Vor dem EU-Gipfel hat sich in der Flüchtlingspolitik eine Menge Druck aufgebaut: Italien blockierte Rettungsschiffe mit Migranten, die CSU drohte Kanzlerin Angela Merkel mit Alleingängen. Am frühen Morgen gab es dann einen Kompromiss.
Die EU-Staaten haben sich bei ihrem Gipfel in Brüssel darauf geeinigt, in der EU geschlossene Aufnahmelager für gerettete Bootsflüchtlinge einzurichten.
Zudem sollen die Aussengrenzen besser geschützt, die Sekundärmigration eingeschränkt und Auffangzentren in Nordafrika geschaffen werden.
Länder sollen freiwillig Flüchtlinge aufnehmen
Aus den in der EU zu entstehenden Auffanglagern heraus sollen die Menschen, die eine Aussicht auf Asyl haben, auf Staaten verteilt werden, die freiwillig mitmachen. Welche das sein könnten, blieb zunächst unklar.
Zugleich sollen nach dem Willen der EU-Staaten auch Sammellager in nordafrikanischen Staaten entstehen, damit sich weniger Migranten illegal auf den Weg übers Mittelmeer machen. Allerdings lehnen die betroffenen Staaten - beispielsweise Marokko, Tunesien oder Libyen - dies bislang ab.
Bei diesen möglichen Sammelstellen für Bootsflüchtlinge ausserhalb der EU solle mit dem UN-Flüchtlingswerk UNHCR und der Internationalen Organisation für Migration zusammengearbeitet und internationales Recht eingehalten, versicherte die deutsche Bundeskanzlerin
Zudem hat sich die EU auf einen Ausbau des Schutzes der EU-Grenzen geeinigt. Dazu soll die Grenz- und Küstenwache Frontex schnell deutlich verstärkt werden. Details sind dazu aber noch nicht bekannt.
Merkel begrüsst Einigung
Merkel hat die Beschlüsse insgesamt begrüsst. Es sei eine "gute Botschaft", dass die Staats- und Regierungschefs dazu einen gemeinsamen Text verabschiedet haben, sagte die CDU-Chefin am frühen Freitagmorgen nach mehr als zwölfstündigen Beratungen in Brüssel.
Es warte zwar noch eine Menge Arbeit am gemeinsamen europäischen Asylsystem.
"Aber ich bin optimistisch nach dem heutigen Tag, dass wir wirklich weiter arbeiten können." Es sei allerdings "noch viel zu tun, um die verschiedenen Sichtweisen zu überbrücken".
Ist das die Lösung im Asylstreit?
Offen blieb zunächst, ob das von Merkel und ihren EU-Kollegen erzielte Ergebnis den Weg aus dem erbitterten Asylstreit in Deutschland weisen könnte.
Merkel sucht dringend einen europäischen Ansatz, um das Weiterziehen von registrierten Asylbewerbern aus anderen EU-Ländern nach Deutschland zu bremsen.
Auch hier wurde eine enge Zusammenarbeit in der EU-Abschlusserklärung vereinbart. Es heisst: "Mitgliedstaaten sollten alle nötigen internen gesetzgeberischen und administrativen Massnahmen ergreifen, um solchen Bewegungen entgegenzuwirken, und dabei eng zusammenarbeiten."
Merkel sagte, damit sei eine stärkere Ordnung und Steuerung der "Sekundärmigration" vereinbart worden. Klar sei, dass alle sich an Regeln halten müssten und sich kein Asylbewerber einen EU-Staat aussuchen dürfe.
Merkel benötigt hier eine europäische Lösung, da anderenfalls Innenminister Horst Seehofer solche Migranten im Alleingang an der deutschen Grenze abweisen will.
Auch die geplanten Aufnahmelager innerhalb der EU könnten zumindest dazu beitragen, dass weniger Asylbewerber von einem EU-Land ins nächste ziehen.
Italien drohte mit Blockade
Italien hatte am Abend mit einer Blockade der Gipfelbeschlüsse gedroht und Zugeständnisse von den übrigen EU-Ländern gefordert.
Wegen seiner Lage am Mittelmeer ist das Land erster Anlaufpunkt für Zehntausende Migranten und fühlt sich von den europäischen Partnern im Stich gelassen. Allerdings ist es Deutschland, das EU-weit die meisten Flüchtlinge aufnimmt.
Auf europäischer Ebene war der Druck zu einer Einigung in den vergangenen Wochen gewachsen, seit in Rom die neue Regierung aus rechter Lega und der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung im Amt ist.
Diese hatte in den vergangenen Tagen Flüchtlingsschiffen privater Hilfsorganisationen die Einfahrt in italienische Häfen verwehrt und damit Krisenstimmung aufkommen lassen.
Geradezu euphorisch hat sich nun der italienische Regierungschef Giuseppe Conte geäussert: "Bei diesem europäischen Rat wird ein verantwortungsvolleres und solidarischeres Europa geboren. Italien ist nicht mehr allein."
Der französische Präsident Emmanuel Macron lobte den Beschluss als "europäische Lösung". Diese sei besser als nationalstaatliche Einzellösungen, die ohnehin nicht getragen hätten, sagte Macron. "Das ist für Frankreich eine gute Nachricht."
Der österreichische Kanzler Sebastian Kurz äusserte sich erfreut, dass viele EU-Staaten nun den Fokus ganz klar auf Reduzierung von Migration und Schutz der EU-Aussengrenzen legten. (ff/cai/dpa)
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