China glänzt als zweitgrösste Wirtschaftsmacht der Erde. Weniger glanzvoll präsentieren sich einige Spitzenfunktionäre der Kommunistischen Partei, deren Familien Milliarden beiseite schafften. Im neuen Fünfjahresplan wird der Korruption nun der Kampf angesagt. Tatenlos blieb die chinesische Regierung jedoch bei den vielen Ungereimtheiten im Giftmordprozess gegen die Funktionärsgattin Gu Kailai. Diese wurde wegen Mordes verurteilt, zum Prozess erschien sie aber offenbar nicht selbst, sondern liess sich von einem Bodydouble vertreten.

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Im November 2011 machte Gu den britischen Geschäftsmann Neil Heywood betrunken, dem laut "Spiegel.de" Verbindungen mit dem britischen Geheimdienst nachgesagt werden. Anschliessend vergiftete sie ihn mit Rattengift. Dafür musste sie sich vor der chinesischen Justiz verantworten. Ungewöhnlich an dem Verfahren war nicht nur das Urteil: "aufgeschobene Todesstrafe". Das Gericht gewährte Gu Kailai zwei Jahre Aufschub, meist werden Todesstrafen mit Aufschub in China jedoch in lebenslange Haft umgewandelt. Die Person, die von den Sicherheitskräften vor die Anklagebank geführt wurde, ähnelt allerdings so gar nicht den Bildern Gu Kailais aus vorigen Medienberichten. Die Frau vor Gericht scheint nicht Gu Kailai zu sein.

Auch die Presse greift die Unstimmigkeiten auf: Die "New York Times" beobachtete in ihrer Online-Ausgabe, dass Gu "scheinbar ziemlich zugenommen hat" und berichtete im August über einen Verwandten, der "schockiert war, weil ihr Gesicht sich seit ihrem letzten Treffen sehr verändert hat.

Auch die kanadische Zeitung "Vancouver Sun" zitiert kritische Stimmen: "Beim Verein für im Ausland lebende Chinesen ist überall zu hören, dass die Frau sehr wenig der anmutigen und glamourösen Gu, wie sie der Öffentlichkeit bekannt ist, ähnelt".

Gu engagierte offenbar einen Doppelgänger

Der Verdacht liegt nahe, dass die Rechtsanwältin Gu nicht selbst vor Gericht erschien und statt dessen ein Bodydouble anheuerte, von dem sie sich vertreten liess. Solche Praktiken sind in China nicht neu: Wie das amerikanische Online-Magazin "Slate" berichtet, hat diese Praxis in China Tradition. Einer der ersten Erforscher des chinesischen Strafrechts, Ernest Alabaster, beobachtet in seinen "Anmerkungen und Kommentare zum chinesischen Strafrecht" bereits 1899 dieses Phänomen. Demnach "erlaubten" die Richter Kriminellen "häufig", sich einen Stellvertreter zu suchen, der anstatt ihrer die Haftstrafe abbüsste.

Ersatzhäftling als Beruf?

Der Fall Gus wäre nicht der einzige, bei dem der Angeklagte seinem Urteil entgeht. Das australische Nachrichtenportal "Sydney Morning Herald" berichtete über den Fall Hu Bins, einen wohlhabenden 20-jährigen Chinesen. 2009 tötete er in Hangzhou bei einem illegalen Autorennen einen Fussgänger. Als hätten er und seine Freunde nichts zu befürchten, warteten sie nach dem Unfall lachend und rauchend auf die Polizei. Die Bilder, die von ihm am Tatort gemacht wurden, stimmen jedoch nicht mit dem Jungen überein, der vor Gericht erschien und dann im Gefängnis sitzt. Dass die Bilder des Jungen am Tatort nicht denen des Jungen im Gerichtssaal entsprachen, löste nach Angaben des chinesischen Nachrichtenportals "eastday.com" einen Aufschrei in der Bevölkerung aus.

Der Direktor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik und China-Experte, Professor Eberhard Sandschneider, erklärt: "Das chinesische Justizsystem ist nicht mit dem des Westens vergleichbar". Er bestätigte, aus inoffiziellen Kreisen von dem Phänomen der Ersatzhäftlinge gehört zu haben. Missstände wie diese - oder etwa Operationen an Häftlingen zur Organentnahme - liessen sich aber sehr schwer nachweisen.

Bodydoubles verdienen kein Vermögen

Für Menschen, die an Stelle eines Angeklagten ins Gericht oder sogar ins Gefängnis gehen, gibt es sogar einen Namen: So ist die Berufsbezeichnung "ding zui" in China geläufig. Das chinesische Wort "ding" bedeutet "Ersatz" und "zui" heisst "Verbrechen". Wer sich als "ding zui" verdingt, wird allerdings kein Vermögen anhäufen: Das Magazin "Slate" berichtete von einem Ersatzhäftling, der pro Tag, den er im Gefängnis verbrachte, umgerechnet 31 Dollar verdiente.

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