Im Bundestag findet die Generaldebatte zum Haushalt statt - doch die Aussprache dreht sich zu einem grossen Teil um den Kompromiss im Asylstreit zwischen CDU und CSU. Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht den Umgang mit dem Thema Migration als entscheidenden Punkt für den weiteren Bestand der EU. Die Opposition greift Seehofer und die CSU scharf an.
Der Umgang mit dem Thema Migration wird nach Einschätzung von Kanzlerin
Es brauche rechtlich tragbare, realistische, solidarische Antworten, die die Menschen nicht überforderten, sagte sie bei der Generaldebatte zum Haushalt 2018 im Bundestag. "Es muss mehr Ordnung in alle Arten der Migration kommen, damit Menschen den Eindruck haben, Recht und Ordnung werden durchgesetzt."
Beim EU-Gipfel in der vergangenen Woche habe man sich in langen Diskussionen und trotz unterschiedlicher Interessen darauf verständigt, dass der Umgang mit Migranten keine Frage für einzelne Länder in Europa sei, sondern "dass es eine Aufgabe ist, die alle angeht", sagte Merkel.
Merkel will Schutz der EU-Aussengrenzen verstärken
Die Kanzlerin erklärte, inzwischen kämen schon 95 Prozent weniger Menschen als Bootsflüchtlinge über die zentrale Mittelmeerroute.
Dennoch solle der Schutz der europäischen Aussengrenzen weiter verstärkt werden. Mit Blick auf den geplanten Ausbau der EU-Grenzschutzagentur Frontex versprach sie: "Deutschland wird seinen Beitrag hier leisten."
Die EU-Mittelmeermission Sophia habe dazu beigetragen, die libysche Küstenwache zu stärken. Aus dem nordafrikanischen Land brechen viele Migranten nach Europa auf.
Offensichtlich mit Blick auf Hilfsorganisationen, die im Mittelmeer Migranten retten, sagte Merkel: "Wenn es jetzt eine libysche Küstenwache gibt, die besser und besser agieren kann, dann muss das internationale Recht auch eingehalten werden."
Das gelte für alle, die dort operierten und sei beim EU-Gipfel insbesondere für Malta wichtig gewesen.
Nahles: "Geschlossene Lager lehnen wir ab"
Die SPD-Vorsitzende Andre Nahles hat in ihrem Redebeitrag die bisherige Arbeit der Bundesregierung verteidigt und die Unionsparteien aufgefordert, nach dem heftigen Konflikt um die Asylpolitik wieder in die Sacharbeit einzusteigen.
Die Rückkehr zur paritätischen Finanzierung der Krankenversicherung, das beschlossene Recht zur Rückkehr in Vollzeit und beschlossene Entlastungen für Familien nannte sie als Erfolge der grossen Koalition: "Das war jetzt eigentlich kein schlechter Start in diese Regierung."
Doch der "Regierungsmotor" sei ins Stocken gekommen. In den letzten drei Wochen habe man vor allem "Streit und Drohungen" erlebt. Das müsse nun enden.
In Bezug auf die Einigung der Unionsparteien in der Asylpolitik hob Nahles die Grundsätze der SPD hervor: "Keine nationalen Alleingänge, rechtsstaatliche Verfahren müssen eingehalten werden, geschlossene Lager lehnen wir ab."
FDP-Chef Lindner vermisst Wende in der Flüchtlingspolitik
FDP-Chef
Auch inhaltlich kritisierte er den Asylkompromiss als unzureichend. Gemessen an den Erfordernissen seien die Ergebnisse "an Bescheidenheit kaum zu überbieten." Es sei eine "einzelne Massnahme" diskutiert worden, die "quantitativ und räumlich äusserst beschränkt" sei.
Die Union habe "die Notbremse gezogen" und "aktive Schadensbegrenzung" betrieben, aber es gebe eben keine Wende in der Flüchtlingspolitik.
Am Ende habe Merkel nach seiner Interpretation "sehr weitgehend mit ihrer Position durchgesetzt". Die Union setze auf Vereinbarungen mit europäischen Partnern wie Österreich und Italien, anders als ursprünglich von der CSU gewollt. Was praktisch umsetzbar und wirksam sei, bleibe jedoch "völlig im Ungefähren".
Bartsch verspottet CSU-Flüchtlingspolitik
Linke-Fraktionschef
An die Adresse der CSU richtete Bartsch den Vorwurf, in der Flüchtlingspolitik ihre christlichen Werte zu vergessen: "Sie hätten doch auch mit einem Lächeln Jesus abgeschoben."
Hofreiter: "Dammbruch der Unmenschlichkeit"
Für die Grünen trat Fraktionschef
Die CSU sei in einem "populistischen Rausch", hofiere Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orban, schaffe ein Polizeiaufgabengesetz, das "dem Überwachungswahn entsprungen" sei und wolle anderen ihren Glauben aufzwingen.
Die von der Union geplanten "Transitzentren", aus denen Flüchtlinge in diejenigen EU-Länder zurückgeschickt werden sollen, die für ihr Asylverfahren zuständig sind, nannte Hofreiter "Inhaftierungslager".
Das habe mit europäischen Werten wie Solidarität, Humanität und Rechtsstaatlichkeit nur noch wenig zu tun. "Das ist ein Dammbruch der Unmenschlichkeit, was sie da organisieren."
Weidel: "Deutschland zum Chaosfaktor geworden"
Die AfD hatte zu Beginn der Debatte vor allem Merkel angegriffen. Die Fraktionsvorsitzende Alice Weidel warf der Kanzlerin vor, sie habe mit ihrem Beharren auf einer liberalen Flüchtlingspolitik Deutschland und Europa gespalten.
Die AfD-Politkerin, die als Vertreterin der grössten Oppositionspartei als erste ans Rednerpult gehen durfte, forderte die Kanzlerin zum Rücktritt auf: "Machen Sie dem Trauerspiel ein Ende und treten Sie bitte ab."
Mit Blick auf den Asylstreit sagte sie: "Sie demontieren Ihren Innenminister, weil er damit droht, nach drei Jahren willkürlicher Ausserkraftsetzung wenigstens teilweise wieder geltendes Gesetz anzuwenden." (dpa/afp/dh)
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