Die EU-Staaten sind sich einig über die Höhe der Zuschüsse bei den geplanten Corona-Hilfen. Statt der von Deutschland und Frankreich geforderten 500 Milliarden Euro sollen jedoch nur 390 Milliarden Euro bereitgestellt werden.
Im EU-Streit über das milliardenschwere Finanzpaket gegen die Corona-Wirtschaftskrise ist eine erste grosse Hürde genommen: Die 27 Länder seien sich einig, statt 500 Milliarden Euro nur 390 Milliarden Euro an Zuschüssen einzuplanen, bestätigten EU-Vertreter und Diplomaten am Montag in Brüssel. Diese Corona-Hilfen fallen damit deutlich kleiner aus als von Deutschland und Frankreich gefordert. Und es ist nur ein Teil des Gesamtpakets, um das am vierten Tag des Sondergipfels immer noch gerungen wurde. Es wird eine weitere lange Verhandlungsnacht erwartet.
Verhandlungen gehen weiter
Erst gegen 21.30 Uhr am Montagabend trafen Bundeskanzlerin Angela Merkel und die übrigen Staats- und Regierungschefs wieder in grosser Runde zusammen. Auf dem Tisch lag ein neuer Kompromissvorschlag von EU-Ratspräsident Charles Michel, der den ganzen Tag über vorbereitet worden war. Dafür war die Gipfelrunde seit dem frühen Montagmorgen unterbrochen. Eigentlich sollte der am Freitag gestartete Gipfel nur zwei Tage dauern, doch der Streit über Details zog sich immer weiter in die Länge und brachte das Treffen zeitweise an den Rand des Scheiterns.
Der neue Vorschlag sei nun "die Frucht kollektiver Arbeit", sagte Michel. Zwar seien die letzten Schritte immer die schwierigsten. Aber: "Ich bin überzeugt, dass eine Einigung möglich ist."
Merkel vorsichtig optimistisch
Bundeskanzlerin Merkel hatte sich zuvor schon vorsichtig optimistisch gezeigt. "Wir haben gestern Nacht nach langer Verhandlung einen Rahmen für eine mögliche Einigung erarbeitet. Das ist ein Fortschritt", sagte die CDU-Politikerin. Wie Merkel warnte der französische Präsident Emmanuel Macron aber, das grosse Finanzpaket sei noch nicht in trockenen Tüchern.
Es geht um den Plan, die Wirtschaftskrise nach der Corona-Pandemie mit einem gemeinsamen EU-Konjunktur- und Investitionsprogramm im Umfang von 750 Milliarden Euro zu bekämpfen. Das wird im Paket verhandelt mit dem nächsten siebenjährigen EU-Haushaltrahmen im Umfang von mehr als 1000 Milliarden Euro.
Der zentrale Baustein sei nun bereits Konsens, sagten mehrere Diplomaten und EU-Vertreter: die Verringerung der Zuschüsse aus dem Corona-Hilfsprogramm von ursprünglich geplanten 500 Milliarden Euro auf 390 Milliarden.
Um diesen Punkt war schier endlos gerungen worden zwischen den südlichen EU-Staaten Italien und Spanien, die auf die Hilfen stark angewiesen sind, und den sogenannten Sparsamen Ländern Österreich, die Niederlande, Schweden, Dänemark und Finnland. Deutschland und Frankreich hatten sich lange gewehrt, unter 400 Milliarden Euro zu gehen.
Von der Leyen: "Dinge gehen in richtige Richtung"
Trotz dieser ersten Einigung äusserten sich die Beteiligten vorsichtig. Ein EU-Diplomat sagte, es blieben noch viele Debatten, so etwa über neue Finanzquellen der EU, die Finanzierung von Klimaschutz, Migration, Verteidigung, Agrar sowie der Mechanismus zur Sicherung der Rechtsstaatlichkeit. Es werde "lange Diskussionen" und Hürden geben.
Kanzlerin Merkel hat eine Vermittlerrolle, weil Deutschland seit 1. Juli den Vorsitz der 27 EU-Staaten führt. Sie sagte: "Es war klar, dass es unglaublich harte Verhandlungen gibt. Die werden sich auch heute noch fortsetzen." EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte: "Wir haben es noch nicht geschafft, aber die Dinge gehen in die richtige Richtung." Frankreichs Präsident Macron warnte vor allzu grossem Optimismus und sagte, er bleibe extrem vorsichtig.
Der Konflikt zwischen den "Sparsamen", die mehr in den EU-Haushalt einzahlen, als sie herausbekommen, und den von der Krise besonders hart getroffenen Ländern im Süden war teils mit grosser Heftigkeit und persönlichen Angriffen ausgetragen worden. Die "Sparsamen" wollten zunächst gar keine Auszahlung als Zuschüsse aus dem schuldenfinanzierten Programm akzeptieren - denn das bedeutet, dass die Kredite von allen EU-Staaten getilgt werden müssen und nicht nur von den Nutzniessern. Das gab es bisher in der EU nicht.
Bündnis der "Sparsamen"
Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz äusserte sich nach der dritten Gipfelnacht aber "sehr zufrieden", es sei "ein sehr gutes Ergebnis gelungen". Er lobte auch das Bündnis der "Sparsamen". Sonst machten Deutschland und Frankreich etwas miteinander aus "und alle andern müssen’s abnicken". Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte betonte ebenfalls: "Ich bin sehr zufrieden über die Texte, die nun vorliegen." Dennoch könne es "auch immer noch schief gehen".
Die Reaktionen auf die Hängepartie bei dem ursprünglich nur auf zwei Tage angesetzten Gipfels fielen teils kritisch aus. "Wir sind besorgt über eine Zukunft, in der die europäische Solidarität und die Gemeinschaftsmethode verloren gehen", erklärte EU-Parlamentspräsident David Sassoli. Der CDU-Aussenpolitiker Norbert Röttgen nannte das "Ausmass von einzelnen Egoismen einzelner Teilnehmer" in der ARD erschreckend. (dpa/fra)
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