• Im Iran ist nach Angaben des Generalstaatsanwalts die Sittenpolizei aufgelöst worden.
  • Die war bislang hauptsächlich für die Einhaltung der Kleidungsvorschriften von Frauen zuständig.

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Mehr als zwei Monate nach Beginn der Proteste im Iran ist die Sittenpolizei nach Justizangaben aufgelöst worden. "Die Sittenpolizei hat nichts mit der Judikative zu tun und wurde von denen, die sie geschaffen haben, abgeschafft", sagte Generalstaatsanwalt Mohammed Dschafar Montaseri am Samstagabend nach Angaben der Nachrichtenagentur Isna in der zentraliranischen Stadt Ghom. Die Bekanntgabe wird als Geste gegenüber den Demonstrierenden gewertet, die seit Wochen überall im Land auf die Strasse gehen.

Auslöser dieser Proteste war der Tod der 22-jährigen Kurdin Mahsa Amini drei Tage nach ihrer Festnahme durch die Sittenpolizei Mitte September. Sie soll gegen die Kleiderordnung für Frauen verstossen haben, die Frauen das Tragen eines Kopftuchs in der Öffentlichkeit vorschreibt. Nach Angaben eines Generals der Revolutionsgarden vom Dienstag wurden mehr als 300 Menschen im Zusammenhang mit den Protesten getötet.

Sittenpolizei sollte "die Kultur des Anstands und des Hidschabs verbreiten"

Die Sittenpolizei, die auf Irans Strassen seit 2006 unter anderem die Einhaltung der Kopftuchpflicht kontrollierte, war unter dem ultrakonservativen Staatschef Mahmud Ahmadinedschad gegründet worden. Sie sollte "die Kultur des Anstands und des Hidschabs verbreiten".

Die Rolle der Einheit hatte sich nach und nach weiterentwickelt und war immer ein kontroverses Thema selbst für Präsidentschaftskandidaten. Ursprünglich sprachen die Sittenpolizisten Warnungen aus, bevor sie vor 15 Jahren anfingen, hart durchzugreifen und Frauen festzunehmen.

Am Freitag hatte Generalstaatsanwalt Montaseri angekündigt, dass das iranische Parlament und die Justiz das Gesetz überprüfen, das Frauen zum Tragen eines Kopftuchs verpflichtet. "Das Parlament und die Justiz arbeiten" an diesem Thema, sagte er. Er kündigte Ergebnisse in "ein oder zwei Wochen" an, äusserte sich aber nicht dazu, was an dem Gesetz geändert werden könnte.

"Unsere Verfassung hat starke und unveränderliche Werte und Prinzipien", sagte der iranische Präsident Ebrahim Raisi am Samstag im Fernsehen. Es gebe aber "Methoden zur Umsetzung der Verfassung", die "flexibel" sein könnten. Seit 1983 müssen Frauen im Iran ein Kopftuch tragen.

Seit Beginn der Proteste tragen immer mehr Frauen kein Kopftuch

Im Juli hatte Raisi noch anders geklungen: Damals drang der Staatschef auf eine strenge Durchsetzung der Kopftuchpflicht "durch alle staatlichen Institutionen". Doch vor allem in grösseren Städten beugten viele Frauen die Regeln und liessen etwa ihr Kopftuch auf die Schultern rutschen.

Bekleidungsnormen hatten sich schon vorher nach und nach verändert. Unter Raisis Vorgänger etwa, dem moderaten Präsidenten Hassan Rohani, waren Frauen in engen Jeans mit lose sitzenden, bunten Kopfbedeckungen zu sehen.

Seit Beginn der Proteste tragen immer mehr Frauen kein Kopftuch mehr. Vielerorts verbrannten Frauen ihre Kopfbedeckung und riefen Parolen gegen die Regierung.

Selbst Kinder wurden bei Protesten festgenommen

Nach Angaben von UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk von vergangener Woche wurden 14.000 Menschen beim Vorgehen der Staatsführung gegen die Proteste festgenommen, darunter auch Kinder.

Auch zahlreiche Prominente aus Kunst, Sport und Politik sind von Festnahmen betroffen. Am Samstag wurde eine weitere bekannte Schauspielerin festgenommen. Mitra Hadschdschar sei nach einer Durchsuchung ihrer Wohnung festgenommen worden, berichtete die Zeitung "Shargh" unter Berufung auf eine Organisation, die Festnahmen von Künstlern beobachtet.

Auch Irans regionaler Rivale Saudi-Arabien setzt eine Sittenpolizei ein, um die Kleiderordnung und andere Verhaltensregeln für Frauen durchzusetzen. Im Zuge eines Vorstosses des sunnitischen muslimischen Königreichs, sein strenges Image abzuschütteln, ist die Truppe dort jedoch ab 2016 an den Rand gedrängt worden. (afp/mbo)

Die iranische Kletterin Elnaz Rekabi ist verbotenerweise ohne ihr Kopftuch im Wettkampf aufgetreten.

Elnaz Rakabi ist seit ihrem Protest gegen das Kopftuch verschwunden

Im Iran tobt ein Kampf um die Rechte der Frauen. Streitpunkt ist das vorgeschriebene Tragen des Kopftuchs, Auslöser der anhaltenden Proteste der Tod der 22-jährigen Mahsa Amini. Sportlerin Elnaz Rekabi widersetzt sich während eines Wettkampfs der Kopftuch-Vorschrift - nun erreichen ihre Angehörigen sie nicht mehr.
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