Weder Bundeskanzlerin Angela Merkel noch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron möchten sich auf wesentliche Änderungen des Brexit-Abkommens einlassen. Damit ist die Bilanz seiner Treffen in Berlin und Paris für den britischen Premier Boris Johnson eher ernüchternd.

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Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat bei einem Besuch des britischen Premierministers Boris Johnson der Neuverhandlung des Brexit-Abkommens eine deutliche Absage erteilt.

Zwar bestehe die Möglichkeit, Änderungen an der von Johnsons Vorgängerin Theresa May verhandelten Einigung vorzunehmen, sagte Macron am Donnerstag in Paris. Er betonte jedoch: Innerhalb eines Monats werde kein neues Austrittsabkommen gefunden werden, das sich von dem bereits bestehenden gross entferne. Den Zeitraum von 30 Tagen für Änderungen hatte am Mittwoch erstmals Bundeskanzlerin Angela Merkel genannt.

Johnson betonte, dass er eine Einigung für den Austritt seines Landes aus der EU erzielen wolle. "Ich möchte ein Abkommen", sagte Johnson bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Macron vor dem Élyséepalast. Er sei durch sein Treffen mit Merkel "sehr ermutigt" worden und denke, dass eine gute Einigung möglich sei, so Johnson.

Vor Johnsons Reisen hatten manche Beobachter vermutet, es gehe dem neuen Premier wohl auch darum, den Europäern schon mal die Schuld in die Schuhe zu schieben, wenn es am Ende zu einem Ausscheiden aus der EU ohne Vertrag kommen sollte.

Verwirrung um Angela Merkels Aussage

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte beim Besuch von Johnson am Mittwoch nicht ausgeschlossen, dass es innerhalb der nächsten 30 Tage zu einer Lösung im Streit um den sogenannten Backstop kommen könnte.

Diese Garantie-Regelung für eine offene Grenze zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Republik Irland stösst auf heftigen Widerstand in Johnsons konservativer Regierungspartei. Die Regelung sieht vor, dass Grossbritannien in der Zollunion mit der EU bleibt, bis eine bessere Lösung gefunden ist. Für Nordirland sollen zudem teilweise Regeln des Europäischen Binnenmarkts gelten.

Die Interpretationen über die Aussagen Merkels gingen vor allem in der britischen Presse weit auseinander. Während die "Daily Mail" über einen "Brexit-Schub für Boris" jubelte und der "Telegraph" die "Aussicht auf einen neuen Brexit-Deal" gekommen sah, befand der "Daily Mirror", Merkel habe ein Ultimatum gesetzt und Johnsons Bluff entlarvt.

Die BBC konstatierte dagegen, Merkel habe keine Neuverhandlung des Brexit-Abkommens in Aussicht gestellt, sondern vielmehr über Änderungen an der nicht verbindlichen politischen Erklärung über das künftige Verhältnis zwischen Brüssel und London gesprochen.

Jeder interpretiert auf seine Weise

In Paris beanspruchten am Donnerstag sowohl Macron als auch Johnson, die Worte der Kanzlerin in ihrem Sinne zu interpretieren. Macron sprach von Zusätzen zum Brexit-Abkommen, ohne an den Grundlagen des Deals zu rütteln.

Johnson dagegen verwies auf mögliche technische Lösungen, um Grenzkontrollen zu verhindern. Er habe schliesslich neben der Kanzlerin gestanden, als sie von den 30 Tagen gesprochen habe.

Die Ratlosigkeit auch bei Journalisten ging so weit, dass Merkel am Donnerstag ihre Aussage auf Nachfrage noch einmal konkretisieren musste. Die 30 Tage seien sinnbildlich gemeint gewesen, betonte sie.

Es gehe darum, "ein Regime zu finden, wie wir das Good Friday Agreement [Karfreitagsabkommen] einerseits einhalten - was der Wunsch der Republik Irland ist genauso wie der Wunsch von Grossbritannien - und gleichzeitig die Integrität des Binnenmarkts sichern können."

Notfalls auch ohne Abkommen

Johnsons Vorgängerin Theresa May war drei Mal mit dem Austrittsabkommen im Parlament gescheitert. Johnson fordert, den Backstop zu streichen. Er betonte am Mittwoch in Berlin erneut: "Der Backstop weist grosse, grosse Mängel auf für ein souveränes, demokratisches Land wie das Vereinigte Königreich. Er muss einfach gestrichen werden."

Die EU lehnt das ab. Merkel zeigte sich offen für Alternativen zu der Garantie-Regel, forderte jedoch, London müsse eine Lösung präsentieren. Johnson droht bisher, notfalls auch ohne einem Abkommen die EU am 31. Oktober zu verlassen.

Das No-Deal-Szenario sei eine politische Entscheidung des Premierministers, betonte Macron. "Das ist nicht unsere Entscheidung." Neben dem britischen EU-Austritt sollten auch der G7-Gipfel, der am Samstag im französischen Badeort Biarritz beginnt, die Irankrise und der Syrienkonflikt auf der Agenda stehen. (ff/dpa)

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