Vor zwei Jahren erhob Gil Ofarim Antisemitismusvorwürfe gegen einen Hotelmitarbeiter. Nun hat der Musiker vor Gericht eingeräumt, den Mann zu Unrecht beschuldigt zu haben. Kritik kommt auch vom Zentralrat der Juden.
Es sind nur wenige Worte, mit denen Gil Ofarim im Verleumdungs-Prozess gegen sich für eine überraschende Wende sorgt: "Die Vorwürfe treffen zu. Es tut mir leid". Damit räumt der jüdische Musiker am Dienstag im Landgericht Leipzig ein, dass seine Antisemitismusvorwürfe gegen ein Leipziger Hotel nicht stimmen.
Rund zwei Jahre lang hatte er an dieser Darstellung festgehalten. Ofarim sieht mitgenommen und verzweifelt aus, als er sein Geständnis ablegt. Immer wieder hält er seine lange Kette in der rechten Hand und führt den Davidstern an die Lippen.
Das Verfahren gegen Ofarim stellt das Gericht ein. Der 41-Jährige muss einen Geldbetrag in Höhe von 10.000 Euro zahlen - je zur Hälfte an die jüdische Gemeinde zu Leipzig und den Trägerverein des Hauses der Wannseekonferenz. Dieser widmet sich unter anderem dem Gedenken an die Opfer der nationalsozialistischen Politik.
Zentralrat der Juden verurteilt Ofarims Handeln
Zu dem Hotelmanager, der als Nebenkläger in dem Verfahren auftrat, sagt Ofarim: "Ich möchte mich bei Ihnen entschuldigen. Es tut mir leid." Der Hotelmanager antwortet mit leiser Stimme: "Ja, ich nehme die Entschuldigung an."
Ofarim und der Manager haben sich auch auf Schadenersatz geeinigt. Details zu der Höhe nannten die Beteiligten nicht. Der 35-Jährige ist nach den Vorwürfen noch immer in psychologischer Behandlung und hat das Hotel in diesem September auf eigenen Wunsch verlassen, arbeitet aber noch in der Branche.
Der Angeklagte habe nicht unerheblichen Schaden für den Kampf gegen Antisemitismus verursacht, betont der Vorsitzende Richter Andreas Stadler. Zudem sagt er: "Ja, er hat einen Fehler gemacht. Aber er hat sich dazu bekannt. Er hat um Entschuldigung gebeten und sie erhalten. Damit ist die Sache vom Tisch."
Deutlich schärfer geht dafür der Zentralrat der Juden mit dem Musiker ins Gericht. Ofarim habe all denen, die tatsächlich von Antisemitismus betroffen sind, grossen Schaden zugefügt, erklärte der Zentralrat. Ofarim habe neben der Öffentlichkeit auch die jüdische Gemeinde belogen, hiess es weiter.
Es sei richtig, bei einem Antisemitismusvorwurf auf der Seite des Betroffenen zu stehen, ihm beizustehen und die Antisemitismuserfahrung zunächst nicht infrage zu stellen. Umgekehrt dürfe so ein Vorwurf aber niemals grundlos erhoben werden. "Und das ist hier leider passiert."
Richter: Entschuldigung wertvoller als ein Gerichtsurteil
Ofarim hatte im Oktober 2021 in einem Video Antisemitismus-Vorwürfe gegen das Leipziger Hotel erhoben. Der Musiker solle seinen Davidstern abnehmen, erst dann dürfe er einchecken, soll der Manager gesagt haben, so schilderte der Sänger den Abend im Hotel. Das Video verbreitete sich stark in den sozialen Netzwerken.
Sofort schlugen sich Politiker und jüdische Organisationen auf die Seite des Musikers. Dann aber folgte nach intensiven Ermittlungen die erste Wende in dem Fall: Nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft Leipzig hatte sich der Vorfall nicht so zugetragen. Sie erhob Anklage gegen Ofarim wegen Verleumdung und falscher Verdächtigung. Das Verfahren gegen den Hotelmanager wurde eingestellt.
Der Prozess gegen Ofarim begann am 7. November im Landgericht Leipzig. In den ersten Verhandlungstagen wurden zahlreiche Zeugen gehört, die sich an dem fraglichen Abend in der Hotellobby aufgehalten hatten. Sie schilderten, dass sich eine lange Schlange am Check-in gebildet hatte und Ofarim aufgebracht war.
Im Zuge der umfangreichen Ermittlungen war sogar die Szene in der Hotellobby nachgestellt worden. Ein Digitalforensiker hatte unter grossem Aufwand sieben Videos der Überwachungskameras in dem Hotel ausgewertet und ein 150-seitiges Gutachten erstellt.
"Die Kammer ist davon überzeugt, dass das heutige Geständnis des Angeklagten der Wahrheit entspricht", sagt der Vorsitzende Richter, Andreas Stadler. Der gute Ruf des Hotelmanagers sei wieder hergestellt.
"Das war wichtig, weil ihm die unberechtigten Vorwürfe den Boden unter den Füssen weggezogen hatten." Eine Entschuldigung sei als Rehabilitation wertvoller als ein Gerichtsurteil. Das Video habe er gelöscht, sagt Ofarim noch. (dpa/thp/fah)
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