Er wollte in Europa für Jobs sorgen, mehr Steuergerechtigkeit erreichen, den Klimaschutz voranbringen: Das hatte Emmanuel Macron im Wahlkampf 2017 angekündigt. Nicht alles konnte er davon bisher umsetzen – auch wegen Bedenken der Deutschen.
Zweieinhalb Jahre sind seit seinem Wahlsieg vergangen, zweieinhalb Jahre liegen noch vor ihm: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat die Hälfte seiner Amtszeit erreicht.
Was konnte er bisher umsetzen, womit ist er gescheitert? Eine Übersicht zu vier wichtigen Wahlversprechen.
1. Engere Zusammenarbeit in der Euro-Zone
Was Macron vorgeschlagen hat: In seinem Wahlprogramm kündigte Macron an, ein Europa zu bauen, das Arbeitsplätze schafft und die Wirtschaft stärkt. Die Zusammenarbeit in der Währungsgemeinschaft wollte er unter anderem mit einem speziellen Haushalt und einem eigenen Wirtschafts- und Finanzminister für die Euro-Zone stärken.
Was umgesetzt wurde: Im Oktober haben sich die EU-Finanzminister auf ein eigenes Budget für die Euro-Zone geeinigt. Mit 17 Milliarden Euro verteilt auf sieben Jahre fällt das Volumen allerdings sehr gering aus.
Das Budget entspreche sicher nicht dem, was der französische Präsident sich vorgestellt habe, sagt Stefan Seidendorf, stellvertretender Direktor des Deutsch-Französischen Instituts Ludwigsburg, im Gespräch mit unserer Redaktion. "Allerdings gestaltet sich die Kompromisssuche zwischen den Mitgliedsländern bei diesem Thema schwierig. Insofern ist es schon überraschend, dass er sich überhaupt mit dem Ansatz durchgesetzt hat."
Bei zentralen EU-Reformvorhaben wurde Macron von Deutschland ausgebremst. Auf Vorschläge wie einen europaweiten Mindestlohn oder eine gemeinsame Klimabank reagierte Berlin ablehnend. "Macron hätte sich wahrscheinlich nicht vorgestellt, dass die Bundesregierung so wenig Bereitschaft zeigen würde, sich überhaupt mit seinen Vorschlägen auseinanderzusetzen, zu gestalten und Verantwortung zu übernehmen", sagt Seidendorf.
2. Mehr Steuergerechtigkeit in Europa
Was Macron vorgeschlagen hat: Absprachen zwischen Technologie-Konzernen und Staaten (wie zwischen Apple und Irland) verfälschen Macron zufolge den Wettbewerb in Europa. Er versprach vor der Wahl, dass Frankreich bei der Besteuerung multinationaler Konzerne zum Vorreiter werde.
Was bisher umgesetzt wurde: Das französische Parlament hat in diesem Jahr eine nationale Digitalsteuer beschlossen, die auf Konzerne wie Google, Amazon, Facebook und Apple zielt. Wirksamer wären allerdings internationale Regeln, glaubt Stefan Seidendorf – etwa auf Ebene der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Immerhin sei das Thema inzwischen auf der Tagesordnung der OECD-Finanzminister gelandet. "Macron würde wohl für sich in Anspruch nehmen, es auf die Agenda gebracht zu haben", so Seidendorf.
3. Gemeinsame Anstrengungen beim Klimaschutz
Was Macron vorgeschlagen hat: Ein "neues Wachstumsmodell" versprach Macron als Präsidentschaftskandidat, den Klimawandel bezeichnete er als "die grösste Bedrohung". Auf EU-Ebene wollte er sich für die Einführung eines gemeinsamen Preises auf CO2 einsetzen.
Was umgesetzt wurde: "Nicht ganz zu Unrecht ist Macron vorgeworfen worden, das Thema auf seiner Prioritätenliste unterschätzt zu haben", sagt Stefan Seidendorf. Grosse Erfolge hat der Präsident dort bisher nicht vorzuweisen. Die Einführung einer französischen Ökosteuer scheiterte an den Protesten der Gelbwesten-Bewegung, im August 2018 trat der populäre Umweltminister Nicolas Hulot wegen zu geringer Fortschritte entnervt zurück. "Macron hat inzwischen versucht, nachzusteuern – so richtig gut ist das bei der Umsetzung in politische Initiativen aber noch nicht gelungen", so Seidendorf.
Beim EU-Gipfel im Mai versuchte Macron, sich mit einer Initiative für "Null Kohlenstoff-Emissionen bis 2050" an die politische Spitze der Klimabewegung zu stellen. Ein Vorgehen, das für ihn einen Vorteil hat, wie der Experte erklärt: Auf EU-Ebene anzusetzen, könne sinnvoll sein – weil international abgestimmte Massnahmen wirkungsvoller seien. "Dieses Vorgehen erlaubt ihm aber auch, in der eigenen französischen Klimapolitik eher unbestimmt zu bleiben."
4. Innenpolitische Reformen
Was Macron versprochen hat: Mehr Arbeitsplätze und mehr soziale Gerechtigkeit, gleichzeitig weniger Steuern und weniger Bürokratie, dazu eine Modernisierung des demokratischen Systems – die Liste der innenpolitischen Versprechen von Macron ist lang.
Was bisher umgesetzt wurde: Zu seinen wichtigsten Erfolgen gehört die Flexibilisierung des Arbeitsmarkts. Obwohl die Regierung dafür unter anderem den Kündigungsschutz lockerte, blieben die Proteste überschaubar. "Ein solcher Schritt wurde in Frankreich lange für unmöglich gehalten", sagt Seidendorf.
Eine Zäsur für den "Reform-Präsidenten" bedeutete allerdings der vergangene Winter. An seinem Plan, die Steuern auf Treibstoffe zu erhöhen, entzündeten sich die Gelbwesten-Proteste. Ein Zeichen, das die Unzufriedenheit in der französischen Bevölkerung weiterhin gross ist.
Macron reagierte darauf nicht nur, indem seine Regierung die Steuererhöhung zurückzog und Geringverdiener finanziell entlastete. Der Präsident habe auch gezeigt, dass er lernfähig sei, so Seidendorf: "Er hat versucht, die Bevölkerung stärker einzubeziehen, seine Reformen besser zu erklären und zu vermitteln. Elemente der partizipativen Demokratie will er ausbauen, wobei noch abzuwarten ist, inwieweit sie nur ein Anstrich sind oder das politische System wirklich verändern."
Der Präsident agiere seit den Gelbwesten-Protesten erkennbar vorsichtiger. In der zweiten Hälfte der Amtszeit werde Macron zeigen müssen, ob er weitere ehrgeizige Vorhaben mit dieser Strategie umsetzen kann. Bei ausstehenden Vorhaben wie der Renten- oder Bahnreform regt sich in Frankreich schon stärkerer Protest als bei der Flexibilisierung des Arbeitsmarktes.
Verwendete Quellen:
- Dr. Stefan Seidendorf, Deutsch-Französisches Institut Ludwigsburg
- Programme En Marche! (Wahlprogramm von Emmanuel Macron)
- Manager-Magazin: Mini-Budget für Euro-Zone steht – Enttäuschung für Macron
- ntv.de: "Null Kohlenstoff" bis 2050 – Macron plant Klimainitiative
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