Mit klarer Mehrheit hat das Europaparlament Ursula von der Leyen als EU-Kommissionspräsidentin bestätigt. Doch die CDU-Politikerin musste zuvor viele Versprechen abgeben. Die zweite Amtszeit von Europas mächtigster Frau dürfte keine leichte werden.
Ursula von der Leyen ist die erste Frau an der Spitze der mächtigen EU-Kommission, und sie kann es für fünf weitere Jahre bleiben. Das Europaparlament wählte die 65-Jährige am Donnerstag in Strassburg mit deutlicher Mehrheit wieder. Sie geht mit hohen Erwartungen und vielen Versprechen in ihr zweites Mandat.
Bundeskanzler
Viele Versprechen, viele Ziele
Von der Leyen legte den Europaabgeordneten vor ihrer Wahl einen langen Katalog mit Versprechen für die kommenden fünf Jahre vor. An vielen Stellen gleicht er einer Quadratur des Kreises, was auch den unsicheren Mehrheitsverhältnissen im neu gewählten Parlament geschuldet ist.
Von der Leyen will das Klima schützen, aber zugleich Ausnahmen für Verbrenner-Autos und Landwirte. Sie will ein "starkes Europa", muss aber mit den Alleingängen des ungarischen Regierungschefs Viktor Orban klarkommen, der die anderen EU-Staaten mit seinem Besuch bei Russlands
Zugleich will sie aus dem "Raumschiff Brüssel", wie es oft genannt wird, mehr den Menschen zuhören. "Familien ächzen unter den Lebenshaltungs- und Wohnkosten, junge Menschen machen sich Sorgen um den Planeten, ihre Zukunft und die Gefahr eines Krieges", sagte sie in ihrer Rede. Längst nicht alle ihrer Vorschläge dürften Realität werden, denn die Mitgliedstaaten und das Europaparlament reden bei den Gesetzesvorschlägen der Kommission mit.
Gegenwind aus Washington?
Die grösste Herausforderung im neuen Mandat könnte die Zusammenarbeit mit den USA werden. Sollte im November der Republikaner Trump als US-Präsident wiedergewählt werden, muss sich die EU erneut auf scharfen Gegenwind aus Washington einstellen. Immerhin kennt von der Leyen Trump aus seiner ersten Amtszeit. Beim Wirtschaftsforum in Davos 2020 lobte der damalige Präsident die Kommissionschefin als "hoch respektierte Frau und harte Verhandlungsführerin".
Bereits in ihrer ersten Amtszeit war von der Leyen als Krisenmanagerin aufgetreten, erst in der Corona-Pandemie, dann im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Ihrer Vorstellung von einer "geopolitischen Kommission" kam sie mit ihrer Unterstützung für den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj näher.
Eine zielstrebige Karriere mit Patzern
Zu Brüssel hat von der Leyen einen persönlichen Bezug. Die Tochter des früheren niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht (CDU) wurde am 8. Oktober 1958 in Belgiens Hauptstadt geboren und ging dort zur Schule, als ihr Vater noch für die EU-Kommission arbeitete. "Ich bin Europäerin gewesen, bevor ich später gelernt habe, dass ich Deutsche bin und Niedersächsin", sagte sie einmal.
Ihre politische Karriere hat die Mutter von sieben Kindern zielstrebig vorangetrieben. Im Jahr 2003 wurde sie Familien- und Gesundheitsministerin in Niedersachsen. Ab 2005 folgten Stationen als Bundesministerin für Familie, für Arbeit und ab 2013 als Verteidigungsministerin.
Unter Druck geriet die studierte Ärztin wegen Plagiatsvorwürfen, konnte ihren Doktortitel aber behalten. Unglücklich agierte von der Leyen in der Affäre um rechtsextreme Tendenzen in der Bundeswehr, als sie der Truppe 2017 ein "Haltungsproblem" vorwarf. Dazu kamen Ausrüstungsmängel und eine Berateraffäre.
Als der Zenit ihrer Karriere überschritten schien, kam der Überraschungscoup: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron setzte von der Leyen 2019 bei einem EU-Gipfel als neue Kommissionschefin durch. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) konnte ihre angeschlagene Verteidigungsministerin wegbefördern.
In Brüssel erlaubte sich von der Leyen weniger Patzer. Ein juristisches Nachspiel hatten jedoch die Corona-Impfstoffdeals, die sie mit Pharmariesen wie Pfizer abschloss. Das Gericht der Europäischen Union in Luxemburg hatte erst am Mittwoch geurteilt, von der Leyens Kommission habe zu viele Informationen über die Verträge zurückgehalten. (afp/fab)
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