298 Todesopfer, viele offene Fragen: Die über dem Osten der Ukraine abgestürzte Maschine der Malaysia Airlines gibt noch immer Rätsel auf. Am Dienstag soll ein erster Untersuchungsbericht veröffentlicht werden. Kann er die Schuldfrage klären?
Mitte Juli ereignete sich eines der dramatischsten Unglücke der Luftfahrtgeschichte: Der Malaysia-Airlines-Flug MH17 stürzte auf dem Weg von Amsterdam nach Kuala Lumpur plötzlich über dem Osten der Ukraine ab. Alle 298 Passagiere an Bord kamen ums Leben. Vieles deutet darauf hin, dass das Flugzeug abgeschossen wurde. Wie, von wem und ob absichtlich oder aus Versehen – diese zentralen Fragen sind auch sieben Wochen nach dem Absturz noch nicht geklärt.
Etwas Licht ins Dunkel könnte am 9. September kommen: Dann soll ein erster vorläufiger Untersuchungsbericht veröffentlicht werden. Das teilte die niederländische Untersuchungsbehörde "Dutch Safety Board" (DSB) mit. Die Holländer hatten auf Bitten der Ukraine die Leitung bei der Suche nach der Absturzursache übernommen. Immerhin stammte ein Grossteil der Passagiere aus den Niederlanden. An den Ermittlungen sind zehn weitere Länder beteiligt, unter anderem Malaysia, Russland, die USA und Deutschland.
Kämpfe an der Unglücksstelle erschweren die Ermittlungen
Der Bericht soll laut DSB die bislang gewonnenen Erkenntnisse über die Ursache und den Ablauf der Ereignisse rund um das Unglück enthalten. Dazu haben die Ermittler verschiedene Quellen wie Flugschreiber, Satellitenbilder und Radarinformationen ausgewertet und die Informationen miteinander verglichen, um ein möglichst akkurates Bild der Geschehnisse zu bekommen.
Normalerweise soll so ein vorläufiger Untersuchungsbericht innerhalb von zwei bis vier Wochen nach einem Unglück erscheinen. Im Fall von Flug MH17 hat es doppelt so lange gedauert. Dieser Umstand hat zu wilden Spekulationen und Verschwörungstheorien geführt: Vorwürfe wurden laut, die Holländer hielten die Informationen zurück, weil sie nicht ins Bild der Nato passen würden.
Tatsächlich dürften andere Gründe eine Rolle gespielt haben, warum nicht eher Informationen an die Öffentlichkeit gegeben wurden: Zum einen wurden die Untersuchungen erschwert, weil die Ermittler aufgrund der anhaltenden Kämpfe und der unsicheren Lage keinen oder nur sehr kurz Zugang zur Unglücksstelle hatten. Zum anderen schreibt eine internationale Richtlinie vor, dass nur Informationen aus dem Flugschreiber veröffentlicht werden dürfen, die relevant für den Absturz sind – sie herauszugeben, bevor die Ursachen geklärt sind, verbietet sich also.
Der Abschlussbericht wird erst in einem Jahr erwartet
Die Lage in der Ukraine ist noch immer extrem angespannt. Unter diesen Umständen ist verständlich, wenn die Ermittler auf Nummer sicher gehen wollen, bevor sie Informationen publik machen, die den Konflikt weiter anheizen könnten.
So oder so: Wer endgültige Antworten von dem Bericht erwartet, wird enttäuscht werden. Die DSB hat in verschiedenen Mitteilungen klargemacht, dass sie die Absturzursache untersucht, warum die Route über das Konfliktgebiet gewählt wurde und wieso die Passagierliste nicht sofort vollständig zur Verfügung stand. Was sie nicht liefern wird, ist ein Kommentar zur Schuldfrage. Bislang schieben die Konfliktparteien die Verantwortung für den vermutlichen Abschuss von der einen zur anderen Seite. Die ukrainische Regierung beschuldigt pro-russische Rebellen, das Flugzeug vom Boden aus mit einer Rakete abgeschossen zu haben. Aus Russland werden Unterstellungen laut, ein ukrainischer Jet habe die Maschine getroffen.
Nach dem 9. September werden die Untersuchungen weiter gehen – etwa ein Jahr nach dem Absturz soll ein Abschlussbericht erscheinen. Das dauert unter anderem solange, weil weitere Daten ausgewertet werden müssen und der Bericht vor Veröffentlichung zwischen allen beteiligten Ländern abgestimmt werden muss.
Doch selbst wenn die Ermittler klären können, ob tatsächlich eine Rakete die Ursache für den Absturz war und ob sie aus der Luft oder vom Boden kam – wer dafür verantwortlich war, lässt sich wohl nie mehr abschliessend klären.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.