Die Brexit-Posse im britischen Parlament ist um eine weitere unrühmliche Anekdote reicher. Rund zwei Wochen, nachdem die Abgeordneten Theresa May mit dem Mandat für erneute Verhandlungen mit Brüssel ausgestattet hatten, um einen No-deal-Brexit zu vermeiden, verpassen sie der Premierministerin nun bei einer unverbindlichen Abstimmung einen neuen Dämpfer. Strippenzieher sind radikale EU-Gegner, die es gerade ablehnen, einen No-deal-Brexit auszuschliessen. Die Posse ist längst zur Farce geraten. Nur rund sechs Wochen vor dem Brexit-Termin wartet Europa somit weiter auf Klarheit aus Grossbritannien.

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Nach der erneuten Niederlage der britischen Premierministerin Theresa May mit ihrem Brexit-Kurs im Parlament wächst die Sorge vor einem ungeregelten EU-Austritt des Landes.

Die Abgeordneten in London lehnten am Donnerstag eine Beschlussvorlage der Regierung mit 303 zu 258 Stimmen ab.

Damit ist wieder völlig offen, wie May rechtzeitig zum EU-Austritt am 29. März eine Mehrheit im Unterhaus für das von ihr mit Brüssel ausgehandelte Austrittsabkommen zusammenbekommen soll. Forderungen nach einer Verschiebung des Brexits lehnt sie bislang vehement ab.

Brexit: EU wundert sich über Mays Entscheidung

Die Abgeordneten hatten May Ende Januar den Auftrag gegeben, das mit Brüssel vereinbarte Abkommen wieder aufzuschnüren. Die Premierministerin hatte sich zum Erstaunen Brüssels hinter den Antrag gestellt und war damit auf Schmusekurs zu den Brexit-Hardlinern gegangen.

Zudem hatte das Unterhaus damals mit einer Mehrheit von 318 zu 310 Stimmen für einen Antrag votiert, der sich dagegen ausgesprochen hätte, die EU ohne Vertrag zu verlassen. Das hatte May aber abgelehnt.

Nun wollte sich May das Mandat für weitere Verhandlungen mit Brüssel im Parlament um zwei weitere Wochen verlängern lassen. Doch ausgerechnet am Valentinstag war der Flirt zu Ende.

Die Brexit-Hardliner innerhalb der eigenen Partei versagten May die Gefolgschaft. Ebenso stimmte oppositionelle Labour-Partei um Jeremy Corbyn dagegen.

Stein des Anstosses war, dass gleichzeitig auch diese weitere Entscheidung des Parlaments aus der ersten Abstimmungsrunde bestätigt werden sollte: die Ablehnung eines EU-Austritts ohne Abkommen mit chaotischen Folgen für die Wirtschaft und viele andere Lebensbereiche. Ein Bekenntnis also gegen einen No-deal-Brexit.

No-deal soll Druck auf EU ausüben

Obwohl das Votum keine bindende Wirkung hatte, wollten einige Brexit-Hardliner das nicht mittragen, da sie darin ein Mittel sehen, um Druck auf die EU auzuüben.

"Einen No-Deal zu gefährden, wäre die bescheuertste Verhandlungsstrategie und nicht im nationalen Interesse", sagte der Vorsitzende der EU-skeptischen European Research Group, Steve Baker.

Handelsminister Liam Fox, der einer der führenden Brexit-Befürworter ist, hatte seine Abgeordnetenkollegen vor der Abstimmung vor einer erneuten Niederlage für May gewarnt.

Bei der EU könnten dann Zweifel entstehen, ob ein nachgebessertes Brexit-Abkommen im britischen Parlament überhaupt eine Chance hätte, sagte Fox im Sender BBC Radio 4.

Die EU werde die Debatte sehr genau verfolgen und darauf achten, "ob das Parlament definitiv liefern würde, wenn sie Zugeständnisse machen".

Mit seiner Einschätzung dürfte Fox Recht haben. Die Zerstrittenheit gerade auch innerhalb Mays eigener Partei vermittelt Brüssel nicht gerade den Eindruck von Handlungsfähigkeit.

May gab sich dennoch unbeirrt. In einer Mitteilung der Regierung hiess es am Donnerstagabend, die Premierministerin halte an ihrer Strategie fest. "Der Beschluss vom 29. Januar bleibt der einzige, bei dem das Unterhaus zum Ausdruck gebracht hat, was es will."

Unmut wird immer lauter: "Tiefgreifender Führungsmangel"

Doch bei den Abgeordneten rumort es. Die neue Schlappe sei ein Symbol für den "tiefgreifenden Führungsmangel" sowohl bei den Konservativen als auch in der Labour-Partei, sagte die pro-europäische konservative Rebellin Anna Soubry. "Wir befinden uns in einem solchen Schlamassel." Die Glaubwürdigkeit der Premierministerin sei schwer angeschlagen.

Oppositionsführer Jeremy Corbyn sagte, die erneute Niederlage zeige, dass May "keine Mehrheit" für ihren Brexit-Kurs habe. "Sie kann nicht einfach weiter auf Zeit spielen und hoffen, dass etwas auftaucht, das die Situation rettet und sie ihr Gesicht wahren lässt", sagte der Labour-Chef über May, die bei den Abstimmung und der Bekanntgabe des Ergebnisses demonstrativ selbst nicht im Parlament war.

Verteidigungsstaatssekretär Tobias Ellwood von den regierenden Konservativen kritisierte Teile seiner eigenen Partei scharf: Eine Gruppe von Brexit-Hardlinern verhalte sich "wie eine Partei in der Partei und das ist frustrierend". Sie hätten die neue Schlappe für May verursacht. Entscheidend sei nun die nächste Abstimmungsrunde am 27. Februar.

Eine parteiübergreifende Gruppe von Abgeordneten plant, der Regierung dann die Kontrolle über den Austrittsprozess zu entreissen, sollte sich ein No-Deal-Brexit abzeichnen.

Der Plan sieht vor, May zum Verschieben des EU-Austritts zu zwingen, falls sie bis Mitte nächsten Monats keinen Erfolg mit ihrem Austrittsabkommen hat. Doch ob sich die Gegner eines EU-Austritts ohne Abkommen durchsetzen können, ist ungewiss.

Die Grünen-Politikerin Franziska Brantner rief May auf, endlich "einen parteiübergreifenden Kompromiss" zu schmieden. "Es ist allerhöchste Eisenbahn", sagte die europapolitische Sprecherin der Grünen weiter.

Katarina Barley, die SPD-Spitzenkandidatin für die Europawahl, sagte der Deutschen Welle, May habe in den vergangenen Wochen nur noch versucht, Zeit zu gewinnen und mehr Druck auf die anderen EU-Mitgliedstaaten zu machen.

"Das ist eine Strategie, die nicht funktionieren wird", zeigte sich Barley überzeugt, die sowohl die deutsche als auch die britische Staatsbürgerschaft hat.  © dpa

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