Das britische Parlament hat den Brexit-Deal wie erwartet abgelehnt, Premierministerin Theresa May muss sich einem Misstrauensvotum stellen. Die internationale Presse reagiert am Mittwoch mit Unverständnis und Verunsicherung auf die Entscheidung in London.
Grossbritannien
"Telegraph": Man muss sich für eine Seite entscheiden
"Was Frau
Das erfordert, sich für eine Seite zu entscheiden und sich für sie einzusetzen. Ihr Versuch, alle - einschliesslich Brüssel - zufriedenzustellen - hat am Ende niemanden zufriedengestellt. Das Ausmass ihrer Niederlage ist der Beweis.
"Independent": Es wird irgendeine neue Abstimmung geben
"Bald wird die souveräne Entscheidung über den Brexit daher auf die ein oder andere Weise ihren Weg zurück zur Wählerschaft finden. (...) Alle, die 2016 abgestimmt haben, können noch einmal abstimmen.
Sie können erneut für den Brexit stimmen, wenn sie wollen. Sie können aber auch zu dem Schluss kommen, dass der Brexit sich, aus welchem Grund auch immer, nicht als das leicht umzusetzende Paradies der Möglichkeiten erwiesen hat, das ihnen einst präsentiert wurde."
"Guardian": Müssen dem Chaos ein Ende setzen
"Eine fehlende Führung kann zu einem Gefühl der Panik führen, das von einer Regierung noch verstärkt wird, die Lebensmittel- und Medikamentenvorräte anlegt, als bereite sie sich auf einen Krieg vor. Wir müssen dem Chaos und der Spaltung ein Ende setzen, die soviel dazu beigetragen haben, unser Land zu entstellen."
"Times": May hat schlechte Karten, aber auch ausserordentlich schlecht gespielt
"Das Land ist mit einer Krise konfrontiert und es nicht klar, ob Theresa May Teil des Problems oder Teil der Lösung ist. Sie hatte schlechte Karten, aber sie hat sie auch ausserordentlich schlecht gespielt. (...) Wenn May unwillig ist, das Notwendige zu tun, um ein Chaos zu vermeiden, wird das Parlament eine Führungspersönlichkeit finden müssen, die dazu bereit ist."
Russland
"Iswestija": Das Scheitern des Brexit-Deals haben alle vorausgesagt
"Das Scheitern des Brexit-Deals haben alle vorausgesagt - von der oppositionellen Labour-Partei bis zu Mays Unterstützern.
Britische und internationale Medien schrieben, dass die maximale Aufgabe der Premierministerin darin bestand, eine verheerende Niederlage zu vermeiden und zu zeigen, dass ihr Austrittsvertrag im Vergleich zu anderen Szenarien 'das geringere Übel' gewesen wäre.
Nun soll die Regierung in den nächsten Tagen ein alternatives Brexit-Szenario entwickeln, das von Brüssel und von London angenommen wird.
In Anbetracht der Tatsache, dass die Verhandlungen mit der EU seit fast zwei Jahren andauern und Brüssel Änderungen ablehnt, scheint die Schaffung einer akzeptablen Alternative in so kurzer Zeit etwas unrealistisch."
USA
"New York Times": Zweites Referendum ist beste erkennbare Lösung
"Andere Länder der (Europäischen) Union, einschliesslich Dänemark und Irland, haben zweimal über europäische Verträge abgestimmt und das ursprüngliche Ergebnis umgekehrt.
Sofern sich das sagen lässt, sind sie weiterhin blühende Demokratien. Menschen können ihre Meinung ändern und überleben. Der Weg von hier zu einer zweiten Abstimmung verläuft nicht in einer geraden Linie, aber wenigstens zeichnet sich seine Richtung ab. (...)
Es gibt keine guten Lösungen für die derzeitige Pattsituation, aber ein zweites Referendum wäre nicht die schlechteste.
Die gesamte Debatte steht einem klaren Faktum gegenüber: Ein Brexit schadet dem britischen nationalen Interesse. Kein Abkommen kann das beschönigen.
May hat es versucht und ist gescheitert. Die Briten und insbesondere die britische Jugend verdienen das Recht, ihre Zukunft auf der Basis der Realität langfristig selbst zu bestimmen."
Frankreich
"Les Dernières Nouvelles d'Alsace": Erniedrigt, verurteilt und verraten
"Eine fluchbeladene Heldin, die allen Widerständen zum Trotz am Ruder eines abdriftenden Schiffes verbleibt. (...) Es gibt wohl in der westlichen Welt keinen Regierungschef, der so erniedrigt, verurteilt und verraten wurde wie die britische Premierministerin. Und dennoch gibt sie nicht auf.
Hundert Mal hat man sie am Boden gesehen. Hundert Mal ist sie wieder aufgestanden - und keiner weiss, ob es sich um Mut oder Leichtfertigkeit handelt."
Schweiz
"Neue Zürcher Zeitung": Verfassungskrise droht
"Früher traten Regierungschefs zurück, wenn sie eine wichtige Abstimmung verloren hatten, auch bei unwichtigeren Niederlagen. May aber wird freiwillig nicht gehen, aus zweierlei Gründen.
Erstens würde die Krise kaum gemildert, wenn in den nächsten Wochen Neuwahlen stattfinden müssten. Zweitens führte das Parlament 2011 eine Gesetzesänderung ein, die fixe Legislaturperioden von fünf Jahren vorsieht.
Der demokratischen Tradition steht somit der Buchstabe des Gesetzes entgegen. Das könnte noch zu einer Verfassungskrise führen."
"Tages-Anzeiger": Mit schweren Turbulenzen ist zu rechnen
"In der Hitze des Gefechts seit 2016 haben sich gefährliche Fronten gebildet, in Westminster wie im ganzen Land.
Am dringlichsten ist wohl, dass sich im Parlament jetzt eine klare Mehrheit formiert, die eine 'No Deal'-Katastrophe, den 'Sprung über die Klippe', verhindert. Das wäre der erste Schritt. Stattdessen ist aber erst einmal mit weiteren schweren Turbulenzen zu rechnen."
Italien
"La Repubblica": Grossbritannien driftet ab
"Das Abkommen, über das zweieinhalb Jahre mit der Europäischen Union verhandelt wurde, wurde abgelehnt. Und Grossbritannien gleicht einer abdriftenden Insel.
Der Brexit scheint zurück an seinem Ausgangspunkt zu sein. Es gibt viele Spekulationen, aber keinerlei Sicherheit. Alles scheint möglich."
Belgien
"De Tijd": Grossbritannien ist hoffnungslos entzweit
"Die britische Politik ist in der Frage, wie man mit dem Brexit umgehen sollte, hoffnungslos entzweit. Klar ist nur, was die Briten nicht wollen: den jetzigen Deal. Wie es nun weitergehen soll, ist offen. (...)
Natürlich kann die britische Regierung einen Aufschub beantragen und versuchen, den fatalen Termin 29. März zu verschieben. Dann müssten alle europäischen Mitgliedstaaten dem zustimmen.
Die Frage ist nur, warum sie dies tun sollten. Wenn das Vereinigte Königreich keine Ahnung hat, wohin es eigentlich will, was kann Europa dann noch tun?"
"De Standaard": Brexit-Szenarien führen nur zu noch mehr Streit
"Nach der dramatischen Abstimmung bleiben noch viele Szenarien übrig, aber alle scheinen nur zu noch mehr Chaos, Unsicherheit und bitterem Streit zu führen.
Theresa May kann in den nächsten Tagen noch einiges versuchen, aber wie sollte das noch einen Unterschied machen?
Sie kann zum wiederholten Male probieren, in Brüssel mehr herauszuholen. Aber die 27 EU-Staaten sind bislang stets auf derselben Linie geblieben: keine Rechte ohne Pflichten.
Oder sie kann um Aufschub für den EU-Austritt bitten, was man ihr vielleicht gewähren würde, aber warum sollte in einigen Wochen oder Monaten plötzlich möglich werden, was in den zurückliegenden zweieinhalb Jahren nicht erreichbar war?"
Niederlande
"De Telegraaf": Es bleibt keine Zeit mehr
"Nun bleibt Grossbritannien und der EU kaum noch Zeit, eine wirtschaftliche Katastrophe zu verhindern. Diese Niederlage kann nur dazu führen, den Austritt der Briten aus der EU zu verschieben.
Es sei denn, Brüssel bleibt hart. Dann käme es am Stichtag 29. März zu einem knallharten Brexit mit allen entsprechenden Folgen. (...)
Der Brexit-Deal ist jedenfalls, wie es im Unterhaus hiess, tot wie ein Dodo. Niemand glaubt daran, dass die Briten einen 'Plan B' haben."
(dpa/kad)
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