Der historische Moment ist gekommen: Grossbritannien hat in der Nacht auf Samstag um 0:00 Uhr die Europäische Union verlassen. Wir verfolgen die Ereignisse am Tag eins des Brexit hier im Live-Blog.
- Der Brexit ist Realität: Grossbritannien hat in der Nacht auf Samstag die EU verlassen.
- Bis zum Jahresende gibt es jedoch eine Übergangsfrist, in der sich fast nichts ändert.
Samstag, 01. Februar:
Ex-EU-Chef Prodi: Die Briten werden zurückkehren
14:13 Uhr: Der ehemalige Präsident der EU-Kommission Romano Prodi rechnet mit einer Rückkehr der Briten in die Europäische Union. "Ich bin davon überzeugt, dass sie Probleme bekommen werden und nach 15 bis 20 Jahren zurückkommen", sagte der Italiener bei einer Wirtschaftsveranstaltung in Turin nach Angaben der Nachrichtenagentur Ansa.
Der Politiker, der von 1999 bis 2004 die EU-Kommission führte, bilanzierte kurz nach dem Brexit: "Dies ist kein schöner Tag für Europa, denn Grossbritannien hat für Europa viel bedeutet, sowohl aus militärisch-politischer Sicht als auch für die wissenschaftliche Forschung und die Finanzen.
Aber es hat auch immer Unruhe hineingebracht." Über alles habe man diskutieren müssen. "Es waren schöne Jahre, aber die Beziehung zu Grossbritannien war auch sehr anstrengend", sagte der 80-jährige Prodi.
Brexit-Nacht verläuft weitgehend friedlich
12:20 Uhr: Trotz teilweise aggressiver Atmosphäre ist die Brexit-Nacht in London und anderen Teilen Grossbritanniens weitgehend friedlich verlaufen. Es habe nur wenige Festnahmen gegeben, teilte Scotland Yard am Samstag mit. Fünf Männer wurden im Londoner Regierungsviertel festgenommen, unter anderem wegen Trunkenheit und Sachbeschädigung. Hunderte Menschen hatten am Platz vor dem Parlament am späten Abend den Austritt Grossbritanniens aus der Europäischen Union gefeiert.
Auch in Glasgow wurde ein Mann festgenommen. Dort versammelten sich in der Nacht im Stadtzentrum sowohl Brexit-Befürworter als auch Brexit-Gegner. Die Polizei hielt die beiden Gruppen mit einem Grossaufgebot auf Abstand.
Söder bedauert Brexit - Bayern plant Repräsentanz in London
11:00 Uhr: Bayerns Ministerpräsident
Söder betonte, es gelte jetzt, die Beziehungen weiter eng aufrechtzuerhalten. Bayern plane daher bereits eine Repräsentanz in London. Diese "Bayern-Botschaft" werde noch vor dem Sommer eröffnet, sagte Söder. "Wir bleiben als Europäer verbunden!"
EU-Ratschef Michel hält sich nach dem Brexit an Monty Python
10:15 Uhr: Am Tag nach dem Brexit hat sich EU-Ratschef Charles Michel mit einem ironischen Tweet zu Wort gemeldet: "Always look on the bright side of life" - immer positiv bleiben, zitierte der Belgier am Samstag die britische Komikertruppe Monty Python und unterlegte dies mit Bildern der weissen Felsen von Dover und dem Hinweis auf die neuen Beziehungen zwischen der EU und Grossbritannien.
Grossbritannien hat die Europäische Union in der Nacht zum Samstag verlassen. Nun gilt zunächst eine Übergangsfrist bis Jahresende, in der sich im Alltag nichts ändert. Wie es danach weiter geht, soll in den nächsten Monaten geklärt werden.
Vollzug des Brexit spaltet auch die britischen Medien
9:45 Uhr: Die Spaltung der Briten angesichts des nun vollzogenen Brexit hat sich am Samstag auch in den Medienkommentaren widergespiegelt. Die rechtsgerichtete Boulevardzeitung "Daily Express" rief nach dem EU-Austritt des Vereinigten Königreichs in der Nacht zum Samstag "ein glorreiches neues Britannien" aus. Der Londoner "Standard" prophezeite den Briten hingegen einen "holprigen Weg" aus der EU.
Das Boulevardblatt "Sun", das vor dem Brexit-Referendum im Juni 2016 vehement für den Austritt geworben hatte, feierte den Vollzug mit dem Titel "Muscles without Brussels" (Muskeln ohne Brüssel). Der "Daily Telegraph" kommentierte: "Gut gemacht, britisches Volk - endlich draussen". Der Fernsehsender Sky News liess hingegen Wehmut erkennen mit der Laufband-Botschaft "Farewell, au revoir, Auf Wiedersehen".
Die linksgerichtete Zeitung "The Guardian" verwies auf die anhaltende Spaltung der Briten im Brexit-Streit. "Die gemischten Gefühle am Brexit-Tag zeigen, dass Grossbritannien sich noch nicht wohl in seiner Haut fühlt", kommentierte die Zeitung.
Europastaatsminister Roth: Keine Rosinenpickerei nach Brexit
9:30 Uhr: Nach dem Brexit stellt sich Europastaatsminister Michael Roth (SPD) auf schwierige Verhandlungen zwischen der EU und Grossbritannien über die künftigen Beziehungen ein. "Rosinenpickerei wird am Ende nicht funktionieren", sagte Roth am Samstag im Inforadio vom rbb. Das Ergebnis der Verhandlungen dürfe nicht zu Lasten von EU-Standards gehen, etwa in Verbraucherfragen. Man wolle auch kein Dumping um die niedrigsten Löhne und Steuern.
"Wir sind ja gerade dabei, die EU in der Sozialpolitik zu stärken. Wir wollen ja das Dumping um die niedrigsten Löhne, um die niedrigsten sozialen Standards, das Dumping um die niedrigsten Unternehmenssteuern bekämpfen (...). Da passt es einfach nicht in die Zeit, dass wir durch die Hintertür (...) Standards schleifen", sagte Roth.
Bewegende Botschaft von britischen Veteranen
8:15 Uhr: Zwei Weltkriegsveteranen haben eine bewegende Botschaft für die EU aufgenommen. Ihr Abschiedsgruss wurde von der Gruppe "Led by Donkeys" auf die weissen Klippen von Dover projiziert.
In der kurzen Nachricht verabschieden sich die beiden Veteranen von den anderen Ländern der EU. "Ich bin darüber sehr betroffen, dass wir Europa verlassen. Es hat für mich so viel bedeutet", sagt Stephen Goodall im Video. Auch sein Kollege Sid fühle sich traurig, "weil wir gar nicht wissen, wohin das alles führt". Der 98-jährige Goodall hoffe, dass sich Grossbritannien wieder an Europa annähere. Sid ist optimistisch: "Wir sehen euch von hier. Und wollen dass wir doch zusammen bleiben. Wir werden bald wieder zusammenkommen. Dessen bin ich mir sicher."
"The Independent": "EU-Anhänger mögen sich eine gewisse Zeit der Trauer gestatten"
7:45 Uhr: Seit Samstag ist Grossbritannien kein Mitglied mehr in der EU. Die britische Zeitung "The Independent" ist sich sicher: "Es wird immer wahr sein, dass Grossbritannien ausserhalb der EU schlechter dastehen wird als das innerhalb der EU der Fall wäre." Das würde aber nicht heissen, dass "wirtschaftliches Wachstum unmöglich wäre oder dass Grossbritannien sein Schicksal hinnehmen muss, ohne zu versuchen, das Beste daraus zu machen."
Auch für Brexit-Gegner hat die britische Zeitung einen Ratschlag: "EU-Anhänger mögen sich eine gewisse Zeit der Trauer gestatten, während die Austrittsbefürworter feiern. Doch dann wird es Zeit, eine andere Debatte in Gang zu bringen. Nämlich über das, was unweigerlich eine andere Art von Land werden wird."
Sturgeon: Schottland wird als unabhängiges Land zur EU zurückkehren
7:00 Uhr: Schottlands Regierungschefin Nicola Sturgeon hat direkt nach dem Brexit wieder die Unabhängigkeit ihres britischen Landesteils gefordert. "Schottland wird zum Herzen Europas als ein unabhängiges Land zurückkehren", twitterte Sturgeon nach dem EU-Austritt Grossbritanniens in der Nacht zum Samstag und stellte das Bild einer Flagge der Europäischen Union dazu. Doch der britische Premierminister
Rund 55 Prozent der Schotten hatten sich bei einem ersten Referendum im Jahr 2014 gegen eine Abspaltung vom Vereinigten Königreich ausgesprochen. Sturgeon argumentiert jedoch, die Umstände hätten sich durch den Brexit geändert. Bei der britischen Parlamentswahl im Dezember hatte Sturgeons Schottische Nationalpartei SNP zugelegt. Die Partei sieht sich daher in ihrem Unabhängigkeitsstreben bestätigt.
Freitag, 31. Januar:
Johnson hält EU-Ausstiegsrede
23:05 Uhr: Der britische Premierminister Boris Johnson will die – durch die erbitterte Debatte um den EU-Austritt entstandenen – tiefen Risse in der britischen Gesellschaft überwinden. Es sei seine Regierungsaufgabe, das Land zu "vereinen" und "nach vorne zu bringen", erklärte Johnson in einer vorher aufgezeichneten Ansprache, die eine Stunde vor dem Brexit ausgestrahlt wurde.
Den EU-Austritt bezeichnete der Premierminister darin "nicht als ein Ende, sondern als einen Anfang". Es sei der "Moment einer neuen Morgendämmerung" gekommen: "Der Vorhang hebt sich zu einem neuen Akt." Johnson beschrieb den Brexit auch als "Moment einer wahren Erneuerung" und des "nationalen Wandels" für Grossbritannien.
Unschöne Szenen auf Brexit-Fest
22:05 Uhr: Kurz vor Beginn einer vom rechtspopulistischen Chef der Brexit-Partei, Nigel Farage, organisierten Party zum EU-Austritt nahe des Londoner Parlaments ist es dort zu unschönen Szenen gekommen (siehe auch 21:23 Uhr). Erwachsene animierten Kinder am Freitagabend, auf EU-Flaggen auf dem matschigen Boden zu springen, und klatschten Beifall. Etliche Teilnehmer waren betrunken und stürzten, obwohl auf dem Parliament Square Alkohol verboten ist.
Die Veranstaltung geht auf die Initiative "Leave means Leave" zurück, zu der auch Farage gehört. Ein Feuerwerk wurde untersagt. Viele Besucher - darunter etliche friedliche - waren in Union-Jack-Fahnen gehüllt und sangen die Nationalhymne "God save the Queen".
Johnson will Freihandelsabkommen mit EU nach Vorbild Kanadas
21:54 Uhr: Grossbritanniens Premierminister Boris Johnson will mit der EU ein Freihandelsabkommen nach dem Vorbild Kanadas aushandeln. Das sagte Johnson einem Regierungssprecher zufolge bei einer Sondersitzung des Kabinetts im nordenglischen Sunderland wenige Stunden vor dem EU-Austritt des Landes. Auch mit anderen Ländern rund um die Welt sollen demnach umgehend Gespräche über Freihandelsabkommen aufgenommen werden.
Anfeindungen gegen EU-Fans bei Brexit-Party in London
21:23 Uhr: Hunderte Brexit-Befürworter feiern schon den ganzen Tag über im Londoner Regierungsviertel Westminster ihren Sieg (siehe auch 16:53 Uhr und 15:25 Uhr). Immer wieder johlen sie "Bye bye EU, bye bye".
Die Brexiteers, viele in die britische Flaggen gehüllt, sind auf dem Londonder Parlamentsvorplatz in der klaren Überzahl. Vor dem Londoner Europa-Haus hat sich aber eine kleine blau-gelbe Traube gebildet: In EU-Flaggen gehüllte Demonstranten singen für die EU-Mitarbeiter das bekannte schottische Lied "Auld Lang Syne" (Nehmt Abschied, Brüder).
Die Brexit-Gegner müssen an diesem Tag immer wieder "Shame on you!"-Rufe ("Schande über euch!") und teils obszöne Beleidigungen über sich ergehen lassen. "Ich finde das einfach nur traurig", sagt die Seniorin Valerie Ball der Nachrichtenagentur AFP. Sie hofft inständig, dass Grossbritannien irgendwann wieder zur EU stösst. "Das werde ich leider nicht mehr erleben", sagt sie. "Aber vielleicht meine Kinder und Enkel."
Ball versteht, warum Grossbritannien die EU verlässt: "Das war eine Mehrheitsentscheidung, und das müssen wir akzeptieren." Wofür sie kein Verständnis hat, ist der Hass zwischen den Brexit-Befürwortern und -Gegnern. "Ich fühle mich in die 1930er zurückversetzt", sagt sie.
Von der Leyen: EU ist durch Brexit zusammengerückt
20:13 Uhr: Aus Sicht von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen haben die 27 in der Europäischen Union verbleibenden Mitgliedsstaaten durch den Brexit an Eintracht gewonnen. "Es hat sich ausgezahlt, zusammenzustehen und sich einig zu sein", sagte von der Leyen in den ARD-"Tagesthemen".
Zugleich betonte sie, dass Europa nun "liefern" müsse bei Themen wie Klimawandel, Digitalisierung, Migration, Sicherheitspolitik sowie dem weiteren Umgang mit China und den USA. "Das ist eine Aufgabe, die ich mir selber stelle", sagte die CDU-Politikerin. Sie warnte: "Wir müssen auch aufstehen für unser Europa. Sonst werden wir es irgendwann nicht mehr haben."
In einem Interview mit dem ZDF hat von der Leyen zudem harte Verhandlungen mit Grossbritannien nach dem Brexit angekündigt: "Wir werden sehr fair verhandeln, aber sehr hart." Die EU habe eine gute Ausgangsposition, weil sie bisher Absatzmarkt für fast die Hälfte aller britischen Exporte sei. Grossbritannien habe grosses Interesse am Zugang zu diesem Markt.
Von der Leyen stellte auch klar, dass die EU alle strittigen Punkte bei den künftigen Beziehungen nur im Paket vereinbaren will. Dazu gehören nicht nur die Handelsbeziehungen, sondern zum Beispiel auch Fischereirechte oder die Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen. "Erst wenn alles durchverhandelt ist, machen wir den Sack zu und eine Unterschrift drunter, es gibt keine Rosinenpickerei vorher." In einigen Punkten sei die EU ganz klar im Vorteil, etwa beim Finanzsektor. Unterm Strich sei die EU in einer sehr starken Position.
EU-Fans bringen Beethovens "Ode an die Freude" in die britischen Charts
19:49 Uhr: Wenige Stunden vor dem Brexit haben britische EU-Fans einen letzten symbolischen Sieg gefeiert: Sie brachten Ludwig van Beethovens "Ode an die Freude", die offizielle Hymne der Europäischen Union, am Freitag auf Platz 30 der britischen Charts - und damit deutlich vor das Anti-EU-Lied "17 Million Fuck-Offs". Das Lied von dem Komiker Dominic Frisbey landete nach Angaben der Chart-Herausgeber lediglich auf Platz 43.
Gegner und Befürworter des Brexit hatten dazu aufgerufen, ihre jeweiligen Lieder an die Spitze der britischen Charts zu wählen. Dies gelang zwar keiner der beiden Seiten. Dennoch hatte schliesslich der letzte Satz von Beethovens 9. Sinfonie, eingespielt vom Johann-Strauss-Orchester unter der Leitung des Stargeigers André Rieu, die Nase vorn. In dieser Woche wurde überdies kein Lied von den Briten so oft heruntergeladen wie die Europahymne.
Europagebäude ohne Union Jack
19:41 Uhr: Nach 47 Jahren und 30 Tagen wird die der Union Jack, die Flagge Grossbritanniens, im Europagebäude abgehangen. Der Gebäudekomplex im Zentrum von Brüssel ist der Sitz des Europäischen Rates, dem Gremium der Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedsländer.
Die Flagge des Vereinigten Königreichs wurde am Freitagabend auch vor den Sitzen des Europäischen Parlaments in Brüssel und Strassburg entfernt.
Johnson will am Montag Verhandlungsziele mit Brüssel darlegen
19:20 Uhr: Der britische Premierminister Boris Johnson will bereits am Montag in einer Rede seine Verhandlungsziele für die anstehenden Gespräche über die künftige Beziehung zur EU vorstellen. Das bestätigte ein Regierungssprecher am Freitag der Deutschen Presse-Agentur. Genauere Angaben zum Inhalt der Rede oder zu Uhrzeit und Ort wollte der Sprecher zunächst nicht machen.
Einem Bericht der britischen Tageszeitung "Telegraph" zufolge will Johnson bei der geplanten Ansprache ankündigen, sein Land von der Bindung an EU-Regeln frei zu machen. Handelsschranken wie Zölle wolle er dafür in Kauf nehmen. Souveränität sei wichtiger als reibungsloser Handel.
Europaflagge in britischer Vertretung in Brüssel eingeholt
19:09 Uhr: Am späten Nachmittag ist die Europaflagge an der britischen Vertretung bei der EU in Brüssel eingeholt worden - voerst zum allerletzten Mal. Dort hängt nun nur noch der britische Union Jack. Die bisherige Vertretung Londons bezeichnet sich ab Samstag als britische Mission in Brüssel. Am Sitz der schottischen Regierung in Brüssel wurde dagegen am Freitag eigens die Europafahne gehisst.
Macron fordert EU "gründlich zu reformieren"
18:31 Uhr: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat in einer Rede im Élysée-Palast an die EU-Mitgliedsländer appelliert, den Brexit als Mahnung und Chance zugleich zu verstehen. Er forderte erneut, die Europäische Union "gründlich zu reformieren".
Der EU-Ausstieg Grossbritanniens sei ein "Schock" und ein "historisches Alarmsignal". Dieses Signal müsse in allen EU-Staaten nachhallen, von ganz Europa gehört werden und "uns zum Nachdenken anregen", sagte Macron in der kurzfristig angesetzten Ansprache.
Zugleich warnte Macron mit Blick auf die Kampagne der Brexit-Befürworter vor dem Referendum im Jahr 2016: "Wir müssen uns hier immer daran erinnern, wozu Lügen in unseren Demokratien führen können." Europa sei "allzu oft zum Sündenbock für unsere eigenen Schwierigkeiten gemacht" worden, sagte der französische Staatschef weiter. "Der Brexit war auch möglich, weil wir unser Europa nicht genug verändert haben." Angesichts zahlreicher Herausforderungen, wie Klimawandel, Migration oder digitale und technologische Veränderungen, "brauchen wir mehr Europa", mahnte Macron.
Brexit-Panik am Hafen von Zeebrügge
17:52 Uhr: Unter Lastwagenfahrern mit Ziel England ist nach Polizeiangaben am Freitag eine Brexit-Panik ausgebrochen. Rund um den Hafen im belgischen Zeebrügge sei derzeit besonders viel Verkehr, es entstünden Staus auf den Strassen zu den Fähranlegern nach Grossbritannien.
"Die Fahrer wollen offensichtlich noch heute statt erst morgen einschiffen, weil der Brexit offiziell heute ist", sagte Polizeisprecherin Sarah Frederickx der Nachrichtenagentur Belga. "Das ist reine Panik, denn für den Lastwagenverkehr ändert sich nichts." Die Polizei rief dazu auf, die Umgebung von Zeebrügge zu meiden.
Schotte verliert wegen Brexit Bürgermeister-Amt
17:38 Uhr: Die Akten sind in Kartons verpackt, das Bürgermeister-Schild neben der Haustür ist abgehängt: An seinem letzten Arbeitstag hat Iain Macnab am Freitag endgültig Abschied von seinem Amt als Bürgermeister des kleinen Ortes Brunsmark in Schleswig-Holstein genommen. Wegen des Austritts Grossbritanniens aus der Europäischen Union verliert der Schotte, der seit beinahe 45 Jahren in Deutschland lebt, automatisch sein Amt. Er fühle sich dadurch schon ein wenig entmündigt, aber so seien nun mal die Gesetze, sagte der 70-Jährige.
Zum Abschied haben ihm die Mitarbeiter des Amtes Lauenburgische Seen eine grosse Schottlandfahne geschenkt. Die alte Flagge vor seinem Haus sei auch schon ziemlich ramponiert, da komme die neue sehr gelegen, sagte er. In Zukunft will sich Macnab wieder mehr seiner Frau und seiner Familie widmen. Ausserdem habe er ja auch noch sein Internetunternehmen, das er weiterführen wolle, wenn er die erforderlichen Genehmigungen bekomme, sagte er.
Aufgeheizte Stimmung am Big Ben
16:53 Uhr: Die 76-jährige Brenda Brooks ist froh über den Brexit: "Die EU will ein Superstaat werden", sagt die Seniorin auf dem Platz vor dem Parlament in London. Sie hat bei der letzten Wahl Boris Johnsons Konservative Partei gewählt. Früher sei Europa wunderbar divers gewesen, doch die EU verschwende zu viel Geld und wolle alles vereinheitlichen. "Wir wollen unsere Unabhängigkeit."
"Der Brexit ist ein Desaster", schimpft hingegen die gebürtige Italienerin Silvia Zamperini. Sie ist frustriert und wütend. "Früher war Grossbritannien so ein offenes Land. Jetzt sind hier viele rassistisch, homophob und intolerant", sagt die 51-Jährige, die schon seit 26 Jahren in England lebt.
Die Versammlung auf dem Platz vor dem britischen Parlament spiegelt die Stimmung im Land wider. Grossbritannien ist noch immer zutiefst gespalten in der Brexit-Frage.
Anders der Chef der Brexit-Partei. Nigel Farage zeigt sich bestens gelaunt. Er hat sein Ziel erreicht. Unter dem Motto "Leave means Leave" hat er für Freitagabend ein Fest auf dem Parliament Square organisiert (siehe auch 15:25 Uhr). Die EU-Abgeordneten seiner Partei feiern schon am Morgen ihren "Brexodus" aus Brüssel.
Kuriose Sonderbriefmarke zum Brexit
15:39 Uhr: Mit einer pragmatischen und humorvollen Lösung hat die österreichische Post den Brexit gewürdigt. Eine Sonderbriefmarke mit dem ursprünglich mal angedachten Austrittsdatum 29. März 2019 war schon designt und gedruckt - und wurde nun per Überdruckverfahren einfach aktualisiert. Altes Datum durchstreichen, neues darunter drucken: fertig ist die neue Sonderbriefmarke.
Die Marke wurde 140 000 Mal aufgelegt und ist seit Freitag in drei Filialen in Österreich erhältlich. Ihr Nennwert beträgt 1,80 Euro - sie reicht damit aus, um einen Standardbrief mit bis zu 20 Gramm Gewicht von Österreich aus ins aussereuropäische Ausland zu verschicken.
"Independence Day": Brexit-Anhänger feiern Abschiedsparty
15:25 Uhr: Für die Brexit-Befürworter ist der 31. Januar ein Tag der Freude. Gut dreieinhalb Jahren nach dem Referendum, bei dem die Mehrheit der Wähler für einen EU-Austritt Grossbritanniens votierten, wird der Schritt nun vollzogen. Einige dieser sogenannten Brexiteers teffen sich am Freitag vor dem britischen Parlament in London, um ihren "Independence Day" zu feiern, wie ARD-Korrespondent Thomas Spickhofen auf Twitter berichtet.
Hunderte Briten arbeiten weiter für die EU
15:16 Uhr: Auch nach dem Brexit werden gut 700 britische Staatsbürger weiter für die Europäische Kommission arbeiten. Sie dürften bleiben, obwohl Beamte der Brüsseler Behörde eigentlich EU-Bürger sein müssen, sagten Kommissionssprecher am Freitag. Nur wenn Interessenkonflikte oder internationale Verpflichtungen es nötig machten, müssten britische EU-Beamte ihre Aufgaben bei der Kommission abgeben. Eine generelle Sicherheitsprüfung sei nicht vorgesehen.
Die Zahl der britischen EU-Bediensteten hat seit der Londoner Austrittsankündigung am 27. März 2017 aber schon deutlich abgenommen. Darunter sind auch etwa 120 vormals britische Beschäftigte, die in den knapp drei Jahren ihre Staatsangehörigkeit geändert hatten.
Bundesregierung sieht Brexit als "Einschnitt für Europa"
14:04 Uhr: Die Bundesregierung hat unmittelbar vor dem EU-Austritt Grossbritanniens ihr Bedauern über den Schritt bekräftigt. "Das ist ein tiefer Einschnitt für uns alle", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrem Podcast am Freitag. Sie betonte den Wunsch nach einer engen Beziehung zu den Briten, Deutschland wolle enger Partner und Freund von Grossbritannien bleiben, "denn uns einen gemeinsame Werte".
Grossbritannien sei fast ein halbes Jahrhundert lang ein "wichtiges Mitglied" der EU gewesen, erklärt Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag in Berlin. Es handele sich um ein "starkes" und "leistungsfähiges"Land - "so ein Land lässt man nicht gerne ziehen.
"Wir setzen als Bundesregierung auch in Zukunft darauf, dass Grossbritannien ein enger Partner, ein Freund ist", fügte Seibert hinzu. Es werde weiterhin eine enge Zusammenarbeit angestrebt. Gleichzeitig betonte der Regierungssprecher, Deutschland wolle "die europäische Erfolgsgeschichte" gemeinsam mit den verbleibenden 26 anderen EU-Mitgliedern fortschreiben.
Europaabgeordnete billigen Brexit-Austrittsvertrag in emotionaler Sitzung
Im EU-Parlament herrschte kurz vor dem Brexit grosse Trauer. Viele Europapolitiker haben die letzten Tage genutzt, um Abschied von den britischen Kollegen zu nehmen. Nicht nur die SPD-Europaabgeordnete Katarina Barley sagte, sie werde trauern.
Am Mittwoch hatte das EU-Parlament nach einer emotionalen Sitzung den mehr als 500 Seiten starken Austrittsvertrag gebilligt. Dieser regelt die Trennung nach fast 50 Jahren am 31. Januar 2020 um Mitternacht (MEZ).
Wichtigster Punkt ist eine geplante Übergangsfrist bis zum Jahresende, in der sich im Alltag fast nichts ändert. Grossbritannien bleibt in der Zeit wie bisher im EU-Binnenmarkt und in der Zollunion. Beim Reisen und im Warenverkehr bleibt alles wie gehabt. In der elfmonatigen Frist soll geklärt werden, wie es ab 2021 im Handel und auf anderen Feldern weitergeht.
Barley sagte der Deutschen Presse-Agentur, sie werde sich am Freitagabend entweder alleine verkriechen - oder mit Gleichgesinnten trauern. Zuvor wollte sie noch nach London reisen: "Ich werde entweder mit britischen Verwandten und Freunden mich betrinken... Darf man das sagen? Ich werde auf jeden Fall echt trauern."
Barleys Vater ist Brite, die Mutter Deutsche. Besonders schwer falle ihr der Abschied von britischen Parlamentskollegen - mit einer Ausnahme: "Die Brexit-Partei wird hier niemand vermissen."
Der Grünen-Abgeordnete Rasmus Andresen sagte der dpa: "Es sind auch schon viele Tränen geflossen." Er appellierte an Grossbritannien, im Interesse junger Menschen auch nach dem Brexit enge Kontakte zur EU zu pflegen. "Kappt nicht alle Verbindungen ab", sagte der Grünen-Politiker. Er hoffe, dass Grossbritannien irgendwann wieder zur EU gehören werde.
Grossbritannien nimmt nur eine "Auszeit"
Der langjährige britische Labour-Abgeordnete Richard Corbett sagte am Mittwochabend in Brüssel, Grossbritannien nehme nur eine "Auszeit". EU-Parlamentspräsident David Sassoli äusserte sich ähnlich: "Die Geschichte könnte eines Tages anderen die Aufgabe stellen, umzukehren und zurückzukommen. Wer weiss das schon, niemand weiss es."
Der CDU-Europapolitiker Dennis Radtke meinte hingegen, er sei zwar immer sehr englandfreundlich eingestellt gewesen. "Aber auf der anderen Seite muss man sagen, es reicht jetzt auch einfach." Die EU habe alles getan, "um den Briten einen Verbleib in der EU schmackhaft zu machen".
Auf britischer Seite kündigte Premierminister Boris Johnson einen würdigen Abschied von der EU an. Da das Land nach dem Referendum von 2016 noch gespalten sei, werde er respektvoll feiern. Das Programm für den späten Freitagabend fällt daher schmal aus. Geplant ist eine Lightshow und eine Rede Johnsons. Es wird kein Feuerwerk geben. Auch der Big Ben, das Wahrzeichens Londons, darf nicht läuten. (pak/mf/awa/jwo)
Mit Material von dpa und AFP.
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