Mehrere EU-Länder verkaufen Pässe oder Visa an ausländische Bürger – offenbar auch an Kriminelle. Nach Enthüllungen aus Zypern will die Europäische Kommission stärker gegen die Praxis vorgehen.

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Wer in Zypern mindestens 2,15 Millionen Euro in Immobilien oder Staatsanleihen investiert, kann auf eine attraktive Gegenleistung hoffen: Als Dank gibt es den zypriotischen Pass und damit auch die Bürgerrechte der Europäischen Union. In Zypern zu wohnen, ist dafür nicht nötig. Den Pass der Republik Malta bietet das Unternehmen Henley&Partners als Vermittler für rund 1,15 Millionen Euro an, zuzüglich Gebühren. Der ausländische Interessent muss unter anderem in einen staatlichen Entwicklungsfonds investieren. Mit dem Pass, so wirbt Henley&Partners, könne er dann frei in jedem Land der EU leben und arbeiten.

Staatsangehörigkeit als Ware: Zypern hat seit dem Start des Programms 2013 rund 4.000 Pässe verkauft und so mehr als sieben Milliarden Euro eingenommen. Doch nun soll diese Praxis enden. Anderen Staaten, dem Europäischen Parlament und der EU-Kommission ist der Verkauf der sogenannten "Goldenen Pässe" und Visa schon länger ein Dorn im Auge.

Unterstützung für vermeintlichen Kriminellen

Auslöser der jüngsten Entwicklungen waren Recherchen von Al-Jazeera. Der arabische Nachrichtensender hatte einen Strohmann namens Billy losgeschickt, der sich gegenüber Politikern in Zypern als chinesischer Geschäftsmann ausgab. Er erklärte, in China wegen Geldwäsche verurteilt worden zu sein. Obwohl er seine kriminelle Vergangenheit also nicht verschwieg, sicherte sogar der zypriotische Parlamentspräsident Demetris Syllouris zu, sich für die Einbürgerung von Billy einzusetzen. Nachdem die Recherchen bekannt geworden waren, trat der Christdemokrat Syllouris vom zweithöchsten Amt im Staat zurück. Auch ein kommunistischer Abgeordneter, der ebenfalls in den Vorgang verwickelt war, musste seinen Hut nehmen.

"Widerspricht dem Gebot der loyalen Zusammenarbeit"

"Das Erschreckende an den Recherchen von Al-Jazeera in Zypern ist die Selbstverständlichkeit, mit der Verantwortliche dort über diese kriminellen Geschäfte sprechen", sagt der Europa-Parlamentarier Sven Giegold im Gespräch mit unserer Redaktion. Der Grünen-Politiker beschäftigt sich seit langem mit dem Thema und kritisiert das Modell scharf.

"Es gibt Dinge, die nicht verkäuflich sind – und dazu zählen die Bürgerrechte", sagt Giegold. Denn verkauft würden nicht nur die Bürgerrechte eines Einzelstaates, sondern der gesamten Europäischen Union. Der Angehörige eines Mitgliedsstaates geniesst weitgehende Rechte auch im Rest der EU. "Diese Staaten massen sich an, aus dem Beitritt zum EU-Binnenmarkt ein Geschäftsmodell zu machen. Das widerspricht dem Gebot der loyalen Zusammenarbeit, dem sich die EU-Staaten verpflichtet haben", so Giegold.

Goldene Visa in zehn EU-Staaten

Wie Giegold sehen viele EU-Parlamentarier in dem Modell ein Einfallstor nicht nur für Investoren, sondern auch für Kriminelle. Die Frage sei, wer einen solchen Pass überhaupt kaufen wolle, sagt Giegold: "Häufig sind das Personen, die ansonsten bei Geschäften im Binnenmarkt Verdacht erwecken würden. EU-Papiere aus Malta oder Zypern sollen sie vor unangenehmen Fragen schützen."

Die zypriotische Regierung hat inzwischen bekannt gegeben, dass sie das Pass-Programm ab 1. November abschaffen wird. Der Inselstaat ist in der EU aber wie erwähnt kein Einzelfall. In mehreren Mitgliedsländern ist es zumindest möglich, sogenannte Goldene Visa zu erwerben – also Aufenthaltsgenehmigungen gegen Geld zu erhalten.

Die Nichtregierungsorganisation Transparency International listete 2018 zehn heutige EU-Staaten auf, die Visa zum Kauf anbieten: Österreich, Belgien, Bulgarien, Griechenland, Lettland, Litauen, Malta, Portugal, Spanien und Zypern. Das Gleiche gilt für die Nicht-EU-Staaten Grossbritannien, Schweiz und Monaco.

Im Fokus der EU steht immer wieder Malta, das wie Zypern auch Pässe zum Kauf anbietet – wenn auch unter etwas strengeren Bedingungen. Parlamentarier Giegold findet aber, dass auch das Programm in Portugal grössere Aufmerksamkeit verlangt: "Offiziell werden dort nur Visa verkauft, aber nach sechs Jahren kann dort jeder einen Pass beantragen."

EU-Kommission leitet Vertragsverletzungsverfahren ein

Am Dienstag kündigte die Europäische Kommission an, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Malta und Zypern einzuleiten. Der Passverkauf widerspricht nach Ansicht der Kommission nicht nur dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit, sondern untergräbt auch die Integrität der EU-Staatsbürgerschaft. Die bulgarische Regierung soll wegen des Themas ebenfalls einen Brief aus Brüssel bekommen. Transparency International fordert die EU auf, auch die Praxis in Österreich und Portugal unter die Lupe zu nehmen.

Grünen-Politiker Sven Giegold lobt Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) dafür, dass sie das Thema ernster nehme als ihre Vorgänger. Doch er fordert auch eine Stellungnahme aus Berlin: "Warum gibt es zu den erschreckenden Bildern aus Zypern nicht ein einziges Wort der Bundesregierung? Wir erwarten von der Bundesregierung, dass sie die deutsche Ratspräsidentschaft nutzt, um das Thema auf die Agenda zu setzen."

Verwendete Quellen:

  • Gespräch mit Sven Giegold
  • Agence France Presse (AFP)
  • Associated Press (AP)
  • Aljazeera.com: Cyprus officials implicated in plan to sell passport to criminals
  • Henley&Partners: Malta Citizenship-by-Investment Overview
  • Transparency International: Passport Dealers of Europe: Navigating the Golden Visa Market
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