Der Machtkampf um die Nachfolge von Angela Merkel wird hitziger. Armin Laschet und Markus Söder führen inzwischen ein offenes Fernduell. Am Ende könnte Friedrich Merz der lachende Dritte werden. Eine Zahl markiert seine erstaunlich grossen Chancen.
Ginge es nach der aktuellen Mehrheitsmeinung in Deutschland, dann würde
Auf Platz zwei der jüngsten Umfrage folgt
Im März galt Laschet noch als Favorit für den CDU-Vorsitz
Die miserablen Umfragewerte für Laschet sorgen in der CDU zusehends für Nervosität. Eigentlich war der nordrhein-westfälische Ministerpräsident im März als Favorit für den CDU-Vorsitz und die Kanzlerkandidatur gestartet. Er hatte den linken Flügel der Partei, das Merkel-Lager und viele CDU-Spitzenvertreter auf seiner Seite. Er galt mit seiner rheinisch-versöhnenden Art als der ideale Brückenbauer einer grosskoalitionären Republik, er konnte mit
Laschet bekam mit der Coronakrise schliesslich sogar die grosse Chance zur nationalen Profilierung. Doch während
Viele hatten sich schon auf Laschet eingestellt, nun sortiert sich die Partei neu, einige wollen Jens Spahn ermutigen, im Tandem mit Laschet nun den Lenker zu übernehmen. Andere würden Angela Merkel am liebsten überreden, doch noch einmal anzutreten. Die Unruhe ist in den vergangenen Tagen so gross geworden, dass die CDU-Führung nun dringend zur Disziplin aufruft: Man dürfe mit einem CDU-Erbfolgetheater die guten Umfragewerte der Union nicht ruinieren.
CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer warnt offen vor einer Eskalation der Lage in der Sommerpause. "Das Letzte, was wir jetzt brauchen, ist, dass sich die Kandidaten im parteiinternen Wahlkampf zerfleischen", mahnt auch der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans.
Markus Söder geht als Sieger aus der Coronakrise hervor
Dabei hat genau das bereits begonnen. Denn spiegelbildlich zum Niedergang Laschets hat sich der Aufstieg Söders vollzogen. Der CSU-Chef hat seinen nordrhein-westfälischen Konkurrenten in der Rolle des starken Krisenmanagers schlichtweg geschlagen. Auch innerhalb der CDU gewinnt er zusehends an Rückhalt. Selbstbewusst verkündet Söder daher: "Nur wer Krisen meistert, wer die Pflicht kann, der kann auch bei der Kür glänzen."
Laschet und Söder verhalten sich zueinander mittlerweile so wie Borussia Dortmund und Bayern München - in herzlicher Abneigung und giftigem Wettbewerb. Immer offener werden rhetorische Schüsse aufs gegnerische Tor abgefeuert, fliegen Flanken mit vergifteten Komplimenten zwischen NRW und Bayern hin und her, versteckte Fouls sollen den Gegner aus dem Tritt bringen, das politische Spiel der Kanzleranwärter wird nickliger und ruppiger.
Wo Laschet ein Führungs- und Umfrageproblem hat, besteht Söders Handicap in einer Verfahrensfrage. Gäbe es einen gemeinsam Krönungsparteitag von CDU und CSU, dann wäre ihm die Kanzlerkandidatur bei derzeitiger Stimmungslage kaum zu nehmen. Tatsächlich aber gibt es im Dezember nur einen CDU-Parteitag, auf dem der neue Vorsitzende gewählt wird. Der aber wird kein Steigbügelhalter für Söder sein können (auch wenn Norbert Röttgen sich in dieser Rolle übt). Dafür ist die CDU zu gross, zu stolz und zu mächtig.
Wenn also Merz oder Laschet zum neuen Vorsitzenden mit Kanzlerpotential gewählt werden, wieso sollte einer der beiden hernach der viel kleineren CSU den Vortritt lassen? Das ginge nur, wenn der neue CDU-Vorsitzende miserable Umfragewerte, also schlechte Wahlchancen hätte. Den aber würde die CDU erst gar nicht zum Vorsitzenden wählen. Dieses Szenario lastet fatal auf Laschet.
Friedrich Merz könnte der lachende Dritte werden
Damit wird eine Konstellation wahrscheinlicher, dass im Streit zwischen Laschet und Söder am Ende ein lachender Dritter als Überraschungsgewinner hervortreten könnte: Friedrich Merz. Der CDU-Wirtschaftspolitiker hält sich aus den Streitereien bislang geschickt heraus, er war in der Coronakrise notgedrungen sogar abgetaucht.
Nun aber kommt er mit Macht zurück, weil die Sorgen vor einer gewaltigen Rezession grösser werden und sein Part als Wirtschaftsexperte plötzlich wieder gefragt ist. Merz liegt in Umfragen klar vor Laschet, besetzt zugleich den strategischen Zielpunkt des Wahlkampfs - eine schwarz-grüne Regierung 2021.
Manches an Merz erinnert an Sebastian Kurz in Österreich. Beide treten in ihren Parteien als souveräne Solitäre gegen das Partei-Establishment auf, beide verfügen über klare bürgerliche Profile, beide sind Projektionsflächen für Erneuerungssehnsüchte, beide sind aber offen für schwarz-grünen Pragmatismus.
In der Führung von CDU und CSU wird Merz - auch das ähnelt der Kurz-Geschichte - gleichwohl unterschätzt, weil ihm der Rudelgeruch der jüngsten Profijahre fehlt. Schon vor zwei Jahren war das so, als Merz gegen Spahn und AKK antrat. Damals deklassierte er den hochgelobten Spahn und scheiterte nur hauchdünn gegen AKK. Merz holte dabei - das betonen seine Unterstützer immer wieder - trotz massiver Mobilisierung des Merkel-Lagers die Hälfte des CDU-Parteitages.
Alle diejenigen, die ihn vor zwei Jahren gewählt haben, werden dies nun erst recht tun. Merz startet diesmal also bei 48,3 Prozent. Diese Zahl markiert das unterschätzte Merz-Potential in der CDU. Sollte Laschet - so angeschlagen wie jetzt im Sommer - tatsächlich in die Kampfkandidatur ziehen, dann hätte Merz grösste Chancen zu gewinnen. Jeder weitere Schlagabtausch zwischen Söder und Laschet kann ihm also nur recht sein.
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