Neun Syrer werden 2012 offenbar von österreichischen Blauhelmen nicht vor einem Hinterhalt gewarnt. Ein jetzt aufgetauchtes Video lässt die Alpenrepublik über das Verhalten der Soldaten diskutieren – und zieht eine Untersuchung nach sich.

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Über dieses Video diskutiert derzeit ganz Österreich: Die von der Wochenzeitschrift "Falter" am Freitag veröffentlichten Bewegtbilder (ACHTUNG: Diese könnten auf einige Personen verstörend wirken) zeigen offenbar, wie österreichische UN-Soldaten die Errichtung eines Hinterhalts durch eine Bande aus 13 Schmugglern im Gebiet des Mount Hermon auf den Golanhöhen beobachten.

Als anschliessend neun Syrer, bei denen es sich laut "Falter" um Geheimpolizisten gehandelt haben soll, dann den österreichischen Checkpoint passieren, werden sie von den Blauhelmen offenbar nicht vor dem Hinterhalt gewarnt.

"Winkt nur, solange ihr noch könnt"

Im Video ist zu hören, wie sich die Polizisten und die Blauhelme noch unterhalten. Als die Polizisten den österreichischen Soldaten am Checkpoint zuwinken, sagt einer in Dialekt: "Winkt nur, solange ihr noch könnt."

Ein anderen meint: "Normalerweise musst du das den Hunden sagen." Ein Soldat äussert die Befürchtung, dass überlebende Polizisten zurückkommen könnten, um an den Blauhelmen, die sie nicht gewarnt hatten, Rache zu nehmen.

"Man hört auf den Videos, dass die Soldaten davon ausgehen, dass es jetzt bald krachen wird und dass diese syrischen Polizisten ermordet werden. Und das passiert dann auch", erklärt "Falter"-Chefredakteur Florian Klenk.

Kurz vor dem einsetzenden Kugelhagel auf die Polizisten ist ein Wortwechsel im österreichischen Dialekt zu hören. "Jetzt geht's gleich los", sagt einer der Soldaten. Im weiteren Verlauf ist zu sehen, wie das Fahrzeug der Syrer unter heftigen Beschuss gerät.

Keiner dürfte den Angriff überlebt haben, wie sich aus Kommentaren der österreichischen Soldaten ergibt.

Die Blauhelme besprechen im Video weiter, ob sie die Syrer nicht hätten warnen sollen und ob es überhaupt Sinn mache, einen Krankenwagen zu schicken.

UN war über Vorfall auf Golanhöhen informiert

Die österreichische Nachrichtenagentur APA zitiert einen UN-Sprecher mit den Worten, das Video sei "verstörend". Der Vorfall selbst war aber demnach bekannt: Er sei dem UN-Sicherheitsrat gemeldet und in einem Bericht festgehalten worden, sagte der Sprecher.

Die Regierung in Wien hat nun am Samstag eine Untersuchung zu dem tödlichen Zwischenfall auf den Golanhöhen eingeleitet.

Der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Michael Bauer, teilte auf Twitter mit, eine Untersuchungskommission habe am Samstag ihre Arbeit aufgenommen. Die UNO werde zur Mitarbeit eingeladen.

Er sagte der Deutschen Presse-Agentur, er sei zwar kein Video-Experte, habe aber "keine Zweifel" an der Echtheit der Aufnahmen.

Das Video sei dem Magazin "Falter" von einem Whistleblower in einem braunen Umschlag zugeschickt worden, erklärt Chefredakteur Klenk.

Soldat verteidigt Verhalten der Kameraden

Die "Salzburger Nachrichten" zitierten am Samstag in ihrer Online-Ausgabe einen österreichischen Soldaten, der selbst als UN-Soldat auf den Golanhöhen stationiert war.

"Der Befehl lautete: Nicht einmischen", sagte der als Markus H. bezeichnete Mann. Der frühere Soldat, der selbst ein Jahr in der Region im Einsatz war, sagte über das Verhalten seiner Kameraden: "Sie haben zu 100 Prozent korrekt gemäss unserem Auftrag gehandelt."

Die in der Videoaufnahme zu hörenden Soldaten erkannte er nach eigenen Angaben wieder. Bei dem Vorfall war H. den Angaben zufolge aber nicht dabei.

"Die Sprüche auf dem Video sind derbe und nicht korrekt, aber man muss bedenken, die Sprüche stammen von jungen Burschen, die unter Stress stehen", sagte der ehemalige österreichische Soldat weiter.

Der entscheidende Befehl sei per Funk vom Kommandanten der Kompanie gekommen und sei auch richtig gewesen.

Der Ex-Soldat widersprach damit der Einschätzung des Völkerrechtlers Manfred Nowak, demzufolge die Blauhelme die Pflicht gehabt hätten, die Syrer vor dem Hinterhalt zu warnen.

Schlimmstenfalls könnte den Bundesheer-Soldaten eine Anklage wegen Beihilfe zum Mord drohen, weil sie den Syrern "wider besseres Wissen eine falsche Auskunft gegeben" hätten.

Israel hatte einen Teil der syrischen Golanhöhen 1967 besetzt und später annektiert. Der Waffenstillstand wird von der UNO überwacht.

Wegen der Verschlechterung der Sicherheitslage nach Beginn des Syrien-Kriegs 2011 zog Österreich seine Blauhelmsoldaten 2013 von dort ab. (mgb/dpa/afp)

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