Gerettet ist das EU-Türkei-Abkommen nach dem Treffen zwischen Erdogan und den EU-Spitzen nicht. Kommissionschefin von der Leyen sprach dennoch von konstruktiven Gesprächen. Nach knapp zwei Stunden waren sie schon vorbei.

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Die Europäische Union steht nach wie vor zum Flüchtlingspakt mit der Türkei. Das Abkommen bleibe gültig, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Montagabend nach einem Treffen mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Nun werde man analysieren, welche Teile nicht umgesetzt wurden und warum.

Meinungsverschiedenheiten bei der Umsetzung des Abkommens sollten der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell und der türkische Aussenminister Mevlüt Cavusoglu in den nächsten Tagen gemeinsam mit einem Team von Fachleuten klären, ergänzte EU-Ratschef Charles Michel. Sowohl Michel als auch von der Leyen lobten, dass das Gespräch mit Erdogan stattgefunden habe. Von der Leyen nannte es konstruktiv. Konkrete Ergebnisse präsentierten beide aber nicht. Erdogan war bei ihrer Pressekonferenz nicht dabei.

Verhärtete Fronten

Die Krisensitzung zwischen von der Leyen, Michel und Erdogan war kurzfristig anberaumt worden. Das Verhältnis zwischen Brüssel und Ankara ist äusserst angespannt. Erdogan hatte Ende Februar erklärt, die Grenze zur EU sei für Migranten offen und verstösst damit gegen das gemeinsame Flüchtlingsabkommen. Tausende Migranten hatten sich daraufhin auf den Weg in Richtung Griechenland gemacht.

Dort wurden sie am Grenzübertritt gehindert, auch mit Tränengas und Wasserwerfern. Von Seiten der Migranten flogen immer wieder Steine. Zudem nimmt Griechenland vorübergehend keine Asylanträge mehr an, was Hilfsorganisationen kritisieren.

Von der Leyen spricht von "tiefem Dilemma"

Von der Leyen rief Athen nun erstmals zur Mässigung auf. Übermässige Gewalt müsse vermieden und die Grundrechte müssten gesichert werden - darunter das Recht, in der EU einen Asylantrag zu stellen. Es war das erste Mal, dass die CDU-Politikerin ein wenig auf Distanz zum griechischen Vorgehen ging. Bei einem Besuch vor einer Woche an der griechisch-türkischen Grenze hatte sie sich noch vorbehaltlos hinter das Vorgehen gestellt.

"Heute sind wir inmitten eines tiefen Dilemmas", sagte von der Leyen. Die Geschehnisse deuteten eindeutig auf politisch motivierten Druck auf die EU-Aussengrenzen hin. Zugleich bräuchten die Migranten, die an der Grenze ausharrten, ebenso Hilfe wie Griechenland.

Merkel: "2020 ist nicht 2015"

Die Bundesregierung stellte am Montag klar, dass die Migranten an der griechischen Grenze nicht ohne weiteres nach Europa oder Deutschland weiterziehen können. "Die Türkei, ganz klar, trägt die Verantwortung dafür, diese verzweifelten Menschen in eine Sackgasse geschickt zu haben", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Er reagierte damit auch auf Äusserungen Erdogans. Der Präsident hatte Griechenland am Sonntag unverhohlen dazu aufgerufen, die Migranten an der Grenze in Richtung Mitteleuropa durchzulassen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte, es gelte in der aktuellen Migrationskrise Zustände wie vor fünf Jahren zu vermeiden. "2020 ist nicht 2015", sagte sie. Die Bürger könnten erwarten, dass es die Politik schaffe, Flucht und Migration zu ordnen, zu steuern und zu verringern. Merkel nannte das Vorgehen der Türkei an der Grenze zu Griechenland erneut "inakzeptabel". Bei allem Verständnis für die grosse Last der Türkei, die 3,6 Millionen Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen habe, könne diese kein Verständnis erwarten, wenn sie eigene Probleme auf dem "Rücken" von Flüchtlingen zu lösen versuche - die dann an der Grenze in einer Sackgasse landeten.

Der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis sagte auf derselben Veranstaltung in Berlin, Griechenland und die EU liessen sich von der Türkei nicht "erpressen". Die Türkei versuche, aus Zehntausenden Migranten "illegale Eindringlinge" zu machen. Die EU-Aussengrenze müsse geschützt werden. Auch Regierungssprecher Seibert sagte, illegale Grenzübertritte könnten nicht erzwungen werden, "schon gar nicht mit Gewalt".

Von der Leyen betonte mit Blick auf schutzbedürftige Flüchtlingskinder auf den griechischen Ägäis-Inseln, den Verletzlichsten müsse geholfen werden. Es sei dringend nötig, Menschen auf das europäische Festland zu bringen. Es gebe bereits positive Reaktionen auf ihren Appell von vergangener Woche an die EU-Staaten, etwa von Frankreich, Portugal, Luxemburg, Finnland und Deutschland.

Deutschland nimmt 1500 Kinder auf

SPD und Union hatten in der Nacht bei einem Treffen im Kanzleramt beschlossen, dass Deutschland zusammen mit anderen EU-Staaten bis zu 1500 Kinder aus den Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln aufnimmt. Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums betonte, diese humanitäre Aktion sei kein deutscher Alleingang.

Es geht dabei um Kinder, die schwer erkrankt oder unbegleitet und jünger als 14 Jahre sind, die meisten davon Mädchen. Auf europäischer Ebene werde derzeit verhandelt, um in einer «Koalition der Willigen» die Übernahme dieser Kinder zu organisieren. «In diesem Rahmen steht Deutschland bereit, einen angemessenen Anteil zu übernehmen», teilte die Koalition mit. (dpa/sg)

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