- Gemessen an der Bevölkerungszahl verzeichnet Zypern mehr Asylanträge als alle anderen EU-Staaten.
- Menschen ohne Aufenthaltsstatus machen dort inzwischen vier Prozent der Bevölkerung aus. Die Inselrepublik hat die EU schon mehrmals um Hilfe gebeten.
- Der Migrationsforscher Gerald Knaus fordert Europa ebenfalls zu schneller Unterstützung auf.
Die humanitäre Lage von Migranten und Geflüchteten in der Mittelmeerregion ist nach Einschätzung des Migrationsforschers Gerald Knaus dramatisch. Das gilt vor allem für die Situation in der Republik Zypern. "Wir haben da eine Situation, die ausser Kontrolle zu geraten droht, und die EU hat darauf keine Strategie", sagte er in einem Interview mit dem "Deutschlandfunk". Der Österreicher Knaus ist Soziologe und Vorsitzender des Berliner Thinktanks "Europäische Stabilitätsinitiative".
"Brauchen eine Alternative zur Gewalt"
Rund 13.000 Menschen haben seit Jahresbeginn einen Asylantrag in der kleinen EU-Inselrepublik Zypern gestellt. In ihrer Mehrheit hätten sie aus der Türkei übergesetzt, berichtete der staatliche Rundfunk (RIK) am Sonntag.
Die Zahl von 13.000 Menschen klingt zunächst vielleicht eher niedrig. Doch Zypern verzeichnet laut EU-Statistik gemessen an der Bevölkerungsgrösse bei Weitem die meisten Asylanträge pro Jahr. Die Regierung in Nikosia hat deshalb wiederholt um Hilfe der EU gebeten.
Nach Einschätzung von Knaus ist es in Zypern bisher noch nicht zu Gewalt gekommen - im Gegensatz zum Beispiel zu Griechenland, wo Menschen bei illegalen Push-Backs teils mit Gewalt über die Grenzen zurückgedrängt werden. Eine funktionierende Verteilung von Geflüchteten und Migranten innerhalb der EU, um besonders betroffene Länder wie Zypern, Italien oder Griechenland zu entlasten, gibt es aber noch nicht.
Aus Sicht von Knaus ist auch die deutsche Bundesregierung in der Pflicht, da die Ampel-Parteien in ihrem Koalitionsvertrag eine Umkehr in der EU-Migrationspolitik versprochen hatten. Es müsse zum Beispiel mehr legale Möglichkeiten für die Migration nach Europa geben. "Wir brauchen Lösungen, die zeigen, dass es eine Alternative zur Gewalt gibt", so Knaus.
Zypern: Menschen ohne Aufenthaltstitel machen vier Prozent der Bevölkerung aus
Dem Experten zufolge kommen viele Migranten in der Republik Zypern aus Ländern wie Kongo, Nigeria und Bangladesch und haben kaum Chancen auf eine Anerkennung als Asylberechtigte. Die Mehrzahl von ihnen habe daher keinen Aufenthaltsstatus, bleibe aber trotzdem auf der Insel.
Mittlerweile machten Migranten ohne Aufenthaltsstatus rund vier Prozent der Bevölkerung des Südteils Zyperns aus, berichtete der staatliche Rundfunk Mitte August unter Berufung auf das Innenministerium in der Hauptstadt Nikosia. Im Südteil der Inselrepublik leben rund 700.000 griechische Zyprer und etwa 180.000 Ausländer, die sich legal in Zypern aufhalten, darunter zahlreiche britische Staatsbürger.
Behörden: Flüchtlinge werden von Schleusern aus der Türkei geholt
Zypern ist seit 1974 in einen grösseren griechisch-zyprischen Teil im Süden und einen türkisch-zyprischen Teil im Norden geteilt. Nur die Türkei erkennt Nordzypern als Staat an. Aufgrund der faktischen Teilung Zyperns übt die international anerkannte Republik Zypern die tatsächliche Kontrolle nur im Südteil der Insel aus.
Die meisten Flüchtlinge werden nach Angaben zyprischer Behörden von Schleuserbanden aus der Türkei in den Norden der Mittelmeerinsel gebracht. Anschliessend werden sie durch nicht gut bewachte Stellen der Trennungslinie in den Süden geschleust. (fab/dpa)
Verwendete Quellen:
- dpa
- deutschlandfunk.de: Wie gut läuft die Verteilung von Flüchtlingen? Interview mit Gerald Knaus
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