Bisher ist Emmanuel Macron von Erfolg zu Erfolg geeilt. Nun beginnt es für den französischen Präsidenten ungemütlich zu werden. Die Zustimmungswerte sinken – und sein wichtigstes Reformvorhaben könnte massive Proteste auslösen.

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Die Zahl dürfte für den erfolgsverwöhnten Präsidenten eine herbe Enttäuschung gewesen sein.

Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov haben nur noch 36 Prozent der Franzosen eine positive Meinung von der Amtsführung Emmanuel Macrons – sieben Prozent weniger als im Vormonat.

Beginnt der Stern des Überfliegers schon wieder zu sinken?

Auf jeden Fall musste Macron innenpolitische Rückschläge einstecken. Eine geplante Kürzung des Wohngelds hat dem Liberalen den Vorwurf der sozialen Härte eingebracht.

Dabei ging es lediglich um fünf Euro pro Monat, der Effekt wäre bei etwa 6,3 Millionen Franzosen aber gross gewesen.

280.000 Franzosen machten einen Gegenvorschlag: So viele Menschen haben inzwischen eine Petition unterschrieben, die fordert, Macrons Ehefrau Brigitte den Status der "première dame" zu entziehen – und so Geld zu sparen.

Und davon braucht Frankreich derzeit viel, im Haushalt fehlen etwa 4,5 Milliarden Euro.

Wichtigste Reformbaustelle: Arbeitsmarkt

Auch deswegen hatte der 39-Jährige hatte nach seinem Wahlsieg eine ganze Reihe von Reformen angekündigt.

Einen Gesetzesvorschlag zur "Moralisierung des öffentlichen Lebens", der Nebeneinkünfte von Parlamentariern begrenzen soll, hat die Regierung bereits vorgelegt.

Allerdings sagen laut der YouGov-Umfrage nur 32 Prozent der Franzosen, dass das Gesetz ihr Vertrauen in die Volksvertreter erhöhen kann.

Auf europäischer Ebene drängt Macron die anderen Staats- und Regierungschefs zu einem eigenen Haushalt für die Euro-Zone sowie zu mehr Investitionen. Davon müsste er aber Zweifler, wie etwa jene innerhalb der deutschen Regierung, erst noch überzeugen.

Das wichtigste Vorhaben ist die Reform des Arbeitsmarkts. Frankreich leidet seit Jahren unter hoher Arbeitslosigkeit. Macron will für mehr Flexibilität sorgen und so zur Schaffung von neuen Jobs beitragen.

Dafür hat seine Regierung unter anderem angekündigt, den Kündigungsschutz zu lockern und Abfindungen für betriebliche Kündigungen zu deckeln.

Wichtige Rahmenbedingungen sollen zudem nicht mehr auf Branchenebene ausgehandelt werden, sondern vor Ort, in den einzelnen Betrieben. Für Frankreich wären das weitreichende Änderungen.

Macrons Vorteil: klare Ansagen aus Wahlkampf

Bei dieser Reform stehen die Zeichen auf eine Umsetzung eigentlich gut.

"Macron ist es gelungen, sich vom Parlament die Erlaubnis zu holen, seine Arbeitsmarktreform mit Verordnungen umzusetzen", sagt Dominik Grillmayer, Politikwissenschaftler am Deutsch-Französischen Institut in Ludwigsburg.

Der Präsident kann so Verordnungen erlassen, die erst am Ende als Gesamtpaket vom Parlament abgesegnet werden müssen.

Dass das gelingt, gilt als wahrscheinlich – schliesslich hat Macrons Partei "La République en Marche" im Parlament eine klare Mehrheit.

"Im Gegensatz zu seinem Vorgänger François Hollande hat er zudem den Vorteil, dass er im Wahlkampf klar angekündigt hat, was er machen wird", so Grillmayer.

Auch viele Franzosen seien inzwischen davon überzeugt, dass der Arbeitsmarkt reformiert werden müsse.

Aktionstag der Gewerkschaften am 12. September

Allerdings sind die Franzosen auch ein protestfreudiges Volk, Probleme drohen dem Reformer eher auf der Strasse als im Parlament.

An einer Flexibilisierung des Arbeitsrechts haben sich schon mehrere Präsidenten vor ihm die Zähne ausgebissen. "Die eigentliche Feuerprobe für Macron kommt im Herbst", sagt Dominik Grillmayer.

Ende August will die Regierung ihre konkreten Vorschläge vorlegen. "Danach wird sich zeigen, ob sich eine Protestwelle über Frankreich ergiesst."

Für den 12. September haben Gewerkschaften schon einen Aktionstag gegen die Arbeitsmarktreformen angekündigt.

Am 23. September will der linke Volkstribun Jean-Luc Mélenchon mit seiner Partei "Das aufständische Frankreich" nachziehen.

Vor allem gegen den Plan, Entscheidungen von den Branchen auf die einzelnen Betriebe zu verlagern, formiert sich massiver Widerstand.

Macron will Gewerkschaftsfront aufbrechen

Droht Macrons wichtigster Reform das Scheitern? Experte Dominik Grillmayer ist überzeugt, dass es zu früh für eine Prognose ist.

Denn der Präsident hat durchaus eine Strategie im Blick, um die Proteste nicht ausufern zu lassen. Macron will die Sozialpartner in seine Reformpläne einbinden.

"Es gibt auch unter den Gewerkschaften reformorientierte Kräfte, denen bewusst ist, dass sich in dem verkrusteten System etwas ändern muss", weiss Grillmayer.

Dazu gehört etwa der grösste Gewerkschaftsbund CFDT, der als gemässigt gilt.

Macrons Ziel ist es, die Einheit der Arbeitnehmervertreter zu sprengen.

"Wenn er einige Gewerkschaften davon überzeugen kann, mitzuziehen, kann er den Protest vielleicht so gering halten, dass er ihm nicht gefährlich wird", erklärt Dominik Grillmayer. "Bisher ist aber schwer abzuschätzen, ob er damit Erfolg haben wird."

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