• Die EU-Kommission will die Qualität der Luft verbessern und dafür die Grenzwerte für Schadstoffe senken.
  • Dafür erntet sie Kritik: Manchen geht der Schritt zu weit, anderen nicht weit genug.
  • Der Entwurf dürfte aber die Debatte um Fahrverbote neu entfachen.

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Die EU-Kommission will die Feinstaub-Belastung in der Luft deutlich senken und dürfte damit der Debatte über Auto-Fahrverbote neuen Schwung verleihen. Nach dem Willen der Brüsseler Behörde soll der Jahresgrenzwert für Feinstaub bis 2030 um mehr als die Hälfte gesenkt werden. Das schlug die EU-Kommission am Mittwoch in Brüssel vor.

Die Belastung durch Feinstaub mit einer Partikelgrösse von bis zu 2,5 Mikrometern soll demnach von 25 auf 10 Mikrogramm pro Kubikmeter reduziert werden. Der Jahresgrenzwert für Stickstoffdioxid (NO2) soll ab 2030 nur noch bei 20 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft liegen, statt wie bisher bei 40.

Kritiker warnen vor flächendeckenden neuen Fahrverboten

Kritik an dem Vorstoss der EU-Kommission kommt von allen Seiten. "Es ist nicht der richtige Zeitpunkt, jetzt einen solchen Vorschlag zu machen, der zu einer erneuten Diskussion über Fahrverbote führen wird", so der umweltpolitische Sprecher der christdemokratischen EVP-Fraktion, Peter Liese (CSU). Die Luft sei in den vergangenen 25 Jahren in Europa sehr viel besser geworden.

Die Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller, kritisierte: "Statt eines Überbietungswettbewerbs bei Grenzwerten und Vorgaben wäre es zielführender, gemeinsam die bereits vorhandenen zentralen Lösungsbausteine effizient zu nutzen und zu fördern."

Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union, Steffen Bilger, warnte vor einer Verschärfung der Grenzwerte für saubere Luft. In Deutschland würden "flächendeckend neue Fahrverbote" drohen, falls die Grenzwerte auf EU-Ebene an die Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) angepasst würden, erklärte er gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Die Bundesregierung müsse sich "solchen Plänen von Anfang an massiv widersetzen".

Der nun vorgestellte Entwurf der EU-Kommission nähert sich den Empfehlungen der WHO zwar an, geht aber nicht ganz so weit, wie diese zuletzt forderte. Seit vergangenem Jahr plädiert die WHO für nur noch fünf Mikrogramm Feinstaub, also ein Fünftel des derzeit erlaubten Wertes. Für Stickstoffdioxid sieht die WHO einen Höchstwert von 10 Mikrogramm vor.

Bundesregierung begrüsst Vorstoss der EU-Kommission

Mit Blick auf die Gesundheit der Menschen in Europa sieht die EU-Kommission eine Verschärfung der Grenzwerte hingegen als notwendig an. "Jedes Jahr sterben Hunderttausende Europäer vorzeitig und viele weitere leiden an Herz- und Lungenkrankheiten oder durch Umweltverschmutzung verursachte Krebserkrankungen", sagte EU-Kommissionsvize Frans Timmermans. "Je länger wir mit der Verringerung dieser Verschmutzung warten, desto höher sind die Kosten für die Gesellschaft."

Die Bundesregierung reagierte positiv auf den Vorstoss der Kommission, wie das Bundesumweltministerium (BMUV) mitteilte. "Aus Sicht des BMUV besteht angesichts neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse zu gesundheitlichen Auswirkungen der Luftverschmutzung insbesondere bei den Feinstaubgrenzwerten Handlungsbedarf, da bei diesem Schadstoff die gesundheitlichen Auswirkungen am stärksten sind" heisst es in einer Stellungnahme. Der Vorschlag müsse jetzt geprüft werden, später könne dann eine "formale Positionierung seitens der Bundesregierung zu Einzelfragen" erfolgen.

Auch die Deutsche Umwelthilfe (DUH) lobte den Vorstoss der Kommission, sagte aber auch: "Nur durch eine konsequente Verkehrswende, Aussperrung aller Dieselstinker und Halbierung der Zahl der Pkw in unseren Städten sowie weiteren Massnahmen in allen relevanten Sektoren wie Verkehr, Landwirtschaft und Holzfeuerung wird es möglich sein, die vorgeschlagenen Werte zu erreichen."

Dem Grünen-Europaabgeordneten Michael Bloss geht der Entwurf der Kommission dagegen nicht weit genug. Er fordert, WHO-Standards zu übernehmen "statt wachsweicher Ziele, die wissenschaftliche Empfehlungen ignorieren".

Neue Grenzwerte könnten zu weiteren Fahrverboten führen

Ob eine Verschärfung der Grenzwerte tatsächlich zu Fahrverboten in Städten führen wird, ist unklar. Der Vorschlag der EU-Kommission enthält keine konkreten Massnahmen, sondern legt lediglich Luftqualitätsstandards fest, die überall umgesetzt werden müssten. Zudem müssen das Europaparlament und die EU-Staaten nun noch darüber verhandeln.

Wie die Grenzwerte dann erreicht werden, ist Sache der EU-Länder. Ein Sprecher des Umweltministeriums verwies auf die Zuständigkeit der Kommunen. Die Bundesregierung selbst könne nicht über Fahrverbote entscheiden.

Weil Feinstaub aber zu einem grossen Teil im Autoverkehr und durch Heizungen entsteht, dürften Einschränkungen im Verkehr, sollten die Grenzwerte tatsächlich verschärft werden, wohl unumgänglich sein. Das zeigt auch der Fall München. Die bayerische Landeshauptstadt hält bislang nicht einmal den aktuellen EU-Grenzwert für Stickstoffdioxid von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter ein. Deswegen hatte der Stadtrat erst am Mittwoch die schrittweise Ausweitung und Verschärfung der Fahrverbote für alte Diesel beschlossen.

EU-Kommission will auch das Wasser besser schützen

Da der Entwurf der EU-Kommission ausserdem vorsieht, dass Menschen Schadenersatz fordern können, wenn die Grenzwerte nicht eingehalten werden und ihre Gesundheit leidet, warnte Judith Skudelny, Sprecherin für Umwelt- und Verbraucherschutz der FDP-Bundestagsfraktion, vor einer möglichen Flut an Klagen. "Durch neue Grenzwerte dürfen wir nicht Tür und Tor für neue Klagewellen gegen Städte und Kommunen eröffnen", erklärte sie.

Aber nicht nur die Luft, auch das Wasser soll nach dem Willen der EU-Kommission besser geschützt werden. Sie möchte die Liste der zu kontrollierenden Schadstoffe in Gewässern und Grundwasser um 24 Produkte erweitern, darunter Antibiotika und Pestizide wie Glyphosat.

Ausserdem sollen die Verursacher von Schadstoffen mehr in die Pflicht genommen werden. Das bedeutet, dass beispielsweise Produzenten von Kosmetika oder Medizin dafür zahlen müssen, wenn bei der Herstellung ihrer Produkte Schadstoffe Wasser verschmutzen. Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) nannte das einen lang ersehnten Paradigmenwechsel. (thp/dpa)

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