Der Traum von einem vereinten Europa ist für die Brexit-Gegner geplatzt: 51,9 Prozent der Briten haben sich für den Ausstieg aus der Europäischen Union entschieden. Die internationalen Finanzmärkte sind erschüttert, das britische Pfund ist auf den tiefsten Stand seit 1985 gefallen. Der Brexit könnte die Krise in Europa verschärfen.
Sie haben es tatsächlich getan: Die Briten wollen mit dem Brexit raus aus der EU. Die Wahlbeteiligung lag bei über 70 Prozent, das Ergebnis war am Ende knapp.
Während Nordirland und Schottland mit grosser Mehrheit gegen den Brexit stimmten, entschieden sich die Wähler in England und Wales in den meisten Regionen klar für den Ausstieg. Zum ersten Mal verlässt damit ein Land die Europäische Union. Brüssel stehen nun turbulente Zeiten bevor. Die europäische Gemeinschaft dürfte vor der grössten Krise ihrer Geschichte stehen.
Nigel Farage, Chef der britischen Unabhängigkeitspartei (UKIP), erklärte den Brexit als einen "Sieg für die normalen, die vernünftigen Leute". Der 23. Juni werde als Unabhängigkeitstag Grossbritanniens in die Geschichte eingehen. Nun hofft Farage laut eigener Aussage auf den Fall der EU und bezeichnete sie als "Misserfolg". Der britische Premierministers David Cameron kündigte seinen Rücktritt an.
Britische Währung stürzt dramatisch ab
Der Brexit hat auch die internationalen Börsen in Aufruhr versetzt. Bereits vor der endgültigen Auszählung warfen Anleger Pfund und Aktien aus ihren Depots. Grund dafür ist die Angst vor einer Wirtschaftskrise auf der Insel und einer Beeinträchtigung der weltweiten Konjunktur.
Am Devisenmarkt stürzte die britische Währung als erste Reaktionen um mehr als neun Prozent auf 1,33 Dollar ab. Damit fiel das Pfund auf den tiefsten Stand seit drei Jahrzenten. Auch die Kurse der britischen Banken brachen ein. An der Börse in der ehemaligen britischen Kronkolonie Hongkong ging es am Freitagmorgen zweistellig abwärts.
Doch wie geht es nun weiter? Was sind die Folgen des Brexit und was wird passieren?
Tatsächlicher Brexit kann noch Jahre dauern
"Der Austritt wird durch Artikel 50 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union geregelt. Dort wird eine Frist von zwei Jahren genannt, die jedoch erst beginnt, wenn die britische Regierung die EU offiziell über den Austrittsbeschluss informiert. Es ist also möglich, dass sich die Verhandlungen über zwei Jahre und länger hinziehen", erklärt Interims-Lehrstuhlinhaberin für Europa- und Mehrebenen-Politik an der Uni Köln, Dr. Aleksandra Maatsch, im Gespräch mit unserer Redaktion.
Das Ergebnis des Referendums initiiere laut Maatsch also nicht automatisch die Prozedur des Austritts: "Die wird erst aktiviert, nachdem der Premierminister den entsprechenden Antrag stellt. Über Details lässt sich noch nicht viel sagen, weil es der erste Austritt wäre", so Maatsch.
Die in Artikel 50 verankerte Option, statt eines Austritts einen neuen Deal mit der EU zu verhandeln, sei angesichts des Ergebnisses nicht mehr wahrscheinlich.
Für Europa sei der Brexit eine grosse Herausforderung. Mit einer ähnlichen Situation sei die EU bisher noch nicht konfrontiert worden.
Brexit könnte Krise in Europa verschärfen
"Mittelfristig könnte das Referendum die Krise in Europa verschärfen", sagt Maatsch. Europa habe sich nach der Wirtschaftskrise noch nicht wieder erholt, das Vertrauen in die EU und die europäischen Institutionen sei gesunken. "Wichtig ist, dass die EU jetzt mit einer Stimme spricht", betont Maatsch.
Der Brexit habe gezeigt, dass Grossbritannien sehr tief gespalten ist. Laut Maatsch betreffe das sowohl die Zivilgesellschaft als auch die Politiker.
"Die Hälfte der Gesellschaft ist mit der heutigen Entscheidung tief unzufrieden", sagt Maatsch. So zum Beispiel die Schotten. Deren Regierungschefin Nicola Sturgeon sieht die Zukunft ihres Landes trotzdem als Teil der EU. Laut Maatsch ist ein erneutes Unabhängigkeitsreferendum der Schotten möglich.
Nun treffen in Luxemburg die Aussenminister der sechs EU-Gründer Deutschland, Frankreich, Italien, Niederlande, Belgien und Luxemburg zusammen. Laut Maatsch werde erst einmal auf EU-Ebene diskutiert, wie man auf das Ergebnis reagieren solle. "Erst im zweiten Schritt wird man mit der Vorbereitung der eigentlichen Austrittsprozedur beginnen", so die Politologin.
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