Das Pipelineprojekt Nord Stream 2 hatte sich immer mehr zum Zankapfel in Europa entwickelt, mit Deutschland im Mittelpunkt. Nun hat man in Verhandlungen eine Einigung erzielt.
Im Streit über neue Vorschriften für Pipelineprojekte wie Nord Stream 2 haben EU-Unterhändler einen Kompromiss erzielt. Dies teilte die EU-Kommission in der Nacht zum Mittwoch mit und begrüsste die Einigung mit den EU-Ländern und dem Europaparlament.
Der Betreiber der neuen Gasleitung von Russland nach Deutschland muss sich auf zusätzliche Auflagen gefasst machen. Doch wird das Vorhaben des russischen Staatskonzerns Gazprom damit wohl nicht ausgebremst.
Die EU-Kommission hatte schon 2017 mit Blick auf Nord Stream 2 eine Änderung der EU-Gasrichtlinie vorgeschlagen. Demnach sollten Pipelines von einem Drittstaat in die Europäische Union denselben Auflagen unterliegen wie Leitungen innerhalb der EU.
Besitz und Betrieb nicht in einer Hand
So darf unter anderem Besitz und Betrieb nicht in einer Hand sein und Betreiber müssen Konkurrenten Zugang gewähren.
Deutschland wollte die neuen Vorschriften verhindern, weil sie Nord Stream 2 unwirtschaftlich zu machen drohten. Letztlich akzeptierte die Bundesregierung nach Streit mit Frankreich vorige Woche im Kreis der EU-Länder den Grundsatz - allerdings mit einigen Sonderregeln.
Diese sollen nach Angaben aus Verhandlungskreisen auch nach dem Kompromiss mit Unterhändlern des Europaparlaments gelten.
Die Regeln erlaubten es, dass Deutschland alleine über Ausnahmen befinden könne, hiess es von Beteiligten. Die Kommission dürfe Vereinbarungen zwischen Regierungen aber vorab prüfen.
Die Kommission zeigte sich mit der Lösung zufrieden. Die so novellierte Gasrichtlinie erfülle die ursprünglichen Ziele, teilte die Brüsseler Behörde mit.
Ausnahmen von den Vorschriften für den EU-Energiemarkt gebe es nur unter strikten Bedingungen, über die die Kommission entscheidend mitbestimme.
Die erweiterten Regeln seien auf EU-Gebiet anwendbar, auch in Hoheitsgewässern. Die Anwendung von Regeln des EU-Binnenmarkts werde von der Kommission überwacht.
"Grosser Fortschritt" auf Weg zu Gas-Binnenmarkt
"Das ist ein grosser Fortschritt hin zu einem integrierten Gas-Binnenmarkt, der auf Solidarität und Vertrauen fusst und die Europäische Kommission voll einbezieht", kommentierte Klimakommissar Miguel Arias Cañete. "Heute schliesst Europa Schlupflöcher in seinem juristischen Regelwerk."
Jeder, der Erdgas in der EU verkaufen wolle, müsse die europäischen Energieregeln beachten.
Nord Stream 2 ist seit Jahren ausserordentlich umstritten. Die Bundesregierung heisst das Projekt gut. Etliche EU-Staaten und die USA lehnen es ab. Erst am Dienstag hatte US-Aussenminister Mike Pompeo seine Kritik an der Pipeline erneuert.
Die USA prangern russischen Einfluss in Europa an, haben aber auch selbst wirtschaftliche Interessen am Verkauf von Flüssiggas in Europa.
Kritik an deutsch-russischem Projekt
Die Leitung wird neben der bestehenden Trasse Nord Stream rund 1.200 Kilometer durch die Ostsee gebaut. Ein Gutteil ist schon fertig, Ende 2019 soll das Projekt in Betrieb gehen.
Die Leitung soll dann jährlich bis zu 55 Milliarden Kubikmeter Erdgas aus Russland nach Deutschland transportieren.
Kritiker monieren, Europa mache sich noch abhängiger von russischem Erdgas. Die Ukraine fürchtet zudem, als Transitland ausgebremst zu werden und milliardenschwere Durchleitungsgebühren einzubüssen.
Der Grünen-Abgeordnete und Unterhändler Reinhard Bütikofer hatte vor der entscheidenden Verhandlungsrunde auf strenge EU-Regeln gepocht. "Es darf kein geteiltes europäisches Energierecht geben und keine Sonderrechte für Gazprom und Nord Stream 2", sagte Bütikofer.
Die vorläufige Einigung muss noch formal vom Rat der Mitgliedsländer und vom Europaparlament gebilligt werden. Dann wäre die Änderung der Gasrichtlinie endgültig unter Dach und Fach. (dpa/mwo)
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