Drohnen sind zu einem Markenzeichen des von Russland begonnenen Kriegs mit der Ukraine geworden – auf beiden Seiten. Was zeichnet diese Waffengattung aus? Was sind ihre Vor- und Nachteile? Fragen und Antworten zu einer neuen Art der Kriegsführung.

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Mindestens vier Militärtransportflieger wurden bei einer Drohnenattacke auf den Flughafen Pskow in Nordrussland beschädigt. Ein Tanklager ging in Flammen auf. Es ist der vorläufige Höhepunkt der ukrainischen Sabotagetätigkeit. Aber auch das russische Militär setzt massiv Drohnen und Raketen ein, um Ziele im Hinterland des angegriffenen Nachbarlands zu beschiessen, beispielsweise beim Versuch, die ukrainische Energieinfrastruktur zu zerstören. Einige Fragen und Antworten zur neuen Art der Kriegsführung:

Welche Vor- und Nachteile haben Angriffe mit Drohnen im Vergleich zu Raketen und Marschflugkörpern?

Drohnen haben zwei grosse Vorteile: Sie sind im Vergleich zu Raketen deutlich billiger und sie sind vielfältig einsetzbar. Daher können sie sowohl zur Aufklärung verwendet werden, indem sie mit Kameras ausgerüstet werden, als auch mit Sprengstoff beladen zum Angriff. Dabei können sie sowohl Stellungen von Soldaten und Technik an der Front erkunden und attackieren als auch Objekte weit im Hinterland des Feindes. Wegen der vergleichsweise niedrigen Kosten können sie auch schwarmweise losgeschickt werden und Objekte angreifen, die für einen Raketen- und Marschflugkörperangriff nicht lohnend sind, etwa kleinere Treibstofflager.

Ihr Nachteil besteht in ihrer geringen Geschwindigkeit, womit sie von der Flugabwehr leichter abzufangen sind. Allerdings nutzt vor allem Russland kombinierte Angriffe aus Drohnen und Raketen, um zunächst die Flugabwehr zu orten und gegebenenfalls zu überlasten und dann mit den Raketen den eigentlichen Schlag zu führen.

Welche Drohnen-Modelle verwendet Russland häufig?

Die bekanntesten auf russischer Seite eingesetzten Drohnen sind die Orlan-Drohnen aus eigener Produktion und die zunächst aus dem Iran importierten Shahed-Drohnen, die Moskau inzwischen nachbauen soll. Die Orlan wurden dabei vor allem von der Artillerie genutzt, um Feindstellungen aufzuklären. Mit 16 Stunden Flugzeit und einer Reichweite von 600 Kilometern kann die Orlan lange kreisen. Zu Kriegsbeginn hatte Russland allerdings nur geschätzt 1500 Stück im Dienst – nicht ausreichend für den Drohnenkrieg, zumal bei hohen Ausfallraten wegen der dichten Flugabwehr an der Front.

Daher hat sich Moskau mit Shahed-Drohnen eingedeckt. Die unbemannten Kamikaze-Flieger kosten wohl mit etwa 20 000 Euro nur ein Fünftel der Orlan und dienen der Bekämpfung militärischer und bewusst auch ziviler Objekte im Hinterland der Ukraine. Mit einer Traglast von bis zu 60 Kilogramm Sprengstoff können sie schwere Schäden anrichten. Sie sind allerdings nach dem Start nicht mehr zu steuern.

Was nutzt die Ukraine?

Die Ukraine ihrerseits hat zu Kriegsbeginn vor allem auf die türkische Bayraktar-Drohne gesetzt. Mit zunehmender Kriegsdauer haben die Russen sich aber besser auf Bayraktar-Angriffe eingestellt, deswegen werden die Geräte inzwischen fast nur noch zur Aufklärung genutzt. Daneben hat die ukrainische Armee seit Beginn der russischen Invasion neun verschiedene Typen von sogenannten Kamikaze-Drohnen in den Dienst gestellt.

Dazu kommen noch sechs Modelle sogenannter First-Person-View-Drohnen, die ebenfalls mit Sprengsätzen beladen mit Live-Videoübertragung in Frontnähe ins Ziel gesteuert werden. Die Entwicklung und Produktion eigener Drohnentypen habe dabei Priorität, hiess es.

Bei den neueren Attacken sollen russischen Angaben nach vor allem flugzeugartige Kampfdrohnen des Typs "Biber" eingesetzt worden sein. Diese Eigenentwicklung soll bis zu 20 Kilogramm Sprengstoff an Bord haben und Ziele in einer Entfernung von über 1000 Kilometer erreichen können. Der Stückpreis liegt bei knapp 100 000 Euro.

Die aber wohl auf beiden Seiten am häufigsten eingesetzte Drohne zur Gefechtsaufklärung ist die chinesische Mavic, die schon ab wenigen 100 Euro zu haben ist, auch wenn sie für Aufklärungszwecke noch aufgerüstet werden muss.

Wie schafft es die Ukraine, hunderte Kilometer entfernt liegende Ziele im Hinterland anzugreifen?

Mit der "Biber" haben die Ukrainer inzwischen weitreichende Drohnen im Einsatz. Allerdings wird nach diversen Angriffen auch immer wieder darüber spekuliert, dass die Drohnen durch Sabotagetrupps von russischem Territorium aus gestartet werden, womit auch Flieger mit geringerer Reichweite für solche Anschläge in Frage kommen.

Wie viele Soldaten sind im Drohnenkrieg speziell im Einsatz?

Für die Steuerung von Aufklärungs- und Kampfdrohnen hat Kiew nach Angaben von Vizeregierungschef Mychajlo Fedorow mehr als 10.000 Drohnenpiloten ausgebildet. Im Juni wurde ein weiteres Programm zur Ausbildung von 10.000 Soldaten angekündigt. Darunter sollen 400 für weitreichende Kampfdrohnen sein.

Wie viele Soldaten Moskau für den Drohnenkampf ausgebildet hat, ist nicht bekannt. Russische Militärblogger klagen aber über anhaltenden Personalmangel. Daher haben sich bereits tausende Soldaten und Freiwillige am Verteidigungsministerium vorbei in Schnellkursen als Drohnen-Operateure ausbilden lassen. Der Umgang mit Drohnen soll nun sogar zum Schulfach werden.

Wie viele Drohnen werden im Krieg verschlissen?

Der Bedarf an Aufklärungsdrohnen wird auf ukrainischer Seite mit gut 200 000 Stück pro Jahr angegeben. Zumeist wird dabei auf chinesische Drohnen zurückgegriffen. An der Front sollen dabei täglich 40 bis 45 Aufklärungsdrohnen verloren gehen. Der ukrainische Plan sieht ebenso eine monatliche Produktion von per Livevideo gesteuerten First-Person-View-Drohnen von 10 000 bis 15.000 Stück vor.

Gleichzeitig beklagen Frontsoldaten jedoch, dass ein akuter Mangel an Drohnentechnik bestehe und die russische Armee nach einem anfänglichen Defizit inzwischen gleichgezogen habe. Allerdings sind auch hier die Verluste gewaltig. Nach Einschätzung des russischen Militärbloggers Boris Roschin liegt die Lebensdauer bei etwa zwei Wochen. Die teureren Angriffsdrohnen sind in geringerer Stückzahl im Einsatz, aber auch davon soll Russland schon etwa 3500, darunter rund 2100 Shahed, verschossen haben.

Gibt es nur Flugdrohnen?

Nein, gerade bei den Angriffen auf die Krim hat Kiew zuletzt auch immer wieder auf Schwimmdrohnen gesetzt. Diese unbemannten Apparate werden zu Wasser gelassen und ferngesteuert auf Militär- und Infrastrukturobjekte wie die Krim-Brücke gelenkt. Das Prinzip ist das gleiche wie in der Luft: Mit geringen Kosten und ohne eigene Opfer soll hoher Schaden angerichtet und der Feind dazu gezwungen werden, aufwändige Abwehrmassnahmen zu treffen. Auch zu Land gibt es immer wieder Versuche, ferngesteuerte Systeme für den Transport von Nachschub oder den Angriff gegnerischer Stellungen aus sicherer Entfernung einzusetzen. (dpa/jos)

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