Nach den Pariser Anschlägen versprach die EU schnelle Massnahmen zur Verhinderung künftiger Attentate in Europa. Doch schon die bisherigen Instrumente scheitern an mangelnder Zusammenarbeit.
Europa befindet sich in höchster Alarmbereitschaft. Europol hat am Montag vor neuen Anschlägen der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) in Europa gewarnt. Der IS könne "jederzeit und gegen fast jedes gewählte Ziel" losschlagen.
Anschläge etwa auf Nuklearanlagen oder Bahnhöfe seien zurzeit weniger wahrscheinlich. Die Terrormiliz habe eher "softe Ziele" im Visier, wie in Paris. Man fürchte "massenhafte Opfer in der Zivilbevölkerung", warnte Europol-Chef Rob Wainwright.
Angesichts der zunehmenden Bedrohung durch den IS nahm das neue Anti-Terrorismus-Zentrum von Europol am Montag offiziell seine Arbeit auf. Es soll sich vorwiegend auf die Identifizierung von rund 5.000 ausländischen Kämpfern des IS konzentrieren und Propaganda aus dem Internet bekämpfen.
Zusammenarbeit der Geheimdienste stärken
Bei der Behörde in Den Haag sollen Ermittlungen nationaler Polizeidienste koordiniert werden. 39 Festangestellte sowie fünf nationale Experten sind dort zunächst in den Dienst getreten.
Das Zentrum soll die Zusammenarbeit der Geheimdienste der Mitgliedstaaten verstärken. Es soll als Verbindungselement zwischen den Mitgliedstaaten dienen.
"Unser Ziel ist es, das Antiterror Zentrum zu einer Informationsplattform im Kampf gegen den Terrorismus zu machen", betonte Wainwright.
Genaugenommen soll das Zentrum laufende Ermittlungen mit Analysen unterstützen – und im Ernstfall eines weiteren terroristischen Anschlags den betroffenen Mitgliedstaaten zu einer "koordinierten Reaktion" verhelfen.
Es ist nur ein Schritt, den die EU seit den verheerenden Anschlägen im Januar und November 2015 unternommen hat.
Schärferes Waffenrecht?
Nur wenige Tage nach den Attentaten des 13. Novembers, der 130 Menschen in den Tod riss, legte die EU-Kommission einen Vorschlag für ein neues verschärftes Waffenrecht vor.
Er ist Teil einer Sicherheitsagenda, die die Behörde bereits im April vergangenen Jahres vorgelegt hatte, seither aber nicht vorankam.
Der Vorstoss der Kommission betrifft auch unschädlich gemachte Waffen. Sie sollen künftig registriert werden, da sie von Terroristen wieder funktionstüchtig gemacht werden könnten.
Sportschützen wehren sich gegen den Vorschlag, der erst noch die Zustimmung der Mitgliedstaaten sowie des Europäischen Parlaments finden muss. Einerseits, weil etwa Schreckschusspistolen zumindest in Deutschland nicht ohne Weiteres in scharfe Waffen umzubauen wären.
Anderseits, weil der Entwurf auch eine Verschärfung des Handels mit Schusswaffen im Internet vorsieht. Denn bereits heute gelten dort die gleichen strengen Bedingungen wie in Geschäften.
Allerdings: Im August 2015 hatte der Einsatz zweier US-Soldaten womöglich einen weiteren Anschlag verhindert.
Teile der Kalaschnikow, die ein Mann in einem Thalys-Schnellzug von Amsterdam nach Paris bei sich trug, stammten aus dem Internet.
Härtere Regeln für den Onlinehandel hält Binnenmarkt-Kommissarin Elzbieta Bienkowska daher für gerechtfertigt.
Verknüpfung von Datenbanken
Der Vorstoss ist Teil einer Sicherheitsagenda, die die Behörde bereits im April 2015 vorgelegt hatte. Darin war unter anderem vorgesehen, das Schengen-Informationssystem (SIS) mit der Datenbank der Internationalen Polizeibehörde Interpol in Lyon zu verknüpfen.
So sollen Beamte leichter feststellen können, ob Reisedokumente als gestohlen oder verloren gemeldet wurden.
Auch das Europäische Strafregisterinformationssystem (ECRIS), in das schon jetzt monatlich über 100.000 Straftaten fliessen, wird erweitert, so dass auch Daten von Nicht-EU-Bürgern erfasst werden können.
Laut Europol sind bis Ende 2015 etwa 5.000 Europäer nach Syrien ausgereist, um in den Dienst des sogenannten "Islamischen Staates" (IS) zu treten.
Allein in Deutschland liefen im November 120 Verfahren gegen 200 Beschuldigte.
Vorgehen gegen Terrorfinanzierung
Schliesslich will die Kommission gezielter gegen die Terrorfinanzierung vorgehen. Das Vermögen von Terrororganisationen soll eingezogen werden.
Nach den Anschlägen drängte besonders Frankreichs Innenminister Bernard Cazeneuve auf eine schnelle Umsetzung dieser Massnahmen – teils mit Erfolg.
Fluggastdatenspeicherung soll kommen
Die seit Jahren immer wieder ausgebremste Fluggastdatenspeicherung ist so gut wie beschlossen. Nachdem sich die Innenminister im Dezember 2015 einigten, muss nur noch das Parlament seine Zustimmung geben.
Wegen der Einführungszeit in den Mitgliedstaaten könnten damit frühestens ab 2017 über 40 Angaben der EU-Passagiere (darunter Flugroute, Bezahlweise bis hin zu Essensgewohnheiten) erfasst und bis zu fünf Jahren gespeichert werden. Das soll nicht nur internationale Flüge betreffen sondern auch innereuropäische Flüge.
Doch jede noch so gewollte Massnahme kann nur dann funktionieren, wenn sich die Mitgliedstaaten aktiv daran beteiligen.
Allerdings hat Dänemark im Dezember 2015 in einem Referendum die Zusammenarbeit mit Europol aufgekündigt.
Dabei mehrten sich zum Jahreswechsel erneut die Terrorwarnungen in Europas Hauptstädten.
Wie gross die Lücken der Zusammenarbeit noch sind, zeigte die erfolgreiche Flucht des Terroristen Salah Abdeslam. Er konnte trotz mehrerer Polizeikontrollen entfliehen. (far/mit Agenturmaterial von dpa)
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