierung möglicherweise erst Anfang November steht, bliebe dann nicht mehr viel Zeit. (dpa/fra)
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