Sehr, sehr schwierig fand Umweltministerin Schulze die Verhandlungen mit ihren EU-Kollegen in Luxemburg. Denn der Ehrgeiz beim Klimaschutz geht sehr weit auseinander. Nur eine wähnt sich auf der Überholspur.
Die Autoindustrie in Europa muss sich auf schärfere Klimaschutzvorgaben einrichten als gedacht. Die EU-Staaten einigten sich am späten Dienstagabend darauf, dass Neuwagen im Jahr 2030 durchschnittlich 35 Prozent weniger Kohlendioxid ausstossen sollen als 2020.
Deutschland trug das Ziel mit, obwohl es über die ursprünglichen Wünsche der Bundesregierung hinausging. Sie wollte nur 30 Prozent Minderung.
Verhandlungen "wirklich, wirklich schwierig"
"Das war heute wirklich, wirklich schwierig", sagte Umweltministerin
Diese sollen schon an diesem Mittwoch beginnen. Auch EU-Klimakommissar Miguel Arias Cañete sprach von einer "schweren Geburt".
Die Minister hatten den ganzen Tag darüber verhandelt, wie stark der Ausstoss des Treibhausgases CO2 bei Neuwagen in der EU im nächsten Jahrzehnt sinken muss.
Die EU-Kommission hatte eine Minderung um 30 Prozent gegenüber 2020 vorgeschlagen - ein Wert, den die deutsche Autoindustrie als machbar erachtete. Dem schloss sich die Bundesregierung an, ebenso wie einige östliche EU-Staaten.
Viele andere Länder wollten jedoch eine Senkung um 40 Prozent oder mehr. Österreich, das derzeit den EU-Vorsitz führt, plädierte als Kompromiss für 35 Prozent Minderung und setzte dies letztlich auch durch. Als Zwischenziel sollen bis 2025 mindestens 15 Prozent erreicht sein.
Allerdings wurden etliche Sonderklauseln vereinbart, etwa Anreize für die Einführung von Autos mit wenig oder gar keinen Emissionen in ärmeren EU-Staaten sowie Sonderregeln für Nischenhersteller.
Einige Staaten tief enttäuscht
Am Ende stimmten 20 der 28 EU-Staaten für den Kompromiss, vier Staaten waren dagegen und vier weitere enthielten sich, wie die österreichische Umweltministerin
Mehrere Länder hatten jedoch mehr Ehrgeiz beim Klimaschutz verlangt und äusserten sich tief enttäuscht, darunter Irland, Schweden, Luxemburg und die Niederlande.
Der SPD-Europaabgeordnete Ismail Ertug erinnerte daran, dass das Europaparlament weitergehende Ziele gesetzt hat: Die Abgeordneten wollen ebenfalls eine Senkung der CO2-Werte um 40 Prozent bis 2030. Es dürften also weitere schwierige Verhandlungen folgen, um letztlich die Gesetzgebung abzuschliessen.
Die Vorgaben sollen helfen, die Klimaziele der Europäischen Union insgesamt zu erreichen und die Emissionen aus dem Strassenverkehr zu drücken. Die Entscheidung ist für die Autoindustrie von grosser Bedeutung.
Bisher ist in der EU festgelegt, dass Neuwagen im Flottendurchschnitt 2020 nicht mehr als 95 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer ausstossen sollen. Von dieser Basis aus soll die Senkung folgen.
Luxemburg greift Deutschland frontal an
Strenge Vorgaben bedeuten, dass Hersteller neben Diesel und Benzinern auch viele Fahrzeuge ohne Emissionen verkaufen müssen, um ihren Schnitt insgesamt zu erreichen - also zum Beispiel reine Elektroautos. Die Bundesregierung befürchtet Jobverluste, falls der Umstieg auf neue Antriebe zu schnell vollzogen wird.
Beim EU-Treffen argumentierten aber viele Umweltminister anders - so etwa die Vertreter Spaniens, der Niederlande, Frankreichs und Grossbritanniens. Ein schneller Umbau der Autoindustrie sei in der Konkurrenz zu China nötig und werde neue Arbeitsplätze schaffen, so ihre Argumentation.
Der luxemburgische Staatssekretär Claude Turmes griff Deutschland frontal an: Kanzlerin Angela Merkel fahre zugunsten der deutschen Autobauer "den Klimaschutz an die Wand", sagte der ehemalige Grünen-Europaabgeordnete.
Deutschland habe zusammen mit den östlichen Visegrad-Staaten eine ehrgeizigere Lösung verhindert, beklagte auch der Verband Transport & Environment. Der Kompromiss sei viel zu wenig, um den gefährlichen Klimawandel zu bremsen. © dpa
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