Frankreich will den Bau der von Präsident Emmanuel Macron angekündigten, neuen Atomreaktoren beschleunigen.
Die Nationalversammlung soll am späten Dienstagnachmittag endgültig über ein Gesetz abstimmen, das den Abbau bürokratischer Hürden für die neuen Reaktoren vorsieht. Sie sollen in der Nähe bereits bestehender Atomkraftwerke gebaut werden. Dafür sollen die Genehmigungsverfahren abgekürzt werden. Es wird damit gerechnet, dass es dafür eine Mehrheit gibt.
Das Gesetz soll zudem das seit 2015 geltende Ziel abschaffen, den Anteil von Atomstrom bis 2035 von ursprünglich mehr als 70 bis auf 50 Prozent herunterzufahren. Ausserdem soll die zum selben Zeitpunkt beschlossene Höchstgrenze für Atomstrom gekippt werden, die bislang bei 63 Gigawatt lag. Dies würde den Weg für den Neubau von Reaktoren freimachen.
Atomkraftgegner verweisen darauf, dass eine solche politische Wende nicht in einem eher technischen Gesetz untergebracht sein sollte, sondern einer öffentlichen Debatte bedürfe. Ein Gesetz zur Energieversorgung der kommenden Jahre und zum geplanten Strommix ist im Sommer geplant. Die Umweltorganisation Greenpeace wirft Frankreich vor, den Neustart der Atomindustrie "mit Gewalt durchzusetzen".
Energieministerin Agnès Pannier-Runacher empfängt am Dienstag zudem die Vertreter einer europäischen Pro-Atom-Allianz, an der 16 Länder beteiligt sind, unter anderem Belgien, Polen und Schweden. Italien ist als Beobachter eingeladen und Grossbritannien als Sondergast. Auch die EU-Energiekommissarin Kadri Simson wird erwartet.
Ziel sei der Aufbau einer unabhängigen, europäischen Wertschöpfungskette, betont Frankreich. Das französische Unternehmen Orano will daher in Tricastin künftig verstärkt angereichertes Uran produzieren, um weniger aus Russland importieren zu müssen.
Die französische Produktion von Atomstrom hatte im vergangenen Jahr unter zahlreichen abgeschalteten Reaktoren gelitten. Der alternde Atompark hatte so wenig produziert wie seit drei Jahrzehnten nicht. Im März waren erneut Risse in Leitungen des Notkühlsystems an mehreren Reaktoren bekannt geworden, die deutlich tiefer waren als die zuvor bereits bekannten Risse.
Macron hatte im Februar 2022 die Wende zu einem erneuten Ausbau des Atomparks angekündigt. Er will noch während seiner Amtszeit das Fundament legen lassen für die ersten beiden von sechs geplanten neuen Atomreaktoren, die in Penly am Ärmelkanal entstehen sollen. Macron begründet die Atomwende damit, dass Atomkraft emissionsarm sei und zur unabhängigen Energieversorgung des Landes beitrage.
Atomkritiker verweisen darauf, dass Frankreich etwa die Hälfte des für die Atomkraftwerke benötigten Urans aus Kasachstan und Usbekistan importiert. Der Transport wird nach Angaben von Greenpeace weiterhin vom russischen Unternehmen Rosatom kontrolliert. © AFP
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