- Am 24. April 2022 wählt Frankreich sein neues Staatsoberhaupt. Wie im Jahr 2017 stehen sich Emmanuel Macron und Marine Le Pen in der Stichwahl gegenüber.
- Aus dem TV-Duell ging Macron als Gewinner hervor. Doch was kommt auf Frankreich und Europa zu, sollte doch Marine Le Pen gewinnen?
- NATO-Austritt, EU-Ersatz und das Ende deutsch-französischer Rüstungsprojekte: Wird Le Pen Präsidentin, steht nahezu alles zur Disposition.
Im ersten Wahlgang am 10. April stimmten 28 Prozent der Franzosen für den scheidenden Präsidenten Emmanuel Macron, 23 Prozent für die Herausforderin
Gewinnt Emmanuel Macron erneut, würde sich auf aussenpolitischer Ebene wenig ändern. Er müsste vor allem seine Innenpolitik hinterfragen und geplante Reformen, wie zum Beispiel die Erhöhung des Renteneintrittsalters, überdenken, um erneute Gelbwesten-Proteste zu verhindern.
Aus dem grossen TV-Duell vor der Frankreichwahl am Mittwochabend ist Macron nach ersten Umfragen als Gewinner mit klarem Vorsprung hervorgegangen. Doch was kommt auf Frankreich und Europa zu, sollte doch Marine Le Pen gewinnen?
In ihrem Wahlprogramm macht Le Pen es deutlich: Die Präsidentschaftskandidatin will "den Franzosen Frankreich zurückgeben" und die französische Kaufkraft ankurbeln. Denn die ist ihrer Meinung nach durch zwei "unerwünschte Elemente" geschwächt: Migration und die EU-Partner.
Frankreich-Politik: Migrations-Stopp, neue Verfassung und Steuersenkung
Ihr Plädoyer ist einfach: Sie will mehr Geld in Frankreichs Kassen spülen. Auf innenpolitischer Ebene will sie dafür an zwei Schrauben drehen. Die erste: Migrationspolitik.
Marine Le Pen will im Falle eines Wahlsieges die Verfassung anpassen. Sie würde eine "Nationalpräferenz" einführen, die Personen mit französischer Staatsbürgerschaft auf dem Arbeits-und Wohnungsmarkt Vorteile gegenüber Ausländern und Migranten verschafft, und den Bürgern per Referendum ein Entscheidungsrecht in Migrationsfragen einräumen. So sollen beispielsweise die französischen Staatsbürger festlegen dürfen, "wer Frankreich bevölkern und wer Franzose werden darf."
Ausserdem fordert sie neben einer Verschärfung der Einbürgerungskriterien auch die Abschaffung der Familienzusammenführung und des Geburtsortprinzips, das in Frankreich geborene Kinder ausländischer Eltern zu französischen Staatsbürgern macht. Diese Massnahmen sollen in Verbindung mit der Kürzung beziehungsweise Streichung von Sozialleistungen für Ausländer und Migranten ein Budget von angeblich 16 Milliarden Euro zur Verfügung stellen.
Der zweite Handgriff: Eine signifikante Steuerentlastung. Le Pen verspricht ihren Wählern als erste Amtshandlung, die Mehrwertsteuer für Strom, Gas und Heizöl von 20 auf 5,5 Prozent zu reduzieren.
Marine Le Pen: NATO-Austritt, EU-Ersatz und Putin-Annäherung
Auch wenn Marine Le Pen von ihren Frexit-Plänen und dem Euro-Ausstieg seit 2017 Abstand genommen hat, würde sich Frankreich unter ihrer Führung vom wichtigsten Partner Deutschlands und Motor Europas zur Bremse einer gemeinsamen politischen Linie entwickeln.
Le Pens Aussenpolitik steht unter der Prämisse: Frankreich zuerst. Sie will Brüssel schwächen und Paris stärken. Zu einer "souveränen nationalen Verteidigungsdiplomatie" gehört für die Vorsitzende der Partei Rassemblement Nationale nicht nur der Austritt aus der NATO. Mit einem Konstrukt, das sie "Europäische Allianz der Nationalstaaten" nennt, will sie die EU schrittweise ersetzen. Potenzielle Partner für dieses Projekt scheint sie im ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán und Ex-Innenminister Italiens Matteo Salvini gefunden zu haben – beides Putinversteher.
Auch eine direkte Annäherung Frankreichs an
Klima-Rückschritt und Bruch mit Deutschland
Ein Wahlsieg Marine Le Pens würde für den Klimaschutz und die Energiewende einen enormen Rückschritt bedeuten. Zwar hat die Kandidatin einen Plan zur Sanierung von Altbauten vorgelegt. Ansonsten plädiert sie aber für den Ausbau von Nuklearenergie und Wasserstoff und für den Stopp von Windkraft. Nicht nur das: Sie verspricht ihren Wählern auch den Abbau bereits bestehender Anlagen. Aus dem Pariser Klimaabkommen wolle sie zwar nicht aussteigen, doch Marine Le Pen betonte mehrfach, dass Klimapolitik "keine Priorität" sei.
Aber nicht nur mit der EU hat sie ihre Probleme, speziell mit Deutschland gäbe es laut Marine Le Pen "unüberwindbare Meinungsverschiedenheiten". Bereits im Sommer 2021 sagte die RN-Vorsitzende, dass Berlin nicht der richtige Partner für Paris sei.
Bei ihrer Pressekonferenz am 13. April in der französischen Hauptstadt, bei der sie ihr aussenpolitisches Programm präsentierte, fand die Präsidentschaftskandidatin nochmal deutliche Worte: Marine Le Pen wirft Deutschland vor, für "die absolute Verneinung der französischen strategischen Identität" zu stehen und die französische Atomindustrie "zerstören" zu wollen.
Wegen "unvereinbarer strategischer Differenzen" würde sie als Präsidentin daher alle gemeinsamen Rüstungsprojekte beenden. Ausserdem wirft sie Emmanuel Macron vor, die französischen Interessen gegenüber Berlin nicht genug verteidigt zu haben. Das will sie nun aufholen.
Verwendete Quellen:
- Wahlprogramm Marine Le Pen
- francetvinfo.fr: Video zum TV-Auftritt Le Pens
- IFOP.com: Umfragewerte der Wahlen (Stimmen und Enthaltung)
- Offizielle Website der Kampagne Marine Le Pens
- Bündnis Le Pen, Orbàn, Salvini (touteleurope.eu)
- Rencontre Orbán-Salvini : la tentation d'une grande alliance nationaliste européenne
- LeMonde: L’extrême droite européenne signe une déclaration commune autour d’Orban, Salvini et Le Pen, mais sans s’unir au Parlement
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