Die USA haben einen der wichtigsten Köpfe von Al Kaida getötet: Nasser Al-Wuhaischi, die Nummer zwei der Gruppe und Anführer der Terroristen im Jemen. Doch sein Tod birgt Gefahren und könnte sogar den Islamischen Staat stärken. Auch Al Kaida hat bereits Rache geschworen. Damit könnten die USA mit ihren Drohnenangriffen am Ende ihre eigenen Ziel im Kampf gegen den weltweiten Terror gefährden.

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Anfang der Woche kam die Bestätigung auch offiziell: Nasser Al-Wuhaischi ist bei einem US-Drohnenangriff im Jemen getötet worden. Schon am Freitag hatte der Fernsehsender CNN den Tod von Al Kaidas Nummer zwei gemeldet. In einem Video bestätigte nun auch die Terrororganisation "Al Kaida auf der Arabischen Halbinsel" (AQAP), deren Anführer Al-Wuhaischi war: Er und zwei weitere Kämpfer seien vergangene Woche von einer Drohne getötet worden. Ausserdem soll in den vergangenen Tagen ebenfalls der Islamisten-Anführer Mokhtar Belmokhtar bei einem US-Luftangriff in Libyen ums Leben gekommen sein.

Zwei ranghohe Opfer binnen weniger Tage – schon lange traf es Al-Kaida nicht mehr so hart. Doch was steckt hinter dem Angriffen und wie schwer wiegt gerade der Tod von Al-Wuhaischi? Kann die Organisation den Verlust einfach so wegstecken und welche Rolle spielt dabei der Islamische Staat (IS)? Eine Einordnung.

Al-Wuhaischi war ein Vertrauter von Osama bin Laden

Al-Wuhaischis Tod ist ein schwerer Schlag für die Terroristen. Einerseits verlieren die AQAP-Kämpfer im Jemen damit unerwartet ihren Anführer. AQAP ist der aktivste Ableger von Al Kaida und war in den vergangenen Jahren für mehrere Anschläge auf den Westen verantwortlich, etwa den brutalen Angriff auf die "Charlie Hebdo"-Redaktion im Januar. Auch der sogenannte Unterhosenbomber, der Weihnachten 2009 ein Flugzeug auf dem Weg von Amsterdam nach Detroit zerstören wollte, ist AQAP zuzurechnen. Genauso wie der Versuch, 2010 mehrere Frachtflugzeuge in die Luft zu sprengen.

Auf der anderen Seite reicht Al-Wuhaischis Verlust für Al Kaida über den Jemen hinaus. Der 38-Jährige war nicht nur ein Vertrauter des 2011 getöteten Al-Kaida-Gründers Osama bin Laden. Er galt auch als Nachfolger des aktuelles Chefs, Aiman al-Zawahiri. Doch mit dem Tod reisst nun jede persönliche Verbindung der Führung im afghanischen-pakistanischen Grenzgebiet in den Jemen ab. Zwar ist Al-Wuhaischis Nachfolger Kasim al-Rimi als AQAP-Veteran ebenso seit der Entstehung 2009 dabei. Doch über Erfahrung und Kontakte des bisherigen Militärchefs ist nichts bekannt.

Zuletzt wurden mehrere wichtige Al-Kaida-Kämpfer getötet

"Al-Kaida läuft Gefahr, eine lose Verbindung lokaler Gruppen zu werden, die sich einen immer belangloseren Namen teilen. Als globale Terrorbewegung, die sich vor allem gegen die Vereinigten Staaten richtet, wirkt Al-Kaida wie ein Schatten ihrer selbst", schreibt denn auch die Soufan Group, deren Mitarbeiter auf Geheimdienst-Analysten spezialisiert sind. Persönliche Verbindung, Ansehen und Charisma seien für eine effektive Führung weitaus wichtiger als der blosse Rang. All das verliert Al-Kaida mit Al-Wuhaischi.

Sein Tod – und der von Belmokhtar, sofern bestätigt – stehen dabei an der Spitze einer ganzen Reihe von Angriffen auf wichtige Al-Kaida-Männer in den vergangenen Monaten. Allein im April wurde nicht nur der Top-Kleriker Ibrahim al-Rubaisch von einer Drohne getötet. Auch Nasser Ben Ali al-Ansi, der in einem Internetvideo die Verantwortung für den "Charlie Hebdo"-Anschlag übernommen hatte, wurde Opfer eines Luftangriffs.

Al Kaida verliert, der Islamische Staat profitiert

Die Verluste der vergangenen Monate setzen Al Kaida vor allem deshalb zu, weil sie am ideologischen Fundament rütteln. "Die ideologische Untermauerung ist bedeutend, da die Bewegung mit andere Gruppen um Einfluss konkurriert", analysiert die Soufan Group. Denn mit dem Islamischen Staat ist 2014 in der Region ein starker Mitbewerber um Macht und Kämpfer aufgetaucht. Für Al Kaida bietet der AQAP-Ableger in Jemen dabei eine wichtige Stütze in der arabischen Welt.

Guido Steinberg, Terror-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), sagte der Internetseite "20 Minuten" mit Blick auf die jüngsten Verluste: "Die Gruppierungen rund um diese Kommandanten könnten sich jetzt leichter an anderen, brutaleren Gruppierungen wie dem Islamischen Staat orientieren. So würde letztlich der IS profitieren und an Einfluss gewinnen." Zwar schliessen Beobachter aus, dass die AQAP-Führung zum Islamischen Staat überläuft – wohl aber könnten das einzelne Kämpfer und Zellen tun.

USA gefährden mit Drohnenangriffen die eigenen Ziele

Damit bliebe ein Nullsummenspiel: Jeder Verlust von Al Kaida ist zugleich ein Gewinn für den Islamischen Staat. Und das sollte Washington aufhorchen lassen. Denn mit seinen Drohnenangriffen könnte US-Präsident Barack Obama am Ende sogar die eigenen Ziele untergraben. Zwar gelingt es ihm, Al Kaida zu schwächen. Doch gleichzeitig droht die Gefahr, den IS nur weiter zu stärken – eine Gruppe also, die ohnehin schon über grosses Potenzial verfügt. Das können die USA kaum wollen.

Aber selbst wenn AQAPs Rückhalt für den Moment schwinden sollte, würde dies längst nicht das Aus für die Terroristen bedeuten. Im Jemen herrscht Chaos, seit Wochen bekämpfen Truppen der Regierung und Saudi-Arabiens die Huthi-Miliz – ein idealer Rückzugsort für Al Kaida, um neue Anschläge zu planen.

Bereits in ihrem Video vom Dienstag kündigt AQAP an, sich für den Tod ihres Anführers rächen zu wollen. Eine hohle Drohung? Nicht ganz. Denn einen entscheidenden Mann haben die USA bisher nicht erwischt: Ibrahim al-Asiri, den gefährlichsten Bombenbauer der Gruppe.

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