Aus einfachen Verhältnissen hat sich Gerhard Schröder bis ins Kanzleramt hochgekämpft. Später wurde der Putin-Freund zum Lobbyisten Russlands – und damit der wohl umstrittenste Ex-Kanzler in der bisherigen Geschichte der Bundesrepublik. Schröder ist das egal. Am 7. April feiert er seinen 80. Geburtstag.

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Gerhard Schröder weiss nicht, was ihn am Sonntag erwartet. Seine Frau Soyeon Schröder-Kim hat alles organisiert. Nur so viel: Es wird eine Überraschungsparty mit Freundinnen und Freunden in Berlin geben. Wer überhaupt eingeladen ist und auch kommt? Das kann Schröder nicht sagen. So erzählte es der Ex-Kanzler vor ein paar Tagen im Interview der Deutschen-Presse-Agentur (dpa).

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Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) in seiner Anwaltskanzlei in Hannover. © picture alliance/dpa/Michael Kappeler

Gerhard Schröder wird 80 Jahre alt, aber eines dürfte schon jetzt feststehen: Die Liste der Gratulanten, sie bleibt wohl überschaubar. Sein Engagement für Russland und die unverbrüchliche Männerfreundschaft zu dessen Machthaber Wladimir Putin haben ihn zur Persona non grata der deutschen Politik gemacht. Gerhard Schröder ist isoliert.

Geburtstagsgrüsse für Schröder? Die SPD lehnt ab

Unsere Redaktion hat eine Reihe früherer Weggefährten und aktiver Politiker angefragt, was sie dem Ex-Kanzler zum Geburtstag wünschen. In Hannover, wo Schröder lebt, heisst es aus dem Büro von Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne): kein Kommentar. Auch die Parteivorsitzenden der SPD haben nichts zu sagen. Eine entsprechende Anfrage lehnt das Willy-Brandt-Haus ab. Ob ihn das schmerzt?

Schröder ist seit über 60 Jahren SPD-Mitglied. Im dpa-Interview sagt er: "Ich war immer Sozialdemokrat, bleibe das auch, solange man mich lässt."

Die passende Biografie hat er jedenfalls. Aufgewachsen in einfachsten Verhältnissen, grossgezogen nur von der Mutter. Sein Vater fiel 1944, dem Jahr seiner Geburt, an der Ostfront. Schröder hat ihn nie kennengelernt. Die Familie schlägt sich nach dem Krieg mehr schlecht als recht durch. Er habe "jahrelang Fensterkitt gefressen", berichtete Schröder später über seine Kindheit.

Er kämpft sich hoch. Abitur auf dem zweiten Bildungsweg, Jura-Studium in Göttingen, parallel dazu der politische Aufstieg. In seiner Partei hat er alles erreicht. Er war Juso-Vorsitzender, niedersächsischer Ministerpräsident, SPD-Vorsitzender und Bundeskanzler von 1998 bis 2005.

Was von der Kanzlerschaft Schröders in Erinnerung bleibt

Schröder hätte vieles mitgebracht, um als grosser Kanzler in die Geschichte einzugehen. Nach 16 langen Kohl-Jahren hat er auf Bundesebene die erste rot-grüne Regierung gebildet. Der Atomausstieg fiel in diese Zeit, ein neues Staatsbürgerrecht, das Dosenpfand. Vor allem in Erinnerung bleiben aber sein Nein zum Irak-Krieg 2002 und die Agenda 2010 – jenes umfassende Reformprogramm, mit dem Schröder den deutschen Arbeitsmarkt umkrempelte. Und die Gewerkschaften – genauso wie Teile seiner Partei – auf die Barrikaden trieb.

Schröder verknüpfte mit der Agenda sein politisches Schicksal. Nach der verlorenen Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen im Mai 2005 setzte er alles auf eine Karte und strengte Neuwahlen an. Die Wähler sollten, so sein Argument, über die Agenda-Politik abstimmen. Es war der Anfang vom Ende der rot-grünen Regierung.

Aus dem Ex-Kanzler wird "Gas-Gerd"

Schröder hat schon zu Kanzlerzeiten polarisiert. Nach dem Ende seiner aktiven Zeit in der Politik macht er das erst recht: Wenige Monate nach der verlorenen Bundestagswahl 2005 heuerte er als Lobbyist beim staatlichen russischen Gaskonzern Gazprom an. "Gas-Gerd" wurde er spöttisch genannt.

Die Freundschaft zu Wladimir Putin hielt auch, als der russische Präsident seine Truppen zum Überfall ins Nachbarland Ukraine schickte. Schröder verurteilte den Krieg zwar, versuchte im März 2022 auf Initiative der Ukraine in dem Konflikt zu vermitteln. Seine diplomatische Mission in Moskau blieb ohne Erfolg. An seinen Posten in der russischen Gasbranche hält er trotzdem fest.

Die Folge: der endgültige Bruch mit seiner Partei und vielen anderen politischen Weggefährten. Im April 2022 strengten mehrere SPD-Gliederungen ein Parteiausschlussverfahren an – vorerst ohne Erfolg. Im Mai 2022 strich der Bundestag Schröder die Mittel für sein Altkanzlerbüro in Berlin. Das Tischtuch zwischen dem ehemaligen Regierungschef und dem heutigen politischen Berlin ist zerschnitten, der Ton gereizt. Schröder bezeichnete die aktuelle SPD-Parteiführung in einer ARD-Dokumentation als "armselige Gestalten".

Gerhard Schröder

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Mit Oskar Lafontaine söhnt sich Schröder aus

Aus früheren Verbündeten wurden Gegner, aus früheren Gegnern wurden Verbündete. Der heutige Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier war zu Kanzlerzeiten einer der engsten Mitarbeiter Schröders, heute hat er sich von ihm abgewandt.

Ganz anders Oskar Lafontaine: Als SPD-Vorsitzender und Bundesfinanzminister hatte der sich 1999 mit Schröder überworfen, Regierung und Partei den Rücken gekehrt, später die Linkspartei mitbegründet. Schröders Russlandnähe hat die beiden jetzt wieder zueinanderfinden lassen. Nach langer Funkstille traf man sich im vergangenen Jahr im Saarland, die Frauen Soyeon Schröder-Kim und Sahra Wagenknecht waren dabei.

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Dass man sich an ihm reiben konnte und kann, hat Schröder nie gestört. Er scheint es eher zu geniessen. "Ich bin manchmal ein bisschen anders als andere", sagt er in der ARD-Dokumentation. Er war und ist dabei immer widersprüchlich: sozialdemokratischer Aufsteiger und neoliberaler Reformer, Nein zum Irak-Krieg, aber kein entschiedenes Nein zu Putin.

Wie widersprüchlich man zu Schröder stehen kann, zeigt das Beispiel von Gregor Gysi. Unsere Redaktion hat auch die Linken-Ikone gefragt, was er dem Altkanzler zum Geburtstag wünscht. Als einer von wenigen hat Gysi geantwortet: "Zunächst wünsche ich Gerhard Schröder Gesundheit, schöne Erlebnisse und dass er sein Büro wieder bekommt." Den Entzug des Büros habe er als "kleinkariert" empfunden, sagt Gysi. Dankbar ist er Schröder für das Nein zum Irak-Krieg.

Das ändert aber nichts daran, dass er dessen "neoliberale Politik" oder die Teilnahme Deutschlands an den Luftangriffen auf Serbien 1999 im Zuge des Kosovo-Kriegs immer kritisiert habe, so Gysi. "Zu Russland und zu Putin haben wir mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch unterschiedliche Auffassungen, obwohl wir wahrscheinlich beide für einen sofortigen Waffenstillstand eintreten."

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In den sozialen Medien erhält Schröder durchaus Applaus für seine Haltung zum Aggressoren Russland, die manche Menschen als rational und ausgleichend empfinden. Er ist vielleicht der einzige deutsche Politiker mit einem engen Draht in den Kreml. Doch bewegen konnte er damit noch nichts. Falls es ihm wider Erwarten doch noch gelingen sollte – vielleicht würde das den Altkanzler auch mit seinen Kritikern versöhnen.

Ein letzter Geburtstagsgruss, eingeholt von Hans Eichel. Der Sozialdemokrat war von 1999 bis 2005 unter Schröder ein strenger wie geschätzter Finanzminister. Was er seinem ehemaligen Chef zum 80. Geburtstag wünscht? Eichel teilt so kurz wie prägnant mit: "Ich wünsche Gerhard Schröder, dass er zum Frieden in der Ukraine beitragen kann."

Verwendete Quellen

  • Stellungnahmen von Gregor Gysi und Hans Eichel
  • ardmediathek.de: Ausser Dienst? Die Gerhard Schröder Story
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Teaserbild: © picture alliance/dpa/Michael Kappeler