- Nach den Parlamentswahlen in Israel formiert Wahlsieger Benjamin Netanjahu eine rechte Regierungskoalition.
- Teil der Regierung sollen die beiden ultrarechten Politiker Bezalel Smotrich und Itamar Ben-Gvir werden.
- Das Wahlbündnis von Smotrich und Gvir verfolgt ultrarechte Ziele und will unter anderem das Westjordanland annektieren.
Es ist gar nicht lange her, da war Itamar Ben-Gvir zu sehen, wie er einer Gruppe Palästinensern zurief: "Vergesst nicht, dass wir hier die Grundherren sind. Ich bin euer Vermieter." Ben-Gvir trägt in dem Video, das die Szene dokumentiert, einen Anzug, eine Krawatte und die religiöse Kopfbedeckung der Juden, die Kippa. Plötzlich zieht er eine Pistole und fordert die umstehenden Polizisten auf, auf die Palästinenser zu schiessen, sollten sie Steine nach ihm werfen.
Keine vier Wochen später ist Ben-Gvir einer der Wahlsieger der israelischen Parlamentswahl. Es scheint gerade so, als wollten die Wähler ihn für die Worte belohnen, die er kürzlich noch palästinensischen Anwohnern im konfliktbeladenen Viertel Scheich Dscharrah in Ost-Jerusalem entgegen gebrüllt hatte. Wie zum Beweis, twitterte Ben-Gvir nach der Wahl: "Die Zeit ist reif für eine vollwertige rechte Regierung. Es ist Zeit, der Vermieter in unserem Land zu sein!"
Netanjahu koaliert mit Rassisten
Der Wahlsieg zeichnete sich bereits seit Längerem ab. Zusammen mit Bezalel Smotrich hatte der ultrarechte Politiker Ben-Gvir ein Wahlbündnis geschmiedet, das nun mit dem ehemaligen israelischen Premierminister
Dabei scheint "
Abschwächung liberaler Grundprinzipien
Die Unterstützung illegaler Siedlungen und der Hass auf Palästinenser vereint das Parteienbündnis, das von Ben-Gvir und Smotrich angeführt wird. Beide fordern ein Grossisrael und die Annexion palästinensischer Gebiete. Dabei schrecken sie auch nicht vor ethnischen Säuberungen zurück. Israel-Experte Peter Lintl von der Stiftung Wissenschaft und Politik erklärt gegenüber unserer Redaktion: "Letztlich fordern sie eine Abschiebung grosser Teile der palästinensischen Bevölkerung aus dem Westjordanland."
Innenpolitisch verfolgt das Parteienbündnis zudem vor allem ein Kernziel: Die Abschwächung liberaler Grundprinzipien - das verbindende Element zu Netanjahus Likud. Hierzu gehört insbesondere eine Gesetzesinitiative, die dafür sorgen soll, dass das Parlament Urteile des Obersten Gerichtshofes überstimmen kann. "Damit würden sie die Unabhängigkeit der Justiz aufweichen", erläutert Politikwissenschaftler Lintl.
Das sind Netanjahus Motive
Die Aushöhlung der Gewaltenteilung verfolgt noch einen weiteren Zweck: Die faktische Immunität des Premierministers. "Dieses Parteienbündnis von Ben-Gvir und Smotrich ist ein Kind Netanjahus. Es wurde geboren, um rechte Mehrheiten zu finden, die Netanjahu dabei unterstützen sollen, seinem Gerichtsverfahren zu entgehen", sagt Lintl.
Der Hintergrund: Gegen Ex-Premierminister Netanjahu laufen seit Jahren mehrere Verfahren wegen Korruption und Vorteilsnahme im Amt. Diese Verfahren sollen, wenn es nach dem Willen des designierten rechten Regierungsbündnisses geht, nicht mehr möglich sein. Das Erstarken rechtsextremer Parteien sei daher weniger Ursache als Symptom des politischen Rechtsrucks, der von Netanjahu befeuert wurde, urteilt der Israel-Experte.
Einfluss auf die Aussenpolitik Israels
Aussenpolitisch hält der Politikwissenschaftler die Auswirkungen einer neuen Regierung unter Einbeziehung von Rechtsextremen für weniger einflussreich. Lediglich die Beziehungen zu den arabischen Staaten in der Region könnten leiden. In den vergangenen Jahren war Israel darauf aus, sich mit seinen arabischen Nachbarn auszusöhnen und hatte Abkommen geschlossen, die eine Annäherung zwischen den einstigen Kriegsgegnern ermöglichte. Das könnte durch ein Rechtsbündnis in der Regierung geschwächt werden. "Eine solche Regierung würde die Integration Israels in der Region zurückdrehen", meint Peter Lintl.
Was das Ziel eines Grossisraels betrifft, ist der Politikwissenschaftler allerdings skeptisch: "Es wird sicher nicht dazu kommen, dass die Palästinenser aus dem Westjordanland vertrieben werden." Der Status des Gebiets wird durch internationale Verträge geregelt. In der Vergangenheit hatte Israel bereits mehrfach angekündigt, palästinensische Gebiete zu annektieren, war dann aber auf internationalen Druck hin davon abgerückt. Die innenpolitischen Ziele von Ben-Gvir und Smotrich hält Lintl hingegen für realistisch, sollte es zu einem Regierungsbündnis kommen. Das würde letztlich Ex-Premier Benjamin Netanjahu in die Hände spielen, der voraussichtlich der grosse Gewinner dieser Wahl sein wird.
Verwendete Quellen:
- Gespräch mit Peter Lintl
- timesofisrael.com: Extremist MK Ben Gvir pulls out gun during Sheikh Jarrah clash
- tagesschau.de:
Netanyahu kann Vorsprung ausbauen - haaretz.com: The Lawyer for Jewish Terrorists Who Started Out by Stealing Rabin's Car Emblem
- jpost.com: Ben-Gvir convicted of inciting to racism
- zeit.de: Warum die Ultrarechten in Israel so stark sind
- spiegel.de: Polizei befragt Israels Premier Benjamin Netanyahu
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