Willkommenskultur oder Festung Europa? Nichts spaltet Europa derzeit mehr als die Frage, wie auf die aktuelle Flüchtlingsbewegung reagiert werden soll. Mit der EU-Türkei-Vereinbarung wurde erstmals eine gemeinsame, wenn auch umstrittene Strategie beschlossen. Doch nach wie vor bremsen die unterschiedlichen Interessen der Nationalstaaten das gemeinsame Handeln. Die wichtigsten Positionen zur Flüchtlingspolitik im Überblick:
Europas "Koalition der Willigen"
Deutschland: Keine andere Linie in der Flüchtlingskrise ist präsenter: Kanzlerin
Italien, Frankreich wie auch Grossbritannien befürworten den Türkei-Deal. Zum ersten Mal gebe es einen Plan, der etwas bewirken könnte, sagte der britische Premier David Cameron. Dennoch warnte er vor einer vorschnellen Schliessung von Fluchtrouten. Europa müsse damit rechnen, dass dann mehr Flüchtlinge die riskantere Alternativroute über den Seeweg wählen würden.
Österreich: "Das Durchwinken ist vorbei", sagte Kanzler Werner Faymann kürzlich zu den Medien. Eine Politik der "offenen Grenzen" kommt für die österreichische Regierung seit der Einführung einer Obergrenze für Asylanträge nicht mehr in Frage. Seitdem bekommen täglich nur mehr 80 Personen Asyl. Österreich will zudem Italien und Mazedonien beim Grenzschutz unterstützen.
Schweiz: Die Schweiz liegt nach wie vor abseits der Fluchtrouten und gehört als Nicht-EU-Mitglied auch nicht der "Koalition der Willigen" an. Dennoch hatte die Regierung im September 2015 ihre Bereitschaft zur Aufnahme von Flüchtlingen erklärt. Im März wurden 600 Personen aus dem krisengeschüttelten Griechenland in der Schweiz angesiedelt.
Quotengegner und Kritiker
Ungarn: Laut Premier Viktor Orbán bringen Migranten "Verbrechen und Terror" nach Europa. Ungarn schottet sich seit dem vergangenen Herbst mit Zäunen an den Grenzen zu den Nachbarländern Serbien und Kroatien und mit strengeren Gesetzen gegen Flüchtlinge ab. Bald soll auch das Volk abstimmen: über die Aufnahme von 2.100 Flüchtlingen. Dies ist der ungarische Anteil von insgesamt 160.000 Flüchtlingen, deren Zuteilung schon 2015 mit EU-Mehrheit beschlossen wurde.
Polen: Anders als Ungarn, Tschechien, die Slowakei und Rumänien stimmte Polen im Vorjahr für die Umverteilung der 160.000 Flüchtlinge. Die neue polnische Regierung unter Beata Szydło ist jedoch vehement gegen jede weitere Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Umsiedlung nach Polen. Und auch Bulgarien reiht sich in den Chor der Quotengegner ein: Die Bedingungen der Länder an den EU Aussengrenzen würden zu wenig berücksichtigt werden, da diese ohnehin unter Migrationsdruck stünden. Bulgarien hatte bereits einen 92 Kilometer langen Zaun an der Grenze zur Türkei bauen lassen. Dieser wird nun verlängert. NGOs schätzen, dass täglich etwa 600 Flüchtlinge über Bulgarien nach Serbien einreisen.
Die aktuellen Brennpunkte
Mazedonien: Als Durchzugsland nahm Mazedonien bisher eine leise Stimme in der Debatte ein. Nach dem Balkangipfel und der beschlossenen Obergrenze in Österreich schloss das Land jedoch seine Grenze zu Griechenland und blockierte mit Unterstützung anderer Balkanstaaten die Route. Für Österreich, Deutschland und die nördlichen Länder bedeutete dies erstmals einen Rückgang der Flüchtlingszahlen. In Griechenland spitzte sich die Lage jedoch zu. Etwa 14.000 Flüchtlinge stauten sich entlang der Grenze und verweigerten die Rückreise. Seit Jahresbeginn kamen Schätzungen zufolge etwa 140.000 Flüchtlinge über die Türkei nach Griechenland. Die überforderte Regierung bat mehrmals die anderen EU-Mitgliedsstaaten um Unterstützung.
Italien: Eine bindende Umverteilung würde auch die prekäre Situation an der italienischen Küste entschärfen. Die italienische Regierung pocht auf die Quote und will künftig Albanien verstärkt bei der Grenzsicherung unterstützen. Im Norden gibt es derweil Konflikte an der Brennergrenze. Österreich hatte im Februar verstärkte Grenzkontrollen an der historisch belasteten Stelle angekündigt.
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