Auf den Philippinen ist das politische Chaos los: Nach Morddrohungen der Vizepräsidentin gegen Präsident Ferdinand Marcos Jr. könnte ihr ein Amtsenthebungsverfahren bevorstehen. Wie kam es zu dem Bruch?
Auf den Philippinen ist der Konflikt zwischen Staatschef Ferdinand Marcos Jr. und seiner Stellvertreterin Sara Duterte eskaliert. Duterte warf Marcos in der Nacht auf Samstag in einer mit Kraftausdrücken gespickten Pressekonferenz ein Mordkomplott gegen sie vor – und drohte dem amtierenden Präsidenten ihrerseits mit Mord.
Nun kommt auf die philippinische Vizepräsidentin möglicherweise die Amtsenthebung zu: Eine Gruppe politischer Gegner hat ein entsprechendes Verfahren gegen die 46-Jährige beantragt. Die Klage wurde von einer Gruppe zivilgesellschaftlicher Führungspersönlichkeiten und ehemaliger Regierungsbeamten vor dem Repräsentantenhaus eingereicht.
"Die Vizepräsidentin hat öffentliche Ämter zu einer Plattform für gewalttätige Rhetorik, persönliche Bereicherung, elitäre Anspruchshaltung und einen Schutzschild für Straflosigkeit degradiert", sagte Teresita Quintos Deles, eine frühere Regierungsbeamtin und eine der Klägerinnen. "Ihr anhaltender Machtanspruch ist eine Beleidigung für jeden Filipino, der für gute Regierungsführung und Rechtsstaatlichkeit steht."
Bis über den Antrag entschieden wird, könnte es Wochen dauern. Die Chancen für Duterte sind zumindest eingeschränkt: Der Vorsitzende des Repräsentantenhauses, wo die Entscheidung fällt, ist Marcos' Cousin Martin Romualdez – dem Duterte ebenfalls mit Mord drohte. Romualdez strebt zudem aller Erwartung nach eine Präsidentschaftskandidatur bei den Wahlen im Jahr 2028 an.
Duterte droht dem Präsidenten mit Mord – "kein Witz"
Vor knapp zehn Tagen hatte die Vizepräsidentin erklärt, sie werde veranlassen, dass der amtierende Präsident Marcos Jr. umgebracht werde, sollte sie selbst ermordet werden. Auf Facebook schrieb Duterte, sie sei mit jemandem in Kontakt, der bereit sei, Marcos, dessen Ehefrau Liza Araneta-Marcos sowie seinen Cousin – den Sprecher des Repräsentantenhauses, Martin Romualdez – umzubringen. Dies sei "kein Witz", versicherte sie.
Wenige Stunden später erklärte der Präsidentenpalast in Manila, der Hinweis auf die "aktive Bedrohung" gegen Marcos sei an das Sicherheitskommando des Präsidenten weitergeleitet worden, damit "unverzüglich angemessene Massnahmen ergriffen werden können". Jede "Bedrohung für das Leben des Präsidenten" müsse "stets ernst genommen werden". Zudem sei die Drohung "öffentlich in klaren und bestimmten Worten" geäussert worden.
Die Drohungen äusserte Duterte im Rahmen einer Untersuchung über die mutmassliche Veruntreuung von knapp zehn Millionen Euro aus Geldern des Bildungsministeriums, dem sie zu dieser Zeit vorstand. Im Juni war Duterte von dem Posten zurückgetreten, was bereits auf einen Riss der politischen Allianz mit Marcos Jr. hindeutete.
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Das National Bureau of Investigation lud Duterte vergangenen Freitag vor. Dort sollte sie sich vor dem Chefermittler zu den öffentlichen Gewaltdrohungen äussern. Duterte werde vorgeladen, um Licht in die Ermittlungen wegen angeblicher schwerer Drohungen und möglicher Verletzung des Anti-Terror-Gesetzes zu bringen, hiess es vergangene Woche.
Die Polizei leitete auch eine Fahndung nach dem Killer ein, den Duterte kontaktiert haben will. Die Politikerin betonte hingegen, ihre Aussagen seien "aus ihrem logischen Kontext gerissen" worden.
Duterte und Marcos Jr. gehören beide einflussreichen Familien an
Sowohl der Präsident als auch seine Vizepräsidentin sind Sprösslinge der zwei einflussreichsten Politiker-Familien des Inselstaates.
Sara Duterte ist die Tochter des wegen seines brutalen Anti-Drogen-Krieges umstrittenen Ex-Präsidenten Rodrigo Duterte, der von 2016 bis 2022 an der Macht war. In dieser Zeit wurden Tausende Menschen im Rahmen der Kampagne getötet.
Der Vater von Ferdinand Marcos Jr. war von 1965 bis 1986 Präsident der Philippinen, zunächst als gewählter Präsident, später unter Kriegsrecht als Diktator.
Auch das Verhältnis zwischen Sara Duterte und Marcos' Ehefrau Liza Araneta-Marcos – einer einflussreichen Rechtsanwältin – ist zerrüttet: Araneta-Marcos wirft Duterte vor, sie habe bei einer Bemerkung ihres Vaters Rodrigo Duterte über seinen Nachfolger Marcos im Rahmen einer Veranstaltung im Januar gelacht. Der Ex-Präsident warf Marcos damals vor, ein "Drogenabhängiger" zu sein.
Ein politisches Bündnis hatte Marcos Jr. und Sara Duterte bei der Wahl 2022 zum Sieg verholfen. Bis Juni 2024 war sie Bildungsministerin in dessen Kabinett. Aufgrund des sich verschärfenden Konflikts zwischen den Familien trat sie schliesslich zurück.
Vor den Halbzeitwahlen im Mai 2025, bei denen die Philippiner unter anderem neue Mitglieder des Repräsentantenhauses wählen, kam es jedoch zum Bruch. Im Oktober sprach Duterte von einer mittlerweile "toxischen Beziehung" zu Marcos Jr. und äusserte Gewaltfantasien: "Ich stelle mir vor, wie ich ihm den Kopf abschneide." (dpa/AFP/bearbeitet von ank)
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