Weil das Heizen von Gebäuden viel CO2 produziert, will die EU mehr Sanierungen. Bis 2030 sollen Bestandsgebäude so klimafreundlicher werden. Online führt das zu der Falschbehauptung, schlecht sanierte Gebäude dürften nicht mehr bewohnt werden. Das ist falsch, solche Pläne gibt es nicht.

Das EU-Parlament will Gebäude klimaneutral machen, das könnte auch eine Pflicht für Sanierungsmassnahmen nach sich ziehen. Das sorgt medial für viel Aufmerksamkeit und in sozialen Netzwerken für Diskussionen. In einem viralen TikTok-Video vom 5. März heisst es, über Nacht würden in Europa 35 Millionen Häuser wertlos. In spätestens sieben Jahren dürften Häuser, die nicht den Energiestandards F oder E entsprechen, nicht mehr bewohnt werden.

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Rund 943.000 Mal wurde das Video gesehen, in den Kommentaren geht es emotional bis hetzerisch zu. Eine Nutzerin fordert "Neuwahlen", eine andere kommentiert: "Bürgerkrieg".

Der Vorschlag des EU-Parlaments ist Teil der Initiative "Fit for 55", mit der die EU ihre Treibhausgasemissionen bis 2030 um 55 Prozent senken will. Noch ist das Gesetz nicht beschlossen. Das Parlament, der Rat und die Kommission müssen erst beraten, bevor es die Regierungen der EU-Mitgliedsländer umsetzen müssen. Im Gesetz steht jedoch nicht, dass Gebäude, die den neuen Anforderungen nicht genügen, nicht mehr bewohnt werden dürfen. Gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa) bezeichnete die EU-Kommission solche Massnahmen als "völlig unverhältnismässig".

Wie werden Gesetze in der EU gemacht und was ist bei der Sanierung von Gebäuden geplant?

Zu den Details des Gesetzes gleich mehr; davor ist es aber wichtig zu verstehen, wie die Gesetzgebung in der EU funktioniert und an welcher Stelle in diesem Prozess sich die Massnahmen zur Sanierung von Gebäuden befinden.

In der EU gibt es zwei Arten von Gesetzen, Richtlinien und Verordnungen. Das aktuelle Gesetz zur Energieeffizienz von Gebäuden ist eine Richtlinie ("Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden"). Doch wer entscheidet, welche EU-Gesetze es geben soll?

Üblicherweise drei Institutionen: die Kommission, das Parlament und der Rat. Die Kommission legt dabei Vorschläge für Gesetze vor, über die dann der Rat und das Parlament beraten. Im aktuellen Fall stellte die Kommission im Oktober 2020 ihre "Strategie für eine Renovierungswelle" vor. Ein wesentlicher Bestandteil dieser Strategie ist laut der EU die Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden. Sowohl der Rat als auch das Parlament berieten darüber. Am 14. März stimmte dann das EU-Parlament dem Vorschlag zu.

Damit ist der Gesetzgebungsprozess in diesem Fall aber noch nicht vorbei. Als nächstes beraten der Rat, die Kommission und das Parlament im sogenannten Trilog-Verfahren nicht-öffentlich über das Gesetz. Danach stimmen der Rat und das Parlament erneut darüber ab. Ist das geschehen, müssen es zuletzt die Mitgliedsstaaten in nationale Gesetze umsetzen.

EU-Plan: Bestandsgebäude müssen bis 2030 klimafreundlicher werden

Bis die neuen Vorschriften gelten, kann es also noch dauern. Aber was hat das Parlament genau beschlossen?

Der Vorschlag in der EU sieht vor: Zunächst soll es eine Einteilung von A bis G von Gebäuden in Energieeffizienzklassen geben – je nach Höhe des Energiebedarfs. In Klasse A sollen sogenannte Nullemissionsgebäude einsortiert werden, in Klasse G die 15 Prozent der Gebäude, die den höchsten Energiebedarf in einem Land haben. Bis 2030 sollen Wohngebäude, die zum Beispiel vorher in der Klasse G waren, die Kategorie E erreichen, bis 2033 die Kategorie D.

Dazu muss man wissen: Diese Einteilung unterscheidet sich von den Angaben zur Energieeffizienzklasse in Deutschland. Sie steht hierzulande im Energieausweis, der Gebäude auf einer Skala von A+ bis H einteilt und vorgelegt werden muss, wenn ein Haus neu vermietet oder verkauft wird.

Wie die Mitgliedstaaten die Sanierungsziele erreichen wollen, bleibt ihnen überlassen. Dies müssten sie in ihren "nationalen Renovierungsplänen" festlegen, so das Parlament. Dennoch schreibt das Parlament vor, es müsse Förderprogramme geben, "um den Zugang zu Zuschüssen und Finanzierungen zu erleichtern". Die Mitgliedstaaten müssten zudem "kostenlose Informationsstellen und kostenneutrale Renovierungsprogramme" einrichten. Schutzbedürftige Haushalte sollten gezielte Zuschüsse und Beihilfen erhalten.

Insgesamt sind Gebäude in der EU laut dem Parlament für 36 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich.

Sind Gebäude schlecht saniert, droht kein Rauswurf

Offen bleibt die Frage, was geschieht, wenn Menschen ihr Haus nicht schnell genug sanieren können. Müssen sie dann ausziehen, wie auf TikTok behauptet? In der Richtlinie ist davon nichts zu lesen. Welche Sanktionen es bei einem Verstoss gibt, entscheiden die Mitgliedstaaten. In der Richtlinie heisst es lediglich, die Sanktionen müssten "wirksam, verhältnismässig und abschreckend" sein.

EU-Kommissar Frans Timmermans stellte dazu bereits im Dezember 2021 klar: "Unser Vorschlag enthält kein Verkaufs- oder Vermietungsverbot für Gebäude, die in die Klasse G eingestuft werden, das heisst für die 15 Prozent der Gebäude, die als die mit der schlechtesten Energieeffizienz in einem Land identifiziert wurden."

Gegenüber der Faktencheck-Redaktion der dpa teilte die Europäische Kommission mit: "Unter keinen Umständen erwartet die Kommission, dass jemand aus einem Haus geworfen wird, um Effizienzvorgaben umzusetzen. Dies wäre völlig unverhältnismässig."

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