Zwischen der EU und südamerikanischen Staaten soll eine der grössten Freihandelszonen der Welt entstehen. Der Text für ein Abkommen steht jetzt – es gibt aber weiter einflussreiche Gegner.
Die EU-Kommission hat ungeachtet anhaltender Bedenken von Ländern wie Frankreich, Italien und Polen die Verhandlungen über eine riesige Freihandelszone mit dem südamerikanischen Staatenbündnis Mercosur abgeschlossen.
Das teilte Kommissionspräsidentin
"Dieses Abkommen ist ein Gewinn für Europa", sagte von der Leyen in Uruguays Hauptstadt Montevideo. Es werde für Menschen und Unternehmen funktionieren und mehr Arbeitsplätze, mehr Auswahl und Wohlstand schaffen. "Unternehmen profitieren von niedrigeren Zöllen und vereinfachten Verfahren", sagte von der Leyen.
Zuletzt hatte vor allem die Bundesregierung Druck gemacht, die Verhandlungen endlich zu finalisieren und den Text für das Abkommen den EU-Staaten zur Abstimmung vorzulegen. Deutschland setzt dabei darauf, dass der handelspolitische Teil im Rat der Mitgliedstaaten per Mehrheitsentscheidung beschlossen werden könnte.
Ein Vetorecht hätten Mitgliedstaaten dann nur noch bei den geplanten Vereinbarungen zum politischen Dialog und zur Kooperation. Ein solches Splitten des Vertrages könnte aber Rechtsrisiken bergen.
Das Abkommen zwischen der EU und den Mercosur-Staaten würde eine der weltweit grössten Freihandelszonen mit mehr als 700 Millionen Einwohnern schaffen. Es sieht vor, vor allem Zölle abzubauen und damit den Handel anzukurbeln.
Autobauer sehen enormes Potenzial
Unter anderem die deutsche Automobilindustrie sieht ein deutliches Potenzial, die Exporte in Richtung Südamerika zu steigern. Insbesondere wegen hoher Zölle wurden aus Deutschland im gesamten Jahr 2023 nur 20.700 Pkw nach Argentinien und Brasilien exportiert.
Handelspolitiker sehen das geplante Abkommen zudem als Botschaft an den künftigen US-Präsidenten
Mit Blick auf China gilt es als sicher, dass sich die Mercosur-Staaten im Fall eines Scheiterns des Abkommens wirtschaftlich noch stärker der Volksrepublik zuwenden würden.
Grundsatzeinigung gab es bereits 2019
Über den Aufbau der Freihandelszone zwischen EU und dem Mercosur war eigentlich bereits im Sommer 2019 eine politische Grundsatzeinigung erzielt worden. Der Deal wurde dann allerdings wieder von mehreren EU-Staaten wie Frankreich, Polen oder Österreich infrage gestellt, und es gab jahrelange Nachverhandlungen.
Kritiker befürchten, dass europäische Landwirte künftig in einen gnadenlosen Preiskampf gezwungen werden und gleichzeitig die Regenwaldzerstörung in Südamerika befeuert wird. Die EU-Kommission und die Bundesregierung weisen die Vorwürfe hingegen als ungerechtfertigt zurück und betonen, dass die gesamtwirtschaftlichen Vorteile eindeutig überwiegen.
So wird betont, dass weiter nur Produkte, die den umfangreichen europäischen Vorschriften entsprechen, in die EU eingeführt werden dürften. Gleichzeitig könnten Unternehmen in der EU schätzungsweise jährlich mehrere Milliarden Euro an Zöllen sparen.
Bereits im vergangenen Jahr wurden aus der EU Waren im Wert von rund 56 Milliarden Euro in diese vier Mercosur-Ländern exportiert, in umgekehrter Richtung betrug das Exportvolumen rund 54 Milliarden Euro. Insgesamt könnten nach EU-Angaben 60.500 europäische Unternehmen von den geplanten Freihandelsvereinbarungen profitieren.
Veto-Möglichkeit könnte umgangen werden
Nach dem Abschluss der Verhandlungen müssen die Texte für das Abkommen noch juristisch geprüft und in die Sprachen der Vertragsstaaten übersetzt werden. Dann muss die EU-Kommission eine Entscheidung darüber treffen, ob es als Ganzes oder in zwei Teile gesplittet den Mitgliedstaaten zur Abstimmung vorgelegt wird. Auf jeden Fall zustimmen müsste das Europäische Parlament. Eine Entscheidung wird frühestens in der zweiten Hälfte des kommenden Jahres erwartet.
Macron hält Deal für inakzeptabel – Unterstützung aus Bundestag
Dass das Abkommen umgesetzt werden kann, wenn es auch nationalen Parlamenten zur Zustimmung vorgelegt werden muss, gilt insbesondere wegen der Bauernproteste in Frankreich als unwahrscheinlich. Das Abkommen sei in seiner jetzigen Form inakzeptabel, liess Frankreichs Präsident Emmanuel Macron noch am Donnerstag verlauten. Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni liess mitteilen, die Voraussetzungen für das Abkommen seien derzeit nicht gegeben.
In Deutschland gibt es hingegen breite Unterstützung. Politiker von SPD, CDU/CSU und FDP signalisierten zuletzt im Bundestag Zustimmung. Auch Regierungspolitiker wie Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sowie Wirtschaftsminister Robert Habeck und Aussenministerin Annalena Baerbock (beide Grüne) sind für den Abschluss des Abkommens. (AFP/dpa/bearbeitet von lag)
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