Der Brexit-Vorschlag von Theresa May hat erste personelle Konsequenzen. Der britische Brexit-Minister Dominic Raab ist aus Protest von seinem Amt zurückgetreten. May stellt ihre Brexit-Pläne heute im Parlament vor - und es wird mit weiter massivem Widerstand aus den eigenen Reihen gerechnet.

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Der britische Brexit-Minister Dominic Raab ist aus Protest gegen die Brexit-Pläne von Premierministerin Theresa May von seinem Amt zurückgetreten. Das teilte Raab am Donnerstag im Kurznachrichtendienst Twitter mit. Er könne den Bedingungen des Austritts-Abkommens nicht "guten Gewissens" zustimmen.

Zudem nahm auch der britische Nordirland-Staatssekretär Shailesh Vara aus Protest seinen Hut. Der Tory-Politiker bezeichnete Grossbritannien als "stolze Nation", die nicht darauf reduziert werden sollte, den Regeln anderer Länder zu gehorchen. "Die Menschen in Grossbritannien verdienen Besseres."

Britische Medien rechneten mit weiteren Rücktritten von Politikern in diesen Tagen aus Protest gegen die Brexit-Pläne der Premierministerin Theresa May. Als mögliche Rückzugskandidaten wurden unter anderem Handelsminister Liam Fox, Entwicklungshilfeministerin Penny Mordaunt und Arbeitsministerin Esther McVey genannt.

Dominic Raab ist Brexit-Hardliner

Raab ist wie sein Vorgänger David Davis, für den er eine Zeit lang als Büroleiter arbeitete, ein Brexit-Hardliner. Auch Davis war wegen grosser Differenzen mit May über den geplanten EU-Austritt im Juli 2018 zurückgetreten.

Kurz nach der Ernennung Raabs zum Brexit-Minister hatte May die Brexit-Verhandlungen zur Chefsache erklärt. Sie teilte Raab eine Stellvertreterrolle bei den Gesprächen mit Brüssel zu. Grossbritannien will Ende März 2019 die Europäische Union verlassen.

Nicht immer machte Raab als Brexit-Minister eine glückliche Figur: So handelte er sich mit einer Äusserung zum Handel zwischen Grossbritannien und dem Kontinent heftigen Spott ein. Ihm sei das volle Ausmass der Bedeutung des Ärmelkanals für den Handel nicht klar gewesen, hatte Raab bei einer Konferenz in London gesagt.

Die Strecke Dover-Calais ist die wichtigste Verbindung zwischen Grossbritannien und dem Festland. Schiffe transportieren 2,5 Millionen Lastwagen pro Jahr über die Meeresenge. Unter dem Ärmelkanal verläuft zudem der Eurotunnel mit Zügen für Personen und Fahrzeuge.

Raab studierte an den Elite-Universitäten in Cambridge und Oxford. Er ist mit einer Brasilianerin verheiratet und hat zwei Kinder.

May stellt Brexit-Entwurf im Parlament vor

Überschattet von den beiden Rücktritten stellt Theresa May am heutigen Donnerstag ihren Entwurf für einen geordneten Brexit im Parlament vor. Das 585 Seiten starke Dokument war nach stundenlanger Debatte am Mittwochabend vom Kabinett gebilligt worden.

Die Regierungschefin dürfte grösste Schwierigkeiten haben, für den Deal eine Mehrheit im Parlament zu finden, das den Vertrag später ratifizieren muss. Die Opposition kündigte an, gegen das Abkommen zu stimmen.

Einer der grössten Widersacher Mays, der einflussreiche Hinterbänkler Jacob Rees-Mogg, sprach in der BBC von einem "ziemlich miesen Abkommen". Er kündigte an, im Parlament gegen den Entwurf zu stimmen.

Harsche Kritik kam auch von Brexit-Hardlinern in ihrer eigenen Partei und der nordirischen DUP. Mays Minderheitsregierung ist auf die Unterstützung der DUP-Abgeordneten angewiesen. Die britischen Liberaldemokraten lehnen den Entwurf als "idiotisch" ab. Die Liberaldemokraten, die für einen Verbleib ihres Landes in der EU sind, würden im Parlament gegen den vorgelegten Entwurf stimmen. Das kündigte ihre Abgeordnete Wera Hobhouse im Radioprogramm SWR Aktuell an.

Nordirland-Frage spaltet weiter britische Regierung

Den Entwurf anzunehmen sei schwer gewesen, vor allem mit Blick auf die umstrittene Irland-Frage, sagte May. "Aber ich glaube, es ist eine Entscheidung, die zutiefst im nationalen Interesse ist." Die Regierungschefin räumte mit Blick auf das Parlament in London ein: "Es liegen noch schwierige Tage vor uns."

Bislang ist noch nicht bekannt, wie May eine harte Grenze zwischen Nordirland und der Republik Irland nach einem Austritt von Grossbritannien verhindern will. An dieser für EU und Grossbritannien entscheidenden Frage, waren die Brexit-Verhandlungen bislang immer wieder ins Stocken geraten. DUP-Chefin Arlene Foster teilte mit: "Als Unionisten können wir kein Abkommen unterstützen, das das Vereinigte Königreich auseinanderbrechen lässt." Das habe Folgen für die Abstimmung.

EU beruft bereits Austritts-Gipfel ein

Indes hat EU-Ratspräsident Donald Tusk bereits einen Sondergipfel einberufen, um den Austrittsvertrag der Europäischen Union mit Grossbritannien unter Dach und Fach zu bringen. Das Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs solle am 25. November in Brüssel stattfinden, teilte Tusk am Donnerstagmorgen mit.

"So traurig ich auch bin, euch gehen zu sehen, werde ich alles tun, um diesen Abschied so schmerzlos wie möglich zu machen, sowohl für euch als auch für uns", sagte Tusk in Richtung der Briten.

Die EU und Grossbritannien hatten Anfang der Woche nach eineinhalbjährigen Verhandlungen einen Austrittsvertrag fertiggestellt, der einen geordneten Austritt am 29. März 2019 und eine knapp zweijährige Übergangsfrist bis Ende 2020 vorsieht. Durch die Zustimmung des Kabinetts May am Mittwoch, ist aus Sicht der EU die Voraussetzung für den Sondergipfel gegeben.

Die vom EU-Chefunterhändler Michel Barnier erreichte Einigung sichere die wichtigsten Ziele der EU, sagte Tusk. Der mit dem Brexit verbundene Schaden werde begrenzt und die zentralen Interessen der verbleibenden 27 EU-Staaten sowie der Union als Ganzes würden geschützt. (mgb/szu/dpa)

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