Angela Merkel will nicht noch mehr Zäune in Europa. Denn in den Augen der Bundeskanzlerin würde insbesondere eine Grenzschliessung zwischen Deutschland und Österreich zu Verwerfungen und im schlimmsten Fall sogar zu militärischen Konflikten auf dem Balkan führen. Doch wie gross ist die Gefahr einer solchen Eskalation wirklich?

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175 Kilometer lang, bis zu vier Meter hoch und voll von rasiermesserscharfen Klingen ist der Stacheldrahtzaun, mit dem Ungarn im September die Grenze zu Serbien dicht gemacht hat. Damit ist auch die bisherige Hauptroute für die Flüchtlinge unterbrochen.


Auch in Bayern besteht die Hoffnung, mit einem Zaun zu Österreich den Flüchtlingsstrom zu verringern. Doch diese Hoffnung hat die Kanzlerin bei einem CDU-Treffen in Darmstadt zunichte gemacht. "Es wird zu Verwerfungen kommen", warnte sie.

Schon jetzt gibt es Spannungen

Schon jetzt gebe es auf dem Westbalkan wieder erhebliche Spannungen unter den Ländern. Deshalb habe sie um eine Konferenz zur Flüchtlingsroute gebeten.

"Ich will nicht, dass dort wieder militärische Auseinandersetzungen notwendig werden", sagte Angela Merkel und erteilte damit dem Versuch, sich abzuschotten, eine deutliche Absage.

Reibungen zwischen den Balkanstaaten

Tatsächlich gibt es seit der Grenzschliessung Reibungen zwischen den Balkanstaaten. Die ungarische Anlage hat dazu geführt, dass die meisten Flüchtlinge auf Routen durch andere Länder ausgewichen sind. Vor allem Bulgarien und Rumänien haben als Transitzonen an Bedeutung gewonnen.

Ein Grossteil der Asylsuchenden gelangt jedoch durch Bosnien-Herzegowina nach Kroatien und von dort über Slowenien und Südösterreich weiter nach Deutschland. Der Zaun hat den Zustrom verzweifelter Menschen also nicht gestoppt, sondern nur verlagert.


Die kurzzeitige provisorische Sperre zwischen Ungarn und Slowenien musste die Regierung in Budapest nach heftigem Protest wieder abbauen lassen, da Grenzen im Schengen-Raum unzulässig sind.

Doch Premier Viktor Orban hat sich bereits um Ersatzmassnahmen gekümmert, die die Durchlässigkeit seines Landes weiter einschränken: Inzwischen patrouillieren Tausende von Soldaten in den Grenzgebieten. Richtung Serbien unterstützt sogar das Militär aus den Nachbarländern Tschechien und Slowakei die Aktion.

Von Handgreiflichkeiten zum offenen Konflikt

In der Slowakei, Tschechien und Polen sind temporäre Grenzkontrollen längst Normalität. Auch in Österreich blieb es bislang nicht nur bei einem Hilfseinsatz des Bundesheeres. Streitkräfte abzustellen und Sperranlagen zu ziehen, um Flüchtlinge abzuwehren – ein solches Vorgehen ist der Kanzlerin nicht geheuer.

Es gehe schneller als man denke, sagte Angela Merkel, dass aus Streit Handgreiflichkeiten würden und sich daraus dann Konsequenzen ergäben, die niemand wolle.

Aber nicht nur militärische Handlungen könnten einen Konflikt eskalieren lassen, wie die diplomatischen Auseinandersetzungen zwischen Ungarn und Serbien vor zwei Monaten beweisen.

Weil er Serbien als sicheres Herkunftsland betrachtet, kündigte Orban an, auch diejenigen Flüchtlinge dorthin abzuschieben, die in Ungarn Asyl suchen wollen.

Serbien erklärte hingegen, es würde in dieser Sache nur das Rückführungsabkommen anerkennen. Daraufhin kam es zu gewalttätigen Ausschreitungen an der serbisch-ungarischen Grenze und einer 30-tägigen Grenzsperrung.

Merkels Sorgen sind berechtigt

Balkan-Expertin Alida Vracic von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin hält Merkels Sorge bezüglich militärischer Konflikte für berechtigt. "Die Region ist insbesondere wirtschaftlich nicht in der Lage, die Flüchtlinge angemessen zu versorgen, weil sie mit sich selbst genug zu tun hat", erklärt Vracic.

Die 17 Millionen Euro, die etwa Beitrittskandidat Serbien von der EU bekommen hat, seien laut Vracic zu wenig - angesichts Tausender Flüchtlinge, die jeden Tag dort ankommen. Auch der nahende Winter erschwere die Situation vor Ort zunehmend.

"Im Sommer konnten die Leute im Zweifel auch draussen schlafen, wenn es nicht genug Platz in den Unterkünften gab. Jetzt geht das nicht mehr."

"Aggressive Rhetorik kein gutes Omen"

Während die Flüchtlingsfrage in Kroatien, wo in wenigen Tagen ein neues Parlament gewählt wird, zum Wahlkampfthema aufgestiegen ist, sorgt sie auch aussenpolitisch unter den Balkan-Staaten für Zerwürfnisse. Selektive Finanzspritzen der EU sind nur ein Aufreger.

"Der Balkan ist voller ungelöster Angelegenheiten. Ein so gewaltiger Flüchtlingsstrom kann deshalb eine vergleichsweise instabile Gegend noch weiter belasten", fasst Balkan-Expertin Vracic zusammen. Ein unmittelbaren Konflikt sei zwar noch nicht zu erwarten, aber als gutes Omen könne eine aggressive Rhetorik wie in Kroatien sicherlich auch nicht gelten.

"Was man den Balkan-Staaten zugute halten muss", resümiert Vracic, "ist, dass sie die Situation relativ gut meistern. Zumindest gab es – anders als in Ungarn – keine grobe Menschenrechtsverletzung."

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