Schauspieler und Regisseur Til Schweiger macht sich mit viel Leidenschaft für Flüchtlinge stark. Seine Art und auch seine Ideen stossen aber nicht überall auf Zustimmung. Wir machen den Faktencheck: Wo hat Schweiger recht und wo nicht?
Fast 160.000 Menschen stellten in der ersten Jahreshälfte in Deutschland einen Erstantrag auf Asyl, das sind fast genauso viele wie im gesamten Jahr 2014. Laut aktuellen Prognosen rechnet die Bundesregierung sogar mit bis zu 800.000 Asylbewerbern bis Jahresende.
Die Zahl der Flüchtlinge ist auch finanziell eine Herausforderung. Mindestens fünf Milliarden Euro soll die Unterbringung und Versorgung der Asylbewerber nach einem Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" 2015 kosten. Viele Länder und Kommunen fordern deswegen mehr Geld von der Regierung.
Til Schweigers Forderung: "Der Soli soll für die Finanzierung von Flüchtlingsheimen verwendet werden"
"Das geht überhaupt nicht", widerspricht der Wirtschaftswissenschaftler Joachim Ragnitz vom ifo-Institut Dresden im Gespräch mit unserem Portal. "In Deutschland werden sämtliche Steuereinnahmen in einen grossen Topf geworfen. Sie sind nicht zweckgebunden." Auch rechtlich sei dies nicht möglich.
Der Soli wurde nach der Wende von der Regierung Kohl eingeführt. 2014 nahm das Bundesfinanzministerium 15 Milliarden Euro damit ein. Weniger als die Hälfte, etwa sechs Milliarden, fliessen noch in den "Aufbau Ost", erklärt Ragnitz.
Bisher trugen vor allem Länder und Kommunen die Kosten für die Asylbewerber. Durch den hohen Anstieg der Flüchtlingszahlen beteiligt sich nun auch der Bund stärker an der Finanzierung. "Das halte ich für gerechtfertigt. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe", meint Ragnitz.
Til Schweiger sagt: "In Deutschland gibt es zu wenig Mitgefühl mit Asylbewerbern"
Das Engagement von Til Schweiger wurde im Juli durch einen Facebook-Post einem breiten Publikum bekannt. Auf seiner Seite teilte er einen Spendenaufruf des "Hamburger Abendblatts" für Flüchtlinge. Als er daraufhin von Usern beschimpft wurde, schrieb er wütend: "Verpisst euch von meiner Seite, empathieloses Pack!"
In einem Interview mit dem ARD-"Nachtmagazin" zeigte er sich später immer noch erschüttert über die fremdenfeindlichen Kommentare. "Ich habe damit gerechnet, aber nicht mit dieser Vehemenz", sagte er. Und er forderte auch andere zu einem klaren Bekenntnis auf: "Öffentlich gibt es zu wenige, die was sagen."
Tatsächlich ist der Hass im Netz beim Thema Asylbewerber nicht zu übersehen. Einige schrecken auch vor Gewalt nicht zurück. Straftaten gegen Flüchtlingsunterkünfte wie Brandanschläge, rechtsextreme Schmierereien und Drohungen nehmen zu.
Doch zum Glück gibt es viele Menschen, die das nicht hinnehmen wollen. Das "Abendblatt" wurde nach Schweigers Aufruf von Spenden und Helfern geradezu überrannt. Hilfsorganisationen an vielen Orten berichten von zahlreichen Anfragen von Freiwilligen, die Kleider spenden, Flüchtlinge betreuen oder Deutschunterricht geben wollen. Auch andere Prominente wie Musiker Udo Lindenberg, Schauspieler Sky DuMont oder die Band Die Toten Hosen rufen öffentlich zu Solidarität auf.
Til Schweiger fordert: Der Staat soll härter gegen Fremdenhass vorgehen
Die Bilder von hasserfüllten Demonstranten zeigen das Ausmass der Fremdenfeindlichkeit in einigen Orten in Deutschland. Zum Teil kommt es dabei auch zu Gewalt, wie das Werfen von Steinen. Schweiger forderte bei Maischberger deshalb härtere Massnahmen gegen rechte Proteste. "Zwei Hundertschaften Polizisten" solle man hinschicken.
Auch Rainer Wendt, Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, sieht diese Problematik. Sein Vorschlag: Um Angriffe zu verhindern und Asylbewerber zu schützen, sollten Demonstrationen in einem Umkreis von einem Kilometer von Flüchtlingsheimen verboten werden, sagte Wendt der "Saarbrücker Zeitung".
Generell gilt in Deutschland aber die Versammlungsfreiheit. Sie kann laut Gesetz nur eingeschränkt werden, wenn die "öffentliche Sicherheit oder Ordnung" gefährdet ist.
Kann es Til Schweiger besser als der Staat?
Seiner Kritik an der Asylpolitik will Schweiger auch Taten folgen lassen. Ein Vorzeigemodell für ein Asylbewerberheim wolle er zusammen mit Freunden eröffnen, kündigte er in der "Bild am Sonntag" an.
Dort soll es beispielsweise Freizeitmöglichkeiten für Kinder, Sportplätze, Werkstätten und eine Näherei geben. Den passenden Ort hat er auch schon gefunden: In einer ehemaligen Bundeswehrkaserne in Osterode im Harz (Niedersachsen) sollen künftig bis zu 600 Flüchtlinge untergebracht werden können.
Der Chef des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Manfred Schmidt, zeigte sich angesichts der Idee eines "Musterheims" eher skeptisch. "Wenn jemand behauptet, dass er es besser kann, ist die erste Reaktion einer Verwaltung immer zunächst zurückhaltend", sagte Schmidt der "Welt". "Schliesslich leisten wir bereits viel und wissen, welche Tücken es gibt."
Schweiger müsse auch mit den Behörden kooperieren. "Eine Unterkunft hinsetzen und dann läuft es – ganz so einfach ist es dann doch nicht", meinte Schmidt. Schweiger habe aber den Vorteil, dass er flexibler handeln könne.
Allerdings gibt es laut NDR Zweifel an der Kreditwürdigkeit des Investors Wolfgang Koch und der Firma "Princess of Finkenwerder", die die sanierungsbedürftige Kaserne in Osterode gekauft hat und mit denen Schweiger zusammenarbeiten will.
Ob der Schauspieler darüber informiert ist und wie seine Pläne konkret umgesetzt werden sollen, ist indes unklar. Dafür braucht es Zeit. Dann liegt es an Schweiger zu beweisen, dass er es tatsächlich besser machen kann. Respekt für seine klare Haltung verdient er aber schon jetzt.
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