Die neue EU-Kommission treibt ein Riesenprogramm für ein klimafreundliches Europa voran. Details werden aber erst in den nächsten zwei Jahren bekannt. Von der Leyen vergleicht das Projekt mit der Mondlandung.
Die Europäische Union nimmt Anlauf, bis 2050 der erste "klimaneutrale" Kontinent der Erde zu werden. Dafür präsentierte EU-Kommissionschefin
Klimaneutralität 2050 bedeutet, dass dann keine neuen Treibhausgase aus Europa mehr in die Atmosphäre gelangen. Sie müssen vermieden oder gespeichert werden. Damit soll das Pariser Klimaabkommen von 2015 umgesetzt und die globale Erwärmung möglichst bei 1,5 Grad gestoppt werden. Genau um dieses Ziel geht es auch in Madrid, wo sich die Staatengemeinschaft seit knapp zwei Wochen erneut über die genauen Regeln zur Umsetzung des Pariser Abkommens streitet.
Dort forderte am Mittwoch die schwedische Aktivistin
Das sind die Ziele
EU-Kommissionschefin von der Leyen will in ihrem "Green Deal" beides: Klimaneutralität 2050 und ein schärferes Etappenziel für 2030. Bis dahin sollen die Emissionen um 50 bis 55 Prozent unter dem Wert von 1990 liegen. Bisher hatte sich die EU ein Minus von 40 Prozent vorgenommen. Umweltschützer fordern sogar eine Verminderung um 65 Prozent binnen zehn Jahren. Doch schon um die anvisierten EU-Ziele zu erreichen, ist ein grundlegender Umbau von Energieversorgung, Industrie, Verkehr und Landwirtschaft nötig.
Der "Green Deal" ist im Wesentlichen die Ankündigung von Gesetzentwürfen und Programmen für 2020 und 2021, die den Wandel bewerkstelligen sollen. Von der Leyen sprach von einem Fahrplan zum Handeln. "Er hat 50 Aktionen bis 2050 für ein klima- und umweltfreundliches Europa", sagte sie. "Unser Ziel ist, unsere Wirtschaft mit unserem Planeten zu versöhnen und dafür zu sorgen, dass es für unsere Menschen funktioniert." Es gehe um die Senkung der Treibhausgase, aber in gleichem Masse auch um die Schaffung neuer Jobs und um ein neues Wirtschaften.
Einzelne Punkte sind zum Beispiel die Verschärfung der EU-Gesetze zur Energieeffizienz und zum Ausbau erneuerbarer Energien. Die europäische Industrie, die künftig scharfe Umweltauflagen erfüllen muss, soll mit einem "Carbon Border Mechanism" vor klimaschädlich produzierten Billigimporten geschützt werden. Ein Fonds soll 100 Milliarden Euro Hilfen für Regionen mobilisieren, denen die Umstellung besonders viel abverlangt.
Breite Rückendeckung für von der Leyen
Im Europaparlament, wo von der Leyen ihr Programm am Mittwochnachmittag als erstes vorstellte, kann sie auf breite Unterstützung zählen. Die grossen Fraktionen Europäische Volkspartei, Sozialdemokraten, Liberale und Grüne signalisierten grundsätzliche Rückendeckung. Die Linke will ein noch ehrgeizigeres Programm.
Im Europäischen Rat der Staats- und Regierungschefs gibt es ebenfalls breite Rückendeckung, auch von Deutschland. Allerdings wehrten sich vor dem EU-Gipfel am Donnerstag Polen, Ungarn und Tschechien weiter gegen die Festlegung der "Klimaneutralität 2050" ohne konkrete Zusagen für finanzielle Hilfen. EU-Ratschef Charles Michel appellierte an alle Staaten, das neue Klimaziel mitzutragen.
Kritik aus der Wirtschaft und von der AfD
Aus der Wirtschaft kommen kritische Stimmen. Der Bundesverband der Deutschen Industrie monierte, die ständige Verschärfung der Klimaziele führe zu einer Verunsicherung der Konsumenten und Unternehmen. Das sei "Gift für langlebige Investitionen". Der AfD-Europaabgeordnete Jörg Meuthen nannte von der Leyen die "Vollstreckerin der grünsozialistischen Agenda".
Viele Klimaschützer loben von der Leyens Pläne grundsätzlich, fordern aber schnelleres Handeln. In Madrid sagte auch UN-Generalsekretär António Guterres, die nächsten zwölf Monate seien entscheidend. "2020 müssen wir liefern, was die Wissenschaft als Muss festgeschrieben hat, oder wir und alle folgenden Generationen werden einen unerträglichen Preis zahlen", sagte Guterres. Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) nannte die EU-Pläne einen "wichtigen Impuls" für die Verhandlungen in Madrid. Am Rande der Klimakonferenz wurde am Mittwoch eine nicht angemeldete Kundgebung von Sicherheitsleuten aufgelöst, was Umweltverbände empörte.
Von der Leyen lobte ausdrücklich, dass viele Bürger ihre Gewohnheiten und den Lebensstil bereits umstellten. Allerdings wurde am Mittwoch auch bekannt, dass der Boom von SUVs und Geländewagen in Deutschland anhält: 2019 werden nach Zahlen des Kraftfahrtbundesamts erstmals in einem Jahr mehr als eine Million dieser Fahrzeuge neu zugelassen. Sie sind wegen ihres oft hohen Verbrauchs umstritten. (dpa/sg)
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