Am Mittwoch setzen die völlig zerstrittenen britischen Parlamentarier ihre Brexit-Debatten fort. Am 15. Januar wollen sie dann über das Abkommen abstimmen. Den EU-Politikern bleiben so lange nur Appelle.

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Nur wenige Tage vor der wichtigen Abstimmung über das EU-Austrittsabkommen von Regierungschefin Theresa May haben die Abgeordneten im britischen Parlament die Spielregeln geändert.

Zum Auftakt der fünftägigen Debatte entschieden die Parlamentarier mit 308 zu 297 Stimmen am Mittwoch, dass die Regierung innerhalb von drei Sitzungstagen einen Plan B vorlegen muss, sollte Mays Brexit-Vertrag am kommenden Dienstag abgelehnt werden.

May könnte damit nach Ansicht von Beobachtern nicht mehr auf Zeit spielen, um ihr Abkommen durchs Unterhaus zu bringen. Das Parlament könnte dagegen Einfluss auf die weiteren Schritte nehmen.

Die Regierungschefin hatte die Abstimmung über das mit Brüssel ausgehandelte Brexit-Abkommen im Dezember zunächst verschoben, weil sich eine deutliche Niederlage abzeichnete. Sie soll nun am kommenden Dienstag, den 15. Januar, stattfinden. Es gilt jedoch weiterhin als unwahrscheinlich, dass der Brexit-Deal eine Mehrheit findet.

EU-Vertreter drängen Briten zur Zustimmung zum Brexit-Vertrag

EU-Politiker forderten unterdessen ein Ja zum Austrittsvertrag. "Die Kollegen im britischen Unterhaus tragen jetzt grosse Verantwortung", sagte der CSU-Europapolitiker Manfred Weber am Mittwoch.

CDU-Brexit-Experte Elmar Brok warnte die britischen Abgeordneten vor Illusionen, die EU werde noch Zugeständnisse machen oder einen Ausweg weisen. Selbst eine kurze Verlängerung der Austrittsfrist sei nur bei zwingenden Gründen möglich, sagte Brok.

Ein Austritt ohne Abkommen brächte wahrscheinlich Chaos an den Grenzen, Rechtsunsicherheit und Einbussen für die Wirtschaft. Bei einem geregelten Austritt hingegen wäre eine Übergangsphase bis mindestens Ende 2020 vorgesehen, in der sich praktisch nichts ändert.

Weber sagte am Rande eines "Wirtschaftsgipfels" der Zeitung "Welt" in Berlin: "Jeder muss sich vergegenwärtigen, dass ein harter Brexit für einen Austritt am 29. März ohne vertragliche Regelung zu ganz schwierigen, vielleicht sogar chaotischen Situationen führt." Jetzt sei Grossbritannien am Zug.

Im Vertrag habe die EU ihre drei Kernziele durchgesetzt, sagte der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei. Dazu zählte er die geplante Schlusszahlung Grossbritanniens, Rechtssicherheit für EU-Bürger in Grossbritannien und die Vermeidung einer harten Grenze in Irland. Es sei nun an den Briten zuzustimmen.

Theresa Mays Vertrag stösst auf Ablehnung

Allerdings sind drei Viertel der britischen Abgeordneten einer Umfrage zufolge der Meinung, Premierministerin Theresa May habe schlecht mit der EU verhandelt.

Die Meinungsverschiedenheiten im Unterhaus hätten sich binnen eines Jahres erheblich vergrössert, ermittelte die Londoner Universität Queen Mary gemeinsam mit der Denkfabrik "The UK in a Changing Europe". Deshalb sei es kaum möglich, dass May das Abkommen durch das Parlament bringe.

In Mays Konservativer Partei stösst der Vertrag auf viel Ablehnung, ebenso wie bei der nordirischen DUP, auf deren Stimmen Mays Minderheitsregierung angewiesen ist.

Knackpunkt ist für viele Gegner die von Brüssel geforderte Garantie für eine offene Grenze zwischen dem EU-Mitglied Irland und dem britischen Nordirland.

Demnach soll ganz Grossbritannien in einer Zollunion mit der EU bleiben, bis eine bessere Lösung gefunden ist. Kritiker verlangen hingegen eine klare Befristung.

Harte Grenze in Irland

CDU-Europaparlamentarier Brok lehnte dies erneut ab. Der sogenannte Backstop sei eine Lebensversicherung, und die könne man nicht befristen, sagte er in Brüssel. Brok räumte aber ein, dass bei einem "No Deal" direkt nach dem Brexit eine harte Grenze in Irland entstünde.

"Das bedeutet schlicht und einfach, dass dies eine Grenze wird wie zu jedem Drittstaat", sagte Brok. "Und demnach müssen die Grenzkontrollen, die Warenkontrollen und so weiter stattfinden. Natürlich kann man viele Zollvereinbarungen treffen, dies in anderer Weise zu machen. Aber ich sehe das nicht."

Um einen Austritt ohne Vertrag abzuwenden, wird nun auch vermehrt über eine Verschiebung des Brexits spekuliert. Dies wäre auf Antrag Grossbritanniens mit Zustimmung aller anderen 27 EU-Staaten möglich.

Alternativ könnte Grossbritannien seinen Austrittsantrag zurückziehen - und es womöglich in einigen Monaten noch einmal versuchen. (ff/ank/dpa)

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