Jetzt ist es offiziell: Theresa May hat erneut einen Aufschub der Brexit-Frist bei der EU beantragt. Dieses Mal will sich Grossbritannien bis zum 30. Juni auf Austritts-Modalitäten geeinigt haben. Doch das bedeutet, dass das Land an der Europawahl teilnimmt. Oder etwa nicht? Die Antwort ist kompliziert.
Die Europawahl vom 23. bis 26. Mai gilt als Knackpunkt bei einer Verschiebung des derzeit für den 12. April geplanten Brexits. Denn als EU-Mitglied muss Grossbritannien Abgeordnete wählen lassen.
Juristische Gutachter waren sich uneins über den entscheidenden Termin: Einige EU-Experten hielten das Wahldatum für massgeblich; andere sahen Spielraum bis zur konstituierenden Sitzung des neuen Parlaments am 2. Juli.
Bislang war klar: Der 12. April ist Stichtag
Die EU-Staats- und Regierungschefs wollten bei ihrem Gipfel Ende März kein rechtliches Risiko eingehen und entschieden sich für den Tag vor Beginn der Europawahl als Fristende - also den 22. Mai. Sie wollten nicht, dass rechtliche Zweifel oder Anfechtungsklagen das neue Parlament lahmlegen, wenn Grossbritannien Anfang Juli doch noch Mitglied sein sollte, aber keine Abgeordneten gewählt hat.
Deshalb gewährten die 27 bleibenden Staaten ohne Bedingungen zunächst nur einen Aufschub bis zum 12. April: Das ist der letzte Tag, an dem Grossbritannien nach eigenem Recht eine Europawahl ansetzen könnte. Nur wenn London das bereits dreimal abgelehnte Austrittsabkommen doch noch annähme, sollte ein Aufschub bis zum 22. Mai gelten. Das ist bisher aber nicht gelungen.
May will Brexit-Fristverlängerung bis 30. Juni
Am 10. April, dem nächsten Mittwoch, soll ein EU-Sondergipfel erneut beraten. Die britische Premierministerin
EU-Ratschef Donald Tusk plädiert dafür, die Frist gleich für zwölf Monate zu verlängern und die Briten in jedem Fall mitwählen zu lassen. In beiden Fällen würde Grossbritannien also noch einmal Abgeordnete bestimmen, die wohl während der fünfjährigen Legislatur ausscheiden würden.
Mays und Tusks Plan birgt zwei grosse Probleme für die EU
Für die EU brächte dies zwei Probleme. Die mit Blick auf den Brexit beschlossene Verkleinerung des Hauses von 751 auf 705 Sitze fiele vorerst aus. Auch die mit dem Gesetz beschlossene Neuverteilung von 27 der bisher 73 britischen Sitze läge auf Eis. Frankreich und Spanien sollten zum Beispiel jeweils fünf Mandate mehr bekommen, die Niederlande drei, Irland zwei. Für Deutschland ändert die Reform nichts.
Die Verkleinerung und die neue Aufteilung würde dann nach Angaben aus dem Parlament zum Zeitpunkt des Brexits nachgeholt. Auf die freien Plätze würden Kandidaten von hinteren Listenplätzen nachrücken.
Das andere Problem: Die britischen Abgeordneten dürften kurz vor dem EU-Austritt noch einmal die Geschicke der Gemeinschaft mitbestimmen, etwa bei der Wahl der neuen EU-Kommission. Etliche Abgeordnete bewerten dies kritisch. (mgb/dpa)
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