Annegret Kramp-Karrenbauer hat mit der Ankündigung, sich als Parteichefin zurückzuziehen und nicht als Kanzlerin zu kandidieren, für ein Beben in der CDU gesorgt. Ihr Parteivorsitz endet damit früh, absehbar war der Führungsverlust aber schon 2018. Eine Chronik.

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Paukenschlag in der CDU: Annegret Kramp-Karrenbauer (AKK) kündigt ihren Rückzug vom Parteivorsitz an, auch Spekulationen über eine mögliche Kanzlerkandidatur beendet sie. Damit zieht die CDU-Chefin Konsequenzen aus der Wahl von Thomas Kemmerich (FDP) in Thüringen.

Selbst für die engste Parteispitze kam ihre Ankündigung überraschend, hatte sie noch in einem Gespräch am Vortag gegenüber ihren Stellvertretern keine Rückzugspläne geäussert. Klar ist aber: Das Wahl-Debakel in Thüringen hat das Fass nur zum Überlaufen gebracht - gebröckelt ist ihre Autorität schon seit Langem.

Start der Nach-Merkel-Ära 2018

Es ist keine zwei Jahre her, dass in der CDU der Startschuss für die Nach-Merkel-Ära fiel. Im Oktober 2018 kündigte Kanzlerin Angela Merkel an, nicht mehr bei der Wahl zur Parteivorsitzenden anzutreten.

Ein Dreikampf zwischen Kramp-Karrenbauer, Friedrich Merz und Jens Spahn entbrannte, Kramp-Karrenbauer ging auf dem anschliessenden Bundesparteitag im Dezember 2018 mit einer absoluten Mehrheit von 517 der 999 abgegebenen Stimmen als Siegerin hervor.

Schnell folgten Witze und Wortspielereien über den unaussprechlichen Namen der einstigen Ministerpräsidentin des Saarlandes. Annegret Kramp-Karrenbauer wurde kurzerhand zu AKK – heute wohl eher die Abkürzung für "Aussergewöhnlich Kurze Karriere".

Bruch mit geübter Praxis

Durch ihre Wahl zur neuen Bundesvorsitzenden der grössten Partei Deutschlands wurde nicht nur das Ende der Ära Merkel eingeläutet, sondern auch mit einer bewährten Praxis gebrochen: Kanzlerschaft und Parteivorsitz waren damit getrennt. Bei ihrem Pressestatement am Montag machte AKK genau diesen Bruch für ihre schwache Führungsposition verantwortlich.

"Die Trennung von Kanzlerschaft und Parteivorsitz und die offene Frage der Kanzlerkandidatur schwächen die CDU in einer Phase, in der Deutschland auf eine starke CDU angewiesen ist", sagte AKK vor Pressevertretern im Konrad-Adenauer-Haus. Die beiden Ämter müssten künftig wieder in einer Hand liegen. Ihr Rückzug habe daher die Intention, die CDU zu stärken.

Sie wolle so lange Parteivorsitzende bleiben, bis eine Entscheidung über die Kanzlerkandidatur gefallen sei und dann das Amt in die entsprechenden Hände abgeben, so AKK.

Zustimmung schnell verspielt

Mit einem blossen Verweis auf die Trennung der Ämter macht es sich AKK aber zu leicht. Denn ihre anfangs grosse Zustimmung in der Partei verspielte sie schnell, teilweise selbstverschuldet. Anfang des Jahres gaben in einer Umfrage für "Focus Online" 72 Prozent der Befragten an, AKK hätte der CDU "eindeutig geschadet" oder "eher geschadet" - ein vernichtendes Urteil.

Der Machtverlust begann früh. Bereits im März 2019 trübte Kramp-Karrenbauer erstmals Hoffnungen, sie könne künftig die starke Frau in der CDU werden. Bei einer Karnevalssitzung im baden-württembergischen Stockach witzelte AKK über das dritte Geschlecht und fing sich damit Vorwürfe der Diskriminierung ein.

Anfänglicher Rückenwind

Trotzdem erhielt sie zu diesem Zeitpunkt noch Rückenwind aus den eigenen Reihen, sogar von ihrem ehemaligen Konkurrenten Jens Spahn. "Annegret Kramp-Karrenbauer hat die schwere Aufgabe gemeistert, die CDU nach einer äusserst knappen Entscheidung um den Parteivorsitz wieder zusammenzuführen", sagte Gesundheitsminister Spahn der "Welt am Sonntag" im Juni 2019.

Sie habe die Sprachlosigkeit überwunden, die in den letzten drei, vier Jahren in der Partei etwa bei der Migrationsfrage geherrscht habe. "Und sie hat mit Markus Söder CDU und CSU wieder versöhnt. Das sind grosse Verdienste." Auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt war sich sicher, dass AKK ein Gespür dafür habe, was die Bürger bewege.

Pannenserie blieb bestehen

Die "grossen Verdienste" stellte AKK spätestens Mitte 2019 wieder in den Schatten. Im Zuge der Europawahl riefen zahlreiche deutsche YouTuber gemeinsam gegen eine Wahl der Union auf, nachdem der YouTuber Rezo ein Video veröffentlicht hatte, in dem er die Politik der Unionsparteien scharf kritisierte.

AKK tappte ins nächste Fettnäpfchen: Der Aufruf sei "klare Meinungsmache vor der Wahl", vergleichbar mit einem Aufruf von 70 Zeitungsredaktionen, nicht CDU zu wählen. AKK forderte, mit "Meinungsmache" im Netz anders umzugehen – für ihre Kritiker ein Aufruf zur Einschränkung der Presse- und Meinungsfreiheit.

Bemüht, Debatten anzustossen

Auch wenn AKK sich immer wieder bemüht zeigte und Debatten über eine Wiedereinführung der Wehrpflicht, einen Nationalen Sicherheitsrat oder eine europäische Armee anstiess: Ihre Worte musste sie immer wieder erklären - und nach einigen Statements auch wieder zurückrudern.

In der Diskussion um eine Gleichstellung eingetragener Partnerschaften mit der Ehe äusserte sie Bedenken, eine "Heirat unter engen Verwandten oder von mehr als zwei Menschen", könne in der Folge nicht ausgeschlossen werden. Das ging selbst Parteikollege Jens Spahn zu weit, gemeinsam mit Politikern der SPD, Linken, Grünen und FDP warf er ihr vor, Homosexualität mit Polygamie oder Inzest verglichen zu haben.

AKK sorgte als Verteidigungsministerin für GroKo-Stress

Auch als Kramp-Karrenbauer im Juli 2019 Verteidigungsministerin, damit Nachfolgerin von Ursula von der Leyen, wurde, hagelte es Kritik. Denn noch bei ihrer Bewerbung als CDU-Chefin hatte sie den Parteivorsitz als absolute Priorität erklärt und beteuert: "Man darf um nichts in der Welt den Eindruck erwecken, man nutze ein solches Amt nur, um den nächsten Sprung ins nächste Staatsamt zu machen. Das wäre absolut fatal." Im Amt der Verteidigungsministerin will AKK nun trotz ihres Rückzuges als Parteichefin bleiben.

Aber auch in dieser Funktion unterliefen der studierten Politikwissenschaftlerin Fehler. Im Oktober 2019 schlug Kramp-Karrenbauer in Reaktion auf die türkische Militäroffensive die Einrichtung einer internationalen Sicherheitszone für Kurden in Nordsyrien vor - ohne Absprache mit Aussenminister Heiko Maas.

Weil der Vorstoss einen Paradigmenwechsel bedeutet hätte - weg vom Prinzip deutscher Zurückhaltung in der Aussenpolitik -, knirschte es in der Regierung umso mehr. Der Sprung von der Landesmutter zur Kanzlerkandidatin schien immer unrealistischer.

Schweres Erbe für ihren Nachfolger

Nun hat AKK also angekündigt, gar nicht erst springen zu wollen. Dass der FDP-Politiker Thomas Kemmerich in Thüringen mit Stimmen der CDU, FDP und AfD zum Ministerpräsidenten gewählt wurde, hat ein Übriges getan, die angekratzte Autorität von AKK weiter zu untergraben.

Denn auch in puncto Abgrenzung von der AfD hat sich AKK angreifbar gemacht: Zwar schloss sie eine Zusammenarbeit mit AfD und Linkspartei immer wieder aus, sah sich aber noch vor kurzem mit dem Vorwurf eines Herumeierns im Umgang mit dem früheren Verfassungsschutz-Chef Hans-Georg Maassen konfrontiert.

In einem Interview hatte sie zunächst ein mögliches Parteiausschlussverfahren ins Spiel gebracht, diese Aussage aber später revidiert.

Wer steht in den Startlöchern?

Alles steht wieder auf Anfang. Ein Blick in die Historie der CDU-Parteivorsitzenden zeigt: Ähnlich kurze Amtszeiten haben von den acht Parteivorsitzenden nur Ludwig Erhard (66-67), Rainer Barzel (71-73) und Wolfgang Schäuble (98-2000) vorzuweisen.

Die drängendsten Fragen liegen bereits auf dem Tisch: Wer folgt AKK nach? Wie verhalten sich Merz, Spahn und NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, denen immer wieder Ambitionen unterstellt werden? Die Zukunft der Partei ist ungewiss, feststeht nur: Annegret Kramp-Karrenbauers Erbe wird kein einfaches sein.

Verwendete Quellen:

  • Pressekonferenz aus dem Konrad-Adenauer-Haus am 10.Februar
  • Welt.de: Merkel hatte es eiliger, als alle Beobachter dachten
  • Spiegel.de: "Sie macht vieles richtig"
  • Kommentar von AKK zu Gleichstellung von eingetragenen Partnerschaften und Ehe
  • Saarbruecker-Zeitung.de: "Und dann die Forderung nach Heirat von mehr als zwei Menschen?"
  • RND.de: Syrien-Vorstoss von AKK - Chronik eines Paradigmenwechsels
  • Merkur.de: Schadet sie der CDU? Krachende Umfrage-Pleite für AKK
Annegret Kramp-Karrenbauer, Rücktritt

AKK verzichtet auf Kanzlerkandidatur und will bald CDU-Vorsitz abgeben

Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer will nicht Kanzlerkandidatin der Union werden und den CDU-Vorsitz in absehbarer Zeit abgeben. Das soll sie laut Parteikreisen in einer CDU-Präsidiumssitzung mitgeteilt haben. Erst am 7. Dezember 2018 war sie zur CDU-Parteichefin gewählt worden.
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