Erneut verurteilte ein türkisches Gericht Journalisten wegen ihrer Berichterstattung zu mehrjährigen Haftstrafen. Im Vergleich zu vergangenen, ähnlich gelagerten Fällen fielen die Urteile milde aus. Den Angeklagten hatte lebenslange Haft gedroht.
Im Prozess gegen elf Journalisten der von der türkischen Regierung geschlossenen Tageszeitung "Zaman" sind in Istanbul teilweise überraschend milde Urteile ergangen. Fünf Angeklagte wurden freigesprochen, wie aus den dpa vorliegenden Gerichtsunterlagen am Freitag hervorging. Die anderen sechs Journalisten, darunter der bekannte Kolumnist Sahin Alpay, verurteilte der Richter aber zu bis zu zehneinhalb Jahren Gefängnis. Den Angeklagten hatten sogar lebenslange Haftstrafen gedroht.
Zweifel an Unabhängigkeit
Das Internationale Presse-Institut twitterte nach der Entscheidung, die "dünne Anklage und die lange Untersuchungshaft" demonstrierten, dass die Türkei noch kein Rechtsstaat sei.
"Zaman" war eine der grössten Tageszeitungen der Türkei und das wichtigste Medium der Gülen-Bewegung. Die Regierung macht die Bewegung des Predigers Fethullah Gülen für den Putschversuch 2016 verantwortlich. Die Staatsanwaltschaft warf den Zeitungsmitarbeitern unter anderem "Mitgliedschaft in einer Terrororganisation" vor.
"Zaman" war bereits im März 2016 unter staatliche Zwangsaufsicht gestellt worden. Nach dem gescheiterten Putsch machte die Regierung das Blatt mit vielen anderen Medien per Notstandsdekret ganz dicht.
Dutzende Journalisten in Haft
Nach Angaben von Menschenrechtsgruppen sitzen Dutzende Journalisten in türkischen Gefängnissen. Die meisten sind seit dem Putschversuch verhaftet worden. Die einjährige Inhaftierung des "Welt"-Reporters Deniz Yücel bis Februar hatte die Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei schwer belastet. (mc/dpa)
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