Auf Klimakonferenzen ist viel Diplomatie gefragt. Doch der Endspurt in Baku verläuft chaotisch. Die deutsche Aussenministerin greift den Gastgeber deshalb ungewöhnlich hart an. Am Samstag kommt es dann zum Eklat.
Auf der Weltklimakonferenz COP29 in Baku ist es am Samstag zum Eklat gekommen: Die Gruppen der Inselstaaten und am wenigsten entwickelten Länder verliessen den Verhandlungssaal.
"Wir sind hier zum Verhandeln, aber wir haben den Raum verlassen, denn im Moment haben wir nicht das Gefühl, dass wir gehört werden", sagte die Umweltministerin Kolumbiens, Susana Muhamad, vor Medienvertretern.
Etliche Ländervertreter verliessen einen grossen Verhandlungsraum, wie dpa-Reporter beobachteten – eine Vertreterin rief auf die Frage nach einer Einigung laut: "Abgelehnt!" Die Regierungsvertreter versammelten sich zu internen Beratungen in einem Raum nur einige Schritte gegenüber.
Entwicklungsstaaten forderten Gelder in Billionenhöhe
Aus EU-Delegationskreisen hiess es, man gehe davon aus, dass die Verhandlungen noch weitergehen würden. Zwar gibt es noch keinen neuen Entwurf für einen Beschluss, allerdings zirkulieren verschiedene Textentwürfe, gegen die es grossen Widerstand von einigen Ländern gibt.
Zentraler Streitpunkt ist, wie stark die Finanzflüsse an Entwicklungsländer aufgestockt werden und wer dafür zahlen muss. Dutzende Entwicklungsstaaten hatten vehement Gelder in Billionenhöhe gefordert. Auch eine unabhängige UN-Expertengruppe kommt zu dem Schluss, dass der Bedarf an externer Hilfe bis 2030 rund 1.000 Milliarden US-Dollar pro Jahr beträgt – und sogar 1.300 Milliarden bis 2035.
Aus Verhandlungskreisen wurde deutlich, dass statt der 250 Milliarden US-Dollar, die zunächst als jährliche Klimahilfen von Industriestaaten in ärmere Länder vorgeschlagen wurden, nun 300 Milliarden Dollar im Raum stehen.
Baerbock greift Klimakonferenz-Gastgeber scharf an
Zuvor griff nach einer fast 24-stündigen Verlängerung der Weltklimakonferenz Aussenministerin
"Wir Europäer werden nicht zulassen, dass die verletzlichsten Staaten auf der Welt, insbesondere die kleinen Inselstaaten, von einigen der neuen fossilen und reichen Emittenten jetzt hier über den Tisch gezogen werden. Und das im Zweifel auch noch auch mit Rückendeckung der COP-Präsidentschaft", sagte die Grünen-Politikerin. Die gesundheitlich angeschlagene Ministerin blieb anders als zwischenzeitlich geplant doch vor Ort in Baku.
Sie kündigte an, dass vorerst weiter verhandelt werde. "Wir als Europäerinnen und Europäer arbeiten daher jetzt intensiv in jeder Minute daran, weiter Brücken zu bauen." Dazu sei sie als deutsche Aussenministerin und Verhandlungsführerin gemeinsam mit der EU-Delegation und anderen wichtigen Gruppen in Gesprächen – vor allem mit den Inselstaaten, mit lateinamerikanischen Staaten und afrikanischen Staaten. "Gerade auch, weil die Anliegen dieser Länder leider von der Präsidentschaft bisher ignoriert worden sind."
"Money alone won't save the world"
Baerbock warnte davor, im Ringen um die Aufstockung von Klimahilfen zugunsten ärmerer Staaten im Gegenzug Rückschritte bei Beschlüssen aus dem vergangenen Jahr zum Klimaschutz zu machen. Klimahilfen und die Verringerung klimaschädlicher Emissionen "gehören aufs Engste zusammen", sagte Baerbock – denn "Money alone won't save the world" (Deutsch: "Geld allein wird die Welt nicht retten"), fügte sie auf Englisch hinzu.
Zur Forderung von Entwicklungsstaaten, jährlich Billionen US-Dollar an Klimahilfen zu mobilisieren, sagte sie, dafür müssten jetzt alle grossen Emittenten von Treibhausgasen mit ins Boot – "vor allen Dingen auch die grossen und reichen neuen Emittenten". Schon zuvor hatte sie gefordert, dass etwa China, Saudi-Arabien und andere Golfstaaten, die mit Öl, Gas und Kohle viel verdient haben, in den Geberkreis gehörten.
Baerbock sagte: "Ich bin mir sicher: Was wir hier sehen, ist ein letztes Aufbäumen der alten fossilen Welt. Was wir brauchen für unsere Zukunft, ist eine Koalition über Kontinente hinweg." Beobachtern zufolge hatte insbesondere Saudi-Arabien während der zweiwöchigen Verhandlungen gemeinsam mit einigen grossen autoritären Staaten versucht, schon gefasste Beschlüsse für den Klimaschutz zurückzudrehen. (dpa/bearbeitet von ms)
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