- Dass die Sicherheitskonferenz in München zu Friedensgesprächen zwischen Russland und der Ukraine führen könnte, galt von Anfang an als höchst unwahrscheinlich.
- Tatsächlich scheint ein Ende des Kriegs in der Ukraine nach der Konferenz so weit entfernt wie eh und je.
- Denn statt diplomatischer Bemühungen standen in München Waffenlieferungen im Vordergrund.
Bereits einige Tage vor Beginn der Münchner Sicherheitskonferenz (Siko) wurde deren Leiter Christoph Heusgen gefragt, ob er denn glaube, dass die Veranstaltung neue Impulse für Friedensverhandlungen im Krieg Russlands gegen die Ukraine bringen würde. Damals gab sich Heusgen hoffnungsvoll in diese Richtung. Doch nach dem Ende der Konferenz fällt das Fazit ernüchternd aus.
Denn wirklich vorangebracht hat die Siko die Suche nach einem Weg aus dem Krieg nicht. "Jetzt ist nicht die Zeit für Dialog", stellte der französische
Und tatsächlich hatte die Siko im Jahr 2023 vor allem etwas von einer "Waffenbörse". Die italienischen Tageszeitung "La Stampa" umschrieb die Konferenz im Nachgang sogar als Gipfel der Geschützmunition. Denn die in München von westlichen Verbündeten immer wieder beteuerte Solidarität mit der Ukraine bedeutete für diese vor allem eins: militärische Unterstützung.
Stoltenberg: Das grösste Risiko ist ein Sieg Putins
Wie weit diese Unterstützung gehen soll und wie schnell sie erfolgen muss, darüber sind sich die Bündnispartner allerdings nicht einig.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) versicherte in München, die Balance zwischen bestmöglicher Unterstützung der Ukraine und der Vermeidung einer ungewollten Eskalation werde weiterhin gewahrt. Es gelte: "Sorgfalt vor Schnellschuss, Zusammenhalt vor Solo-Vorstellung."
Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg warnte dagegen vor falscher Vorsicht. "Manche sorgen sich, dass unsere Unterstützung für die Ukraine Eskalationsrisiken birgt", sagt der Norweger. Das grösste Risiko sei ein Sieg Putins. Risikofreie Optionen gebe es nicht.
Eine rote Linie zog Stoltenberg dann aber doch. Denn die Forderung der Ukraine nach Streumunition und Phosphor-Brandwaffen wies er entschieden ab. Zuvor hatte der ukrainische Vizeregierungschef Olexander Kubrakow um diese gebeten. Der Einsatz beider Waffen ist sehr umstritten, Streumunition ist völkerrechtlich geächtet.
Peking hält zu Russland und will trotzdem vermitteln
Dass die Siko vor allem eine Solidaritätskundgebung des Westens für die Ukraine werden würde, war schon im Vorfeld der Konferenz abzusehen. Denn der neue Konferenzleiter Heusgen wollte den "Kriegsverbrechern im Kreml" in München keine Bühne für ihre Propaganda bieten. Deshalb waren Vertreter von Putins Russland nicht eingeladen - erstmals seit den 90er-Jahren.
Es gab dann aber doch noch einen, der über Diplomatie redete: der oberste chinesische Aussenpolitiker Wang Yi. China hat Putin im ersten Jahr des Krieges Rückendeckung gegeben - auch wenn die Warnung vor dem Einsatz von Atomwaffen im Westen als Zeichen der Bereitschaft Pekings gesehen wurde, den russischen Präsidenten zumindest etwas zu bremsen.
Nun sagte Wang Yi etwas in München, das hellhörig macht: "Wir werden etwas vorlegen. Und zwar die chinesische Position zur politischen Beilegung der Ukraine-Krise." Es wird erwartet, dass dieser Plan bereits zum Jahrestag der russischen Invasion am Freitag vorgelegt wird.
Zu den Inhalten machte Wang Yi nur vage Andeutungen. Das Chaos und die Konflikte, die die Welt im Moment schmerzen liessen, seien hervorgerufen worden, weil die Prinzipien der UN-Charta nicht aufrechterhalten worden seien.
Chinas Friedensplan wirft zahlreiche Fragen auf
Von westlichen Diplomaten wird das so gelesen, dass China auf die sogenannte territoriale Integrität der Ukraine pochen könnte, also auf die Unverletzbarkeit von Grenzen.
Dabei müsste China dann aber auch die Frage beantworten, welches Verständnis es von den Grenzen der Ukraine hat. Also ob es wie Putin die Krim als Teil Russlands betrachtet, oder die Annexion der Halbinsel 2014 als illegal sieht.
Es könnte auch sein, dass China den "Friedensplan" dazu verwendet, seinen Anspruch auf die demokratische Inselrepublik Taiwan zu untermauern, was den Westen in eine Zwickmühle bringen könnte.
Fest steht: Es wird ein Plan sein, mit dem sich die westlichen Verbündeten auseinandersetzen müssen. Denn China gilt als einziges Land, dem noch Einfluss auf Putin zugetraut wird.
Doch die Ukraine reagierten zurückhaltend auf die Ankündigung aus Peking. Der ukrainische Aussenminister Dymtro Kuleba sagte zu dem Friedensplan, es ergebe "keinen Sinn sich damit zu beschäftigen, bevor wir ihn gesehen haben".
Regierungschef Denis Schmyhal lehnte zudem ein "Einfrieren" des bewaffneten Konflikts mit Russland als inakzeptabel ab. Dies würde nur "zu einem weiteren grossen Krieg führen".
Sorge um mögliche neue Grossoffensive Russlands
Eine Prognose, wann dieser Krieg tatsächlich enden könnte, wagte an den drei Konferenztagen in München niemand. Es sei weise, "sich auf einen langen Krieg vorzubereiten", hatte Bundeskanzler
Tatsächlich könnte der Konflikt schon bald erneut an Dynamik gewinnen. Denn an diesem Freitag jährt sich der Überfall Russlands zum ersten Mal. Und wenige Tage vorher will Putin eine grössere Rede halten, in der er eine neue Grossoffensive ankündigen könnte.
Die Sicherheitskonferenz 2022 endete mit der offenen Frage: Kann ein russischer Angriff gegen die Ukraine noch abgewendet werden? Vier Tage später folgte die bittere Antwort: Russische Truppen marschierten in Richtung Kiew. Auch in diesem Jahr dürften die meisten Teilnehmer mit einem mulmigen Gefühl abgereist sein.
Konferenzleiter Heusgen beendete die Veranstaltung mit Zweckoptimismus. Er verwies darauf, dass der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, der die Eröffnungsrede per Videoschalte aus Kiew gehalten hatte, in Friedenszeiten auch wieder persönlich nach München kommen würde. "Wir hoffen alle, dass er nächstes Jahr wieder persönlich hier sein wird. Das würde bedeuten, der Krieg ist vorbei." (dpa/afp/thp)
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