Durchbruch in Berlin: Die Spitzen der grossen Koalition haben sich auf ein Paket gegen illegale Migration und eine Verschärfung der Asylpolitik geeinigt.
Es ist das Ende eines nervenzehrenden Asylstreits: Die grosse Koalition hat sich auf ein Paket gegen illegale Migration geeinigt. Darauf hatte vor allem CSU-Chef und Innenminister
Seehofer setzt sich durch
Seehofer hatte noch am Sonntag im unionsinternen Streit mit Rücktritt gedroht und von
Gibt es die Abkommen sollen für das Transitverfahren bestehende Einrichtungen der Bundespolizei in Grenznähe genutzt werden, "sofern die Personen nicht unmittelbar in die bestehende Unterbringungsmöglichkeit im Transitbereich des Flughafens München gebracht werden und von dort aus in den Erstaufnahmestaat zurückkehren können", heisst es in dem Einigungspapier der grossen Koalition.
Wie beim bestehenden Flughafenverfahren würden die Personen rechtlich nicht nach Deutschland einreisen. Die Zurückweisung soll innerhalb von 48 Stunden erfolgen. Die bislang von der Union benutzte und von der SPD abgelehnte Bezeichnung "Transitzentren" taucht in dem Papier nicht mehr auf.
"Keine Alleingänge"
Das Verfahren soll nur an der deutsch-österreichischen Grenze zum Einsatz kommen - damit es funktioniert, müssen bilaterale Abkommen vor allem mit Italien und Griechenland ausgehandelt werden, von wo die meisten Migranten kommen, die bereits Asyl beantragt haben.
Bisher gibt es lediglich rund 150 Fälle im Monat in Bayern, auf die das Verfahren angewendet werden könnte. SPD-Chefin Andrea Nahles betonte: "Es wird keine nationalen Alleingänge geben." Vizekanzler Olaf Scholz sagte, die SPD hoffe, dass das vorgezogene "Sommertheater" nun beendet sei.
"Transferzentren" statt "Transitzentren"
Seehofer spricht nun von "Transferzentren". Auf die Frage, ob sich der ganze Streit gelohnt habe, sagte Seehofer: An der Grenze werde nun der Rechtsstaat durchgesetzt. "Da kommt’s nicht auf die Masse an." Es soll zudem schneller geklärt werden, welches EU-Land für einen Asylbewerber zuständig ist. Ausserdem sind hinter den Grenzen - und zwar bundesweit, nicht nur in Bayern - mehr Schleierfahndungen und "sonstige intelligente grenzpolizeiliche Handlungsansätze" geplant. Dadurch sollen auch mehr Migranten gefasst werden, die schon in einem anderen EU-Land registriert sind, und dann umgehend in die Ankerzentren gebracht werden. Das betrifft deutlich mehr Personen als solche, die woanders auch schon einen Asylantrag gestellt haben: Seehofer sprach von 46.000 Fällen im Jahr.
Kein Recht, das Land selbst auszusuchen
Im Papier heisst es: "Das Recht auf Asyl beinhaltet nicht das Recht, sich das europäische Land aussuchen zu können, in dem man das Asyl erhält." Das beschleunigte Verfahren für Migranten, die bei der Einreise etwa in Italien oder Griechenland lediglich registriert wurden, soll demnach in einer eigenen Vorschrift normiert werden. Unter anderem sollen die Betroffenen einer Residenzpflicht in den noch zu gründenden Ankerzentren unterliegen; sie sollen nicht auf die Kommunen verteilt werden. Der Bund will zudem den Ländern verstärkt die Rückführung von Flüchtlingen ohne Bleibeperspektive abnehmen.
AnkER-Verfahren soll Rückkehr regeln
Um die Rückkehr zu beschleunigen, werde der Bund dies für die Fälle von Menschen anbieten, die bereits in einem anderen EU-Staat registriert worden sind und die in eines der geplanten neuen Ankerzentren gekommen sind. Dort sollen Schutzsuchende das gesamte Asylverfahren durchlaufen - Ankunft, Entscheidung, kommunale Verteilung beziehungsweise Rückführung (kurz: AnkER).
Vor dem Durchbruch hatte die Bundesregierung einige Dämpfer erlitten im Ringen um eine raschere Rückführung von Menschen ohne Bleibeperspektive. Weder Österreichs Kanzler Sebastian Kurz, den Seehofer am Donnerstag traf, noch Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban, der Kanzlerin Angela Merkel (CDU) besuchte, liessen sich zu Zugeständnissen bewegen bei der Rücknahme von Asylbewerbern.
Stellt sich Italien quer?
Beide sehen sich als nicht zuständig für Asylbewerber, die bereits in einem anderen EU-Land einen Asylantrag gestellt haben. Auch eine entsprechende Vereinbarung mit dem wichtigen Ersteinreiseland Italien erscheint nahezu aussichtslos, nachdem die Regierung in Rom bereits abgeblockt hat. "Das werden nicht ganz einfache Verhandlungen", räumte Seehofer ein. Letztlich sehe er die Verantwortung für Rücknahmevereinbarungen mit anderen EU-Ländern bei Kanzlerin Merkel.
"Ich gehe davon aus, dass wegen der Komplexität und der europäischen Dimension nach meiner Einschätzung am Ende die wichtigsten Punkte dieser Vereinbarung von den Regierungschefs fixiert werden müssen", sagte der Innenminister. Mit Kanzler Kurz kam Seehofer aber überein, dass sich Österreich und Deutschland gemeinsam mit Italien dafür einsetzen wollen, die Mittelmeer-Route für Flüchtlinge zu schliessen.
Nächste Woche Gipfel mit Österreich und Italien
Bereits in der kommenden Woche solle in Innsbruck ein Treffen der drei Innenminister aus Deutschland, Österreich und Italien stattfinden, um das weitere Vorgehen zu besprechen. "Das ist im Interesse Italiens, aber auch Österreichs und Deutschlands, wenn der Migrationsdruck über diese Route weniger wird", sagte Kanzler Kurz.
Keinerlei Annäherung brachte das Treffen von Merkel mit Ungarns Regierungschef. Orban machte deutlich, dass Ungarn keine Asylbewerber aufnehmen will, die von Deutschland nach den Dublin-Regeln der EU zurückgeschickt werden: "Es ist nämlich so dass Ungarn nicht der erste Zutrittspunkt ist, wenn es darum geht, EU-Gebiet zu betreten. Der Ersteintrittspunkt ist Griechenland." Deshalb müsse Deutschland diese Menschen nach Griechenland zurückbringen und nicht nach Ungarn. Durch den besseren Schutz seiner Südgrenze nehme Ungarn Deutschland "eine immense Last" ab. Deshalb sei es "unfair, dass man uns in Deutschland oft mangelnde Solidarität vorwirft". (mss/dpa)
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