Vor Israels drohender Bodenoffensive in Rafah kommen die Verhandlungen um eine Feuerpause ins Stocken. Ein UN-Vertreter befürchtet ein Gemetzel – ein Überblick über die Geschehnisse.
Im Gaza-Krieg haben die Bemühungen um eine neue Feuerpause und Freilassung der Geiseln einen Rückschlag erlitten. Israels Ministerpräsident
Angehörige der Geiseln in der Gewalt der Hamas reagierten "fassungslos" und sprachen von einem "Todesurteil". Unterdessen reisst die Kritik an Israels geplanter Militäroffensive auf Rafah im Süden Gazas nicht ab. Bundesaussenministerin
USA sprechen mit Israel über Schutzkonzept für Rafah
Die US-Regierung führt nach eigenen Angaben "intensive Gespräche" mit der israelischen Führung über ein Schutzkonzept für die Zivilbevölkerung in Rafah. Der Sprecher des US-Aussenministeriums, Matthew Miller, sagte: "Wir haben sowohl öffentlich als auch persönlich verdeutlicht, dass wir keine Militäroperation in Rafah unterstützen können, bis Israel einen humanitären Plan entwickelt hat, der umgesetzt werden kann und umgesetzt wird." Es seien "intensive Gespräche, die wir gerade mit der israelischen Regierung im Detail führen", sagte Sicherheitsberater Jake Sullivan. An Spekulationen darüber, wie das Schutzkonzept am Ende aussehe, wolle man sich aber nicht beteiligen, sondern abwarten und sich dann mit Israels Regierung austauschen, sagte Miller.
Netanjahu hatte dem Militär in der vergangenen Woche den Befehl erteilt, der Regierung Pläne für eine Offensive in Rafah sowie für die Evakuierung der dortigen Bevölkerung vorzulegen. Es gehe darum, dort die letzten Kampfeinheiten der Hamas zu zerschlagen, sagte Netanjahu. Die Ankündigung sorgte international für heftige Kritik. "Die israelische Regierung kann diese Aufrufe nicht länger ignorieren", hiess es in einer Erklärung von UN-Nothilfekoordinator Griffiths. Der Chef des UN-Palästinenserhilfswerks UNRWA sieht keine Möglichkeit, Menschen aus Rafah zu evakuieren. "Evakuierung wohin? Es gibt keinen sicheren Ort in Gaza", sagte Philippe Lazzarini der "Neuen Zürcher Zeitung" (Donnerstag).
Baerbock ruft zu Feuerpause auf
Aussenministerin Baerbock rief zuvor bei ihrem Besuch in Israel zu einer erneuten Feuerpause in dem Krieg auf. Diese würde ein Zeitfenster eröffnen, "um die Geiseln freizubekommen und um mehr humanitäre Hilfe hineinzubekommen", sagte Baerbock am Mittwoch. Die Ministerin rief nach Gesprächen in Jerusalem die Kriegsparteien dazu auf, einen Vorschlag Katars und Ägyptens für eine Feuerpause und Freilassung weiterer Geiseln anzunehmen. Israels Regierungschef verlangt jedoch vor weiteren Verhandlungen ein Einlenken der Hamas. "Ich bestehe darauf, dass die Hamas ihre wahnhaften Forderungen aufgibt. Wenn sie dies tut, werden wir in der Lage sein, voranzukommen", sagte Netanjahu am Mittwochabend.
Ranghohe Vertreter aus den USA, Israel, Katar und Ägypten hatten am Vortag in Kairo keine Einigung erzielt, sich aber auf eine Verlängerung der Gespräche auf niedrigerer Beamtenebene um drei Tage verständigt, wie die "New York Times" unter Berufung auf einen ägyptischen Beamten berichtete. Die israelische Delegation unter Leitung des Chefs des Geheimdienstes Mossad, David Barnea, reiste indes am Abend aus Kairo wieder ab. "In Kairo wurde kein neuer Vorschlag der Hamas für die Freilassung unserer Geiseln übermittelt", sagte Netanjahu. Er vertritt laut israelischen Medien den Standpunkt, dass eine Rückkehr zu den Gesprächen in Kairo keinen Sinn mache, solange die Hamas die Freilassung einer grossen Zahl von palästinensischen Häftlingen im Gegenzug für die Geiseln fordere.
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Hamas schickt Delegation nach Kairo
Aus Hamas-Kreisen verlautete dagegen, es sei Israel, das die Verhandlungen nicht vorantreibe. Eine Delegation der Hamas sei nun in Kairo. Israelische Beamte hätten deutlich gemacht, dass die Armee die geplante Offensive auf Rafah im Süden des Küstenstreifens bald starten werde, wenn die Hamas nicht mit einem Vorschlag an den Verhandlungstisch zurückkehre, den Israel für vernünftiger hält, zitierte die Zeitung "Wall Street Journal" eine Person, die mit Israels Position vertraut sei. Die Menschen in Rafah benötigten "sichere Orte und sichere Korridore, um nicht noch weiter ins Kreuzfeuer zu geraten", sagte Baerbock. Die Menschen in Rafah könnten sich "nicht einfach in Luft auflösen", sagte sie bei ihrem fünften Besuch in Israel seit dem Terrorangriff der Hamas in Israel am 7. Oktober. Es müssten mehr Grenzübergänge geöffnet werden, damit mehr Hilfsgüter und Medikamente eingeführt werden könnten, sagte Baerbock. Die UN-Mitarbeiter müssten sich ausserdem auf Sicherheitsgarantien verlassen können, um weiterhin Hilfsgüter verteilen zu können. Am Donnerstagabend reist Baerbock zurück nach Berlin. (dpa/fah)
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