Für die Landwirte ist die Entscheidung aus Strassburg ein Sieg, für Umweltverbände eine Niederlage. Vorerst wird es kein Gesetz zur Reduzierung von Pestiziden in der Landwirtschaft geben.

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Ein Gesetz für die Verringerung des Pestizideinsatzes in der Europäischen Union ist endgültig vom Tisch. "Ich werde vorschlagen, den Entwurf zurückzuziehen", sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Dienstag vor dem Europaparlament in Strassburg. Das Thema bleibe zwar aktuell, aber für die Umsetzung sei ein anderer, neuer Ansatz erforderlich.

Plan zur Halbierung der Pestizideinsätze bis 2030 gescheitert

Der bisherige Vorschlag sei zu einem "Symbol der Polarisierung" geworden, erklärte von der Leyen. Die Kommission hatte ursprünglich vorgeschlagen, den Einsatz von Pestiziden in der EU bis 2030 zu halbieren. Nach massiven Protesten aus der Landwirtschaft kippte eine Mehrheit aus Konservativen, Rechten und Abgeordneten von Liberalen und Sozialdemokraten im Europaparlament das Vorhaben in einer Abstimmung im November. Eine Umsetzung des Gesetzes war damit kaum noch möglich. Auch unter den Mitgliedstaaten zeichnete sich keine Einigung ab.

Es sei ein "lobenswertes Ziel, die Risiken chemischer Pflanzenschutzmittel zu verringern", sagte von der Leyen in Strassburg. Die Kommission könne nun einen neuen "ausgereifteren" Vorschlag machen und Bauernverbände stärker einbeziehen. Mit einem solchen Vorschlag ist allerdings nicht mehr vor den Europawahlen im Juni zu rechnen. "Landwirte brauchen wirtschaftliche Anreize, um Umweltschutzmassnahmen umzusetzen", so von der Leyen, "vielleicht haben wir ihnen diese Gründe nicht überzeugend dargelegt".

Der europäische Bauernverband Copa-Cogeca kritisierte im Vorlauf, die EU ignoriere die Lebensrealität der Landwirtinnen und Landwirte. Bereits die Entscheidung des Europarlaments hatte grossen Jubel beim Verband ausgelöst: "Endlich" erkenne das Parlament an, dass die Pestizidregulierung "schlecht angepasst, unrealistisch und ohne Finanzierung" sei, erklärte die Vorsitzende des Verbandes, Christiane Lambert, damals.

Der belgische Regierungschef Alexander De Croo, dessen Land aktuell die EU-Ratspräsidentschaft innehat, begrüsste die Ankündigung der Kommissionspräsidentin. Es sei entscheidend für eine nachhaltige Zukunft des Agrarsektors, die Landwirte "auf unserer Seite" zu halten, erklärte er.

Umweltverbände sind enttäuscht

Kritik kam derweil vom österreichischen Umweltverband Global 2000. "Inmitten von Klima- und Biodiversitätskrise begräbt die EU-Kommission ihr wichtiges und ambitioniertes Vorhaben einer verbindlichen Pestizidreduktion", so die Organisation. Das sei die falsche Antwort auf die drängenden Herausforderungen der Landwirtschaft.

Die seit Wochen anhaltenden Proteste in mehreren europäischen Ländern, bei denen Landwirtinnen und Landwirte gegen in ihren Augen zu geringe Einkommen und steigende Kosten demonstrieren, gehen unterdessen weiter. Die Proteste richten sich auch gegen Umweltauflagen aus Brüssel.

In verschiedenen Regionen Spaniens protestierten am Dienstag tausende Bauern und blockierten Strassen und Zufahrtswege. Am späten Montagabend versperrten Demonstrierende in den Niederlanden Autobahnen mit ihren Traktoren und entzündeten dabei Feuer und Feuerwerkskörper, wie die Polizei der Provinz Gelderland über den Kurznachrichtendienst X erklärte. Auch in Lettland und Italien gingen die Proteste weiter. Am Wochenende kam es zudem auch in Deutschland, Frankreich, Griechenland und erstmals auch in dem Nicht-EU-Land Schweiz zu Protesten.

Auf Initiative der EU-Kommission startete bereits Ende Januar ein "Strategischer Dialog", der Bauernverbände mit Umweltorganisationen und Vertretern der Lebensmittelindustrie an einen Tisch bringen soll.

Die EU unterstützt die Landwirtschaft mit jährlich mehr als 50 Milliarden Euro aus der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Davon gehen gut sechs Milliarden Euro an Deutschland. Die Gelder sind zum Teil an Umweltauflagen geknüpft. Brüssel machte Ende Januar bereits Zugeständnisse an die Betriebe: Vorschriften für einen Mindestanteil an Brachland auf Ackerflächen bleiben bis Jahresende ausgesetzt. (afp/the)

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