EU-Staaten müssen eine wirksame Strafverfolgung beim Steuerbetrug gewährleisten.
Rumänien durfte dies nicht durch eine vorübergehende Abschaffung der Verjährungshemmung unterlaufen, wie am Montag der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg entschied. Danach dürfen rumänische Gerichte dies aber dennoch anwenden, wenn der Grundrechtsschutz dies erfordert. (Az: C 107/23 PPU)
In Rumänien wurden mehrere Menschen wegen Steuerbetrugs verurteilt. Dabei geht es insbesondere um die Unterschlagung der Mehrwertsteuer bei Handelsgeschäften mit Diesel. Die Angeklagten machen geltend, ihre Taten seien verjährt.
Hintergrund sind zwei Urteile des rumänischen Verfassungsgerichts aus den Jahren 2018 und 2022. Durch diese wurde die Verjährung dieser Straftaten noch nicht einmal durch das erstinstanzliche Urteil unterbrochen. Vier Jahre lang war die Verjährungsunterbrechung faktisch ausgeschlossen.
In Deutschland und auch sonst üblich wird dagegen die Verjährung bereits dann unterbrochen, wenn die Beschuldigten erstmals mit den Vorwürfen und den diesbezüglichen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen konfrontiert werden.
Das Berufungsgericht im rumänischen Brasov legte hierzu dem EuGH mehrere Fragen vor - unter anderem, ob wegen des "Grundsatzes des milderen Strafgesetzes" die rumänischen Verfassungsurteile vielleicht sogar rückwirkend anzuwenden sind.
Der EuGH verwies nun darauf, dass gerade bei der Mehrwertsteuer auch die finanziellen Interessen der EU betroffen sind. Die rumänischen Richter müssten daher Vorschriften oder Rechtsprechung unangewendet lassen, "die ein systemisches Risiko der Straflosigkeit für solche Straftaten schaffen". Das sei der Fall, wenn es faktisch keine Unterbrechungsgründe für die Verjährung gibt.
Gleichzeitig verwiesen die Luxemburger Richter aber auch auf die Rechte und Grundrechte der Beschuldigten. Daher dürften die rumänischen Richter die Verfassungsurteile in den Fällen anwenden, in denen diese Rechte dies verlangen.
Nach dem Luxemburger Urteil gilt dies insbesondere für die Taten, die während der vier Jahre begangen wurden, in denen die Verjährungsunterbrechung ausgehebelt war. Für die Zeit davor greife der "Grundsatz des milderen Strafgesetzes" dagegen nicht, vielmehr seien die damals geltenden regulären rumänischen Verjährungsregeln anzuwenden.
Weiter betonte der EuGH, dass Rumänien es nicht als Disziplinarvergehen einstufen darf, wenn Richter die Verfassungsrechtsprechung unangewendet lassen. Dies würde gegen den "Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts" verstossen. © AFP
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